
Clubporträt: Waldschänke Dornheim (Würzburg) – Arbeit an der Graswurzel
Seit dem Jahr 2016 finden im Talavera-Schlösschen in Würzburg Clubnächte statt, seit zwei Jahren kümmern sich in der Waldschänke Dornheim die DJs Denny Voltage und Radiothérapie um die Programmierung. Ihr Ansatz ist simpel: Mit abwechslungsreichen Bookings sollen regionale Wurzeln gepflegt werden und das "Lustschloss" als Begegnungsort fungieren. Unser Clubporträt:
Die Stadt Würzburg bewarb sich einst selbst mit den Worten "Provinz auf Weltniveau", für die Ticketing-Plattform Resident Advisor allerdings existiert sie nicht einmal. Denny Garcia ärgert das – verständlicherweise. Gemeinsam mit Manuel Scholze kümmert sich die unter dem Pseudonym Denny Voltage aktive DJ in der Waldschänke Dornheim seit zwei Jahren um die Programmgestaltung des Clubs, der laut Resident Advisor irgendwo im Bundesland Bayern steht. "Wir müssen dort immer Nürnberg als Veranstaltungsort angeben", lacht Garcia. "Dabei würde ich behaupten, dass unsere Bookings ganz schön krass sind – und wir mit dem seit langem bestehenden Airport und dem Kurt & Komisch, wo neben Hip-Hop mittlerweile auch Techno-Partys stattfinden, noch zwei andere gute Clubs in der Stadt haben."
Tatsächlich hat die von Weinbergen gesäumte fränkische Unistadt eine Tradition subkultureller Umschlagplätze, zu denen unter anderem das alternative Kulturzentrum AKW und die MS Zufriedenheit gehörten, wo vor deren Schließung im Jahr 2021 Garcia und der als DJ unter dem Namen Radiothérapie bekannte Scholze als Veranstalter:innen und Residents aktiv waren. Auch das Café zum schönen René lässt sich dazu zählen, eine in der Regel aus allen Nähten platzende Bar in Bahnhofsnähe mit DJ-Programm. "Das war der Nährboden der Waldschänke Dornheim. Nachdem das Gebäude am Bahnhof abgerissen wurde, gründeten im Jahr 2016 der damalige Geschäftsführer Patrick Hansel mit Alexander Schmelz vom Talavera-Schlösschen eine GmbH", erklärt Scholze. Nach Hansels Ausstieg im Jahr 2022 betreibt Schmelz diese nun gemeinsam mit Daniel Klein zusammen.
Schmelz hatte im Jahr 2013 im Schlösschen einen Biergarten eröffnet und stellte die Räumlichkeiten des zweistöckigen, denkmalgeschützten Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert als Eventlocation zur Verfügung. "Im Jahr 2016 wurde die Waldschänke Dornheim aber dann zu einem Club mit kuratiertem Programm", erklärt Scholze. Der Biergarten blieb geöffnet und erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit, der Clubbetrieb läuft dagegen weitgehend unabhängig davon – wobei sich ständig "Synergieeffekte" ergeben, wie Scholze erklärt. "Der Club hat zum Beispiel einen Outdoor-Floor, der im Sommer mit Abendveranstaltungen aus dem Biergarten bespielt werden kann." So greift beides ineinander und macht das Schlösschen zum Anlaufpunkt für ein breites Publikum, das kulinarische und kulturelle Erlebnisse an einem Ort geboten bekommt: Die Clubnacht kann mit einem Dinner im Freien gestartet und anschließend ins Innere verlagert werden.

Herausforderung Studentenstadt
Das ehemalige Jagdschloss beziehungsweise "Lustschloss", wie Garcia es noch lieber nennen möchte, bietet rund 250 Menschen Platz und teilt sich in einen Barbereich mit kleinem Dancefloor im Untergeschoss sowie dem mit einer Void-Anlage bestückten größeren "Ballsaal" im ersten Stock auf. "Unten gibt es eher etwas fürs Gefühl, oben läuft in der Regel die schnellere und hypigere Musik", fasst Scholze die musikalischen Dimensionen dieser räumlichen Aufteilung mit einem Grinsen zusammen. Er selbst legte in der Vergangenheit selbst als DJ hin und wieder in der Waldschänke Dornheim auf, bevor er im Jahr 2022 von der Geschäftsführung als Booker rekrutiert wurde. Nachdem er anfänglich noch Konzessionen an die vorige Sound-Philosophie des Clubs gemacht hatte, änderte sich die programmatische Ausrichtung, als er Ende desselben Jahres Verstärkung erhielt.
Garcia bestätigt das. "Im Vergleich zu den Anfangstagen ist der Sound durch Manuel und mich wesentlich diverser geworden. Damals waren Downtempo-Sounds und die Katermukke-Ästhetik sehr präsent", erklärt die vormalige Veranstalterin der Reihe Avoid The Subject, deren Prism-Events in der Waldschänke Dornheim sich vor allem an ein queeres Publikum richten und die dafür unter anderem schon Cormac und nd_baumecker nach Würzburg geholt hat. "Wir versuchen, breiter zu agieren." Das funktioniere in der Duokonstellation besonders gut, weil beide DJs sehr unterschiedliche Perspektiven einnehmen und persönlich sehr gut harmonieren, wie sich auch im Gespräch zeigt. "Ich sage in letzter Zeit immer: 'Was auch immer Manuel denkt, ich stimme zu!’", lacht Garcia. "Aber würde ich einen eigenen Club betreiben, sähe der ganz anders aus als seiner."
Die gelegentlich auch in der Panorama Bar, dem Stuttgarter Club Romantica und anderswo gastierende DJ bringe vor allem Impulse von außen ein, während Scholze den Überblick über die regionale Szene behalte. Regionalität ist in Würzburg nicht nur unter Winzer:innen, sondern ebenso in der Waldschänke Dornheim ein zentrales Stichwort. Der Club habe von Beginn an eine Lücke in der Musiklandschaft Würzburgs geschlossen, indem er verschiedenen Generationen und Subkulturen entgegenkam: "Dort fanden anfangs Besucher:innen des Cafés zum schönen René, des AKW und sogar des Airports zueinander", erklärt Garcia. "Wir möchten auch weiterhin die verschiedenen Bubbles der Stadt bedienen."
Scholze fügt hinzu, dass sich die Waldschänke Dornheim in ihrer Booking-Philosophie zugleich vom restlichen Angebot der Stadt absetzen, während sie zugleich als Anlaufpunkt und Schmelztiegel der städtischen Szene wirken solle. "Das heißt nicht, dass wir nur gebürtige Würzburger:innen buchen würden, sondern ebenso Menschen, die hier in die Szene reinwachsen und uns auch nach ihrem Studium mit der Stadt verbandelt bleiben", erklärt er. Rund ein Fünftel der knapp 130.000 Einwohner:innen sei primär zum Studieren in der Stadt, rechnet Scholze vor. Deshalb tausche sich ein erheblicher Teil der Szene und des Publikums alle drei bis vier Jahre aus. "Das stellt eine große Herausforderung dar: Wir müssen ständig an der Graswurzel arbeiten."

Ein Ort der Verbindung
Mehr noch als in anderen Clubs muss das Programm der Waldschänke Dornheim auf die Bedürfnisse eines möglichst breiten, das heißt vielseitigen Publikums abgestimmt werden. Nur etwa ein Drittel der Clubnächte wird dabei allerdings von der Booking-Doppelspitze selbst kuratiert. "Anfangs haben wir noch mehr externe Showcases veranstaltet", erinnert sich Denny Garcia – überregionale Bookings, die weiterhin "Leuchttürme" im Programm darstellen würden, nicht immer aber auch viele Menschen anzogen. Das mussten sie und Manuel Scholze schon früh einsehen. "Würzburg ist nicht Berlin und wir könnten nicht einfach eine Party von dort hierher copy-pasten – das funktioniert nicht", zuckt sie mit den Schultern. "Wir wollen allerdings auch kein Show-Off-Programm machen", ergänzt Scholze. "Es ist uns wichtiger, in Würzburg wahrgenommen zu werden."
Das breite Programm der Waldschänke Dornheim bietet dementsprechend für viele Geschmäcker etwas, die vertrauten Gesichter aus der Nachbarschaft haben mehr Zugkraft als internationale Bookings. Die hauseigenen Veranstaltungsreihen Fast Forward, zu der unter anderem DJ Gigola und zuletzt Bashkka eingeladen wurden, sowie die auf zentrale Säulen des Nachtlebens anderer Städte ausgerichtete neue Serie Club_Culture werden durch eine Reihe von Residents sowie verschiedene, von externen Kollektiven kuratierte Formate ergänzt. "Wir wählen die Crews ausgehend von ihrem Sound und Booking-Verhalten aus und versuchen, sie so weit es geht an die Hand zu nehmen", so Garcia. Dieser Ansatz trägt Früchte. Im September 2024 feierte beispielsweise die neue Serie Polyvalent ihr Clubdebüt, nachdem sich die vier Gründungsmitglieder im Rahmen eines DJ-Contests in der Waldschänke Dornheim kennengelernt hatten.
Die Arbeit an der Graswurzel schließt demnach vieles ein – den Aufbau des Nachwuchses ebenso wie die Vernetzung der regionalen DJ-Szene über eine WhatsApp-Gruppe. Darüber hinaus gibt es seit Kurzem sogar eine eigene Interview-Reihe, die ebenfalls Club_Culture heißt und bei der unter anderem Journalistin Gesine Kühne und die Romantica-Betreiberin Femke Bürkle zu Gast waren. Das Ziel: Vor allem beim jüngeren Publikum ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Orte wie die Waldschänke Dornheim nicht allein Orte des Hedonismus sind. "Heutzutage gehen viele in den Club mit einer Erwartungshaltung wie beim Konzert", seufzt Garcia. "Sie holen ihr Handy raus, filmen für 15 Sekunden eine Abfahrt auf UK Garage bei 150 BPM und denken, das sei Clubkultur. Dabei geht es um mehr als ein paar Leute, die auflegen. Wir sind Teil eines großen Ganzen", unterstreicht sie.
Clubkultur bedeutet allerdings hin und wieder, einfach auf der Couch zu versacken und sich festzuquatschen. Daran wurde Scholze erinnert, als er am Wochenende vor dem DJ-LAB-Interview während des Closing-Sets durch den Club streifte, um alle Hängengebliebenen für einen letzten Tanz zu motivieren: Los, los – es geht hier nur noch eine Stunde! "Da sagte mir jemand: 'Die Couch ist für mich der beste Ort, um Gespräche ganz generell zu führen.' Das konnte ich total wertschätzen. Die Leute zahlen ihren Eintritt eben nicht nur, um den Headliner zu sehen – sie wollen auch miteinander ins Gespräch kommen!" Auch jenseits des Biergartens der Waldschänke Dornheim, der einem generationenübergreifenden Publikum als Treffpunkt dient, soll der Club Vergleichbares leisten. "Mir ist es wichtig, einen Ort der Verbindung zu bieten", bekräftigt Garcia. "Im Club können sich Freundschaften schließen, wird Identität gebildet."

Die kommende Renaissance im Lustschloss
Die kulturelle Bedeutung der Waldschänke Dornheim wurde zuletzt auf lokaler und sogar überregionaler Ebene gewürdigt. In gleich zwei Jahren in Folge wurde der Club von der Stadt Würzburg für seinen kulturellen Beitrag prämiert, zuletzt wurde er mit dem APPLAUS-Preis der Initiative Musik für sein Live-Programm ausgezeichnet. Über die bloße Anerkennung hinaus ist das auch in finanzieller Hinsicht erfreulich. Zusätzlich zur sehr speziellen Situation eines in einer vergleichsweise kleinen Studentenstadt gelegenen Clubs muss sich auch die Waldschänke Dornheim der wirtschaftlichen Krisensituation der Gegenwart stellen. Nach den pandemiebedingten Schließungen hatte sich im Jahr 2022 zwar eine "Erlebnishungerblase" gebildet, wie Garcia es ausdrückt, und der Club war entsprechend voll – schon Ende des Jahres aber waren die Besucherzahlen wieder rückläufig.
Angesprochen auf die wirtschaftliche Situation des Clubs fasst Scholze den Status quo als "so lala" zusammen. Das Team des Clubs ist mit sechs Festangestellten und circa 20 weiteren Beschäftigten relativ klein, das Vertrauen der Geschäftsführung groß und gelegentliche Defizite könnten im Notfall durch die Einnahmen aus dem Geschäft mit dem Biergarten getilgt werden. "Wir haben aber keine loyale Basis von 200 Leuten mehr, die jeden Abend zu uns kommen und somit den Club finanziell tragen. Wir haben Stammgäste, aber sie sind weniger geworden. Vielleicht auch, weil die Leute seltener feiern gehen", sagt Scholze. Dabei ist das nicht einmal teuer: Verglichen mit anderen Städten sei die Waldschänke Dornheim noch ein "Super-Discount-Club", der Eintritt kostet in der Regel für das volle Programm auf zwei Floors nur einen Zehner – noch.
Scholze betont, dass er und Garcia sehr dankbar dafür seien, mit dem Club nicht profitorientiert wirtschaften zu müssen. "Obwohl wir uns aber nach dem Jahr 2022 durch neue programmatische Einflüsse und eine Verjüngung des Programms wieder stabilisiert haben, erleben wir natürlich eine generelle Destabilisierung der Szene", sagt er. Inflation, Energiekrise und andere Faktoren setzen der betrieblichen Kalkulation ebenso zu, wie das anderswo der Fall ist. "Es war schon vor der Pandemie nicht einfach, einen Club zu betreiben und wir wollen definitiv nicht jammern, doch wir müssen langsam die Preise anheben" Vereinzelt kostet es nunmehr 13 Euro, um Zugang zur Waldschänke Dornheim zu erhalten, in Zukunft könnte es noch teurer werden. Schön sind solche Perspektiven nicht für einen Club, der von den Beteiligten als "Herzblutprojekt" betrieben wird, wie Scholze betont.
Das heißt aber noch lange nicht, dass die Stimmung gedrückt wäre. Im Gegenteil. "Wir stehen vor einer Art Renaissance. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viel gelernt und einiges gut gemacht – die Konsolidierungsphase ist vorbei. Im März steht eine Art Facelift an, wir wollen unsere Identität neu definieren", verrät Garcia. Auch das soll möglichst auf Graswurzelebene geschehen. "Es ist uns wichtig, dass wir das auf solidarischer Basis umsetzen – mit der Geschäftsführung und Leuten aus dem Kernteam der Waldschänke Dornheim, genauso aber mit den Gästen." Die kennen den Club dieser Stadt, der der größten Ticketing-Plattform der Szene weiterhin unbekannt bleibt, schließlich am besten.

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