2003 wird die Welt ein bisschen modern: Musik passt plötzlich auf weiße Festplatten in Hosentaschengröße, die ersten Blogs ersetzen Fanzines, und wer was auf sich hält, bastelt stundenlang am eigenen MySpace-Profil. Nur DJs schleppen derweil noch echtes Vinyl, weil in den Clubs noch immer dieselben Plattenspieler rumstehen. Und zwischen ihnen leuchten Geräte, die entweder nach Hip-Hop-Battle oder nach Großraumdiskothek aussehen. In diesen Clubmoment kracht dieser Mixer. Grau, kantig, eigentlich sehr deutsch: der Allen & Heath Xone:92.
Die guten DJs checken schnell: Das ist kein Mixer, das ist ein Werkzeug. Kein Digitalwunder, sondern ein Klangformungsinstrument. Denn der Xone:92 ist der erste Mixer, der den Filter zum expressiven Gestaltungsmittel im Club erhebt – nicht nur zum Effekt, sondern zu so etwas wie der musikalischen Geste.
Eine Frequenzfahrt durchs Mittenband wird zur Dramaturgie. Eine leichte Resonanz im Sub macht aus Ambient eine Drohung. Der 92er gibt den DJs so zwar keine ganz neue Sprache, aber zumindest einen Dialekt. Gesprochen von DJs, die nicht mixen, sondern modulieren: Ricardo Villalobos, Richie Hawtin, Magda, später Ben UFO, Steffi, Helena Hauff. In Sets, die nicht einfach funktionieren, sondern fließen. Die ihre Erzählung nicht im Drop finden, sondern in der Textur.
Wie mehr Schule?
Vor dem Xone:92 dominieren zwei Mischfronten: Die Clubszene lebt entweder mit rotzigen Battle-Mixern aus dem Hip-Hop oder mit ersten Pioneer-Geräten, die zwar intuitiv, aber klanglich eher neutral sind. Allen & Heath bringt Abbey-Road-Qualität in die Booth. Die Preamps, die Wärme der Filter, die Tiefe der EQs – hat man alles davor am Dancefloor noch nicht so schön gehört.
Und: Im Gegensatz zu den Pioneer-Mixern, die mit jeder Drehung und jedem Klick ein Feuerwerk aus Lichtern abfeuern, bleibt der Xone:92 auf dem Boden der Tatsachen. Die Lichtanzeigen sind funktional, aber nicht spektakulär. Sie sind wie ein dezentes Signal aus der Zukunft: "Du brauchst das nicht, um gut zu sein.” Das ist fast philosophisch. Der Mixer selbst ist der Held, nicht die bunten Lichter.
Dazu kommt das Timing. Anfang der 2000er verändert sich das DJing rasant. Ableton Live bringt gerade seine erste DAW-Version raus, Final Scratch experimentiert mit Timecode-Vinyl, und digitale DJs stehen vor der Frage: Will ich auf einem Bildschirm auflegen – oder mit meinen Händen?
Der 92er bietet die Brücke: zwei zusätzliche Kanäle für Effekte oder Software-Ins, MIDI-Outs für Sync, eine Architektur, die sich in hybride Setups integrieren lässt, lange vor Traktor Kontrol oder Serato HID-Modus. Der Mixer zeigt sich offen für den Wandel, ohne sich ihm anzubiedern. Auch deshalb beharren immer mehr DJs in ihren Techridern auf den Xone:92.
Die Familie wächst
Im Laufe der Jahre versucht Allen & Heath, den Erfolg des 92ers in andere Formate zu übertragen. Der Xone:62 – kleiner, klassischer – ist beliebt in Bars, bei Radiomachern, im Tante-Emma-Club. Der Xone:42 – günstiger, clubtauglich, mit integriertem Filter – kommt gut bei Tech-House-Fans an, geht aber im langen Schatten des 92er unter.

Trotzdem verfolgt jeder dieser Mixer eine eigene Idee – allen gemein ist die von Allen & Heath hochgehaltene Liebe zur physischen Präsenz des Sounds. Die Xone-Serie wird damit zum Gegenentwurf zur visuellen, oberflächenorientierten DJ-Kultur, die sich zeitgleich ausbreitet.
Und die auch beim britischen Hersteller ankommt. Der Xone:DB4, ein digitaler Effektmixer mit vier FX-Engines, internen Loops, USB-Soundcard ist technisch brillant, aber: zu komplex, zu nerdig, zu viel Menüsteuerung. Die Szene bleibt zurückhaltend. Viele kehren zurück zum 92er – wie zu einem Buch, das man versteht, ohne es erklären zu müssen.
Yippi Yay Schweinebacke
Erst 2018, als der Xone:96 erscheint, ist es da, das lang erwartete Update. Die Philosophie bleibt: analoge Filter, Vier-Band-EQ, zwei Aux-Wege. Aber: doppelte USB-Soundcard, bessere Pegelanzeige, robustere Bauweise, zusätzlicher Send. Kein radikaler Bruch, sondern ein behutsamer Schritt in die Jetztzeit.

Die Szene nimmt ihn an – langsam, aber treu. Der 96er wird zum neuen Clubstandard für diejenigen, denen Klang wichtiger ist als Color FX. Im Rider von Künstler:innen wie Kangding Ray, Pariah, Rebekah, Donato Dozzy – Leute, für die Frequenzen keine Durchlaufposten, sondern Erzählstoffe sind.
2023 dann das Update, das eigentlich keins sein will: der Xone:92 MK2. Ohne revolutionäres Gehabe, stattdessen mit: USB-C-Anschluss für MIDI, aktualisierte Bauteile, bessere Langlebigkeit. Griffigere Potis, feinjustierte Filterresonanz. Ein Phantom-Upgrade, das im Geiste des Originals agiert. Für jene, die diesen Mixer seit 20 Jahren blind bedienen können – und das auch weiterhin tun wollen.
Der Xone:92 MK2 steht nicht für den nächsten Hype, sondern für Beharrlichkeit. Für ein Gerät, das sich nicht ständig neu erfinden muss – weil es von Anfang an als Werkzeug für die Ewigkeit gedacht war. Und so bleibt er auch in seiner neuen Version, was er immer war: das stille Zentrum der Booth. Keine große Show, keine bunte Oberfläche – eigentlich nur der Sound. In einer Welt aus blinkenden Touchscreens und automatisierten Übergängen vielleicht der radikalste Ansatz von allen.
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