Review: Maât – Solar Mantra [Growing Bin Records]

Review: Maât – Solar Mantra [Growing Bin Records]

Features. 12. April 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Von wegen immer nur kalter Kellerclub und Utz, Utz, Utz. Raus soll es gehen, Frischluft und Vitamin D braucht der Mensch. Vermutlich ist das in diesen Tagen leichter gesagt als getan. Und dennoch: Das französische Produzenten-Trio Maât hat mit dem Erstlingswerk 'Solar Mantra' ein befreiendes Debüt vorgelegt, das klanglich den Frühling auf den Plattendecks begleitet. Sanft und entspannt geht es zu, wenn die Wahlpariser Kombo aus La Syncope ('Al Chameau EP'), Tim Karbon ('Basement Island EP') und SSCK (Dunstkreis Mawimbi) in bester Jazz-Manier Spielarten wie House, Dub, Downtempo und Ambient durchdeklinieren, sofern diese Schubladensortierungen überhaupt bemüht werden können. Hier klingt wenig off aber einiges angenehm verspult.

Selbst, so sagt die Band, widmen sie ihr Album vor allem ihren musikalischen Vorbildern, den Jazz-Fusionistas Collin Walcott, Don Cherry und Nana Vasconcelos. Als Codona I, II und III verknüpfte das Trio zwischen 1978 und 1984 freie Ausdrucksarten zwischen Free- und Fusion-Jazz zu musikalisch-meditativen Übungen. In ähnlicher allerdings zeitlich nicht so ausschweifender Weise üben sich Maât ebenfalls daran, zeitgenössische Stile ganz natürlich ineinanderfließen zu lassen. Das klingt in den Spitzen virtuos, ist aber oft soweit auf das Nötigste reduziert, dass die acht Entwürfe jeweils kaum länger als fünf Minuten spielen. Hauptsächlich dann, wenn die Platte droht ins Esoterische zu kippen.

Denn grundsätzlich erzeugen die Stücke relativ präsente und leicht zu greifende Bilder. Gleich zu Beginn zieht 'The Walk' in die Platte rein. Ein leicht erhöhter Herzschlag-Beat, Shaker und dezente Synth-Leads genügen, um feinen Dünensand an den Füßen spürbar werden zu lassen. Immer wieder evoziert das Vocal-Sample 'Can’t you see I’ve been walking?' ein Gefühl von Aufbruch und Bewegung. Kurz unterbricht ein Akustik-Gitarren-Break und lässt darauf beinahe alles vom Low Pass verschlucken, ehe das Stück im Fadeout auspendeln kann. Nach nur einem Stück scheint das Setting der Platte gesetzt. Hier klingt alles stets hybrid, nie stehen einzelne Stile einsam im Vordergrund herum.

Bereits in der ersten Minute von 'Feuglace' wird die Verspieltheit deutlich, mit der Maât ihre Controller bedienen. Scatting und Plopp-Geräusche werden so weit ausmoduliert, dass die Stimme selbst zum Instrument wird. Dann entwachsen aus einem Xylophon, Drums und einer Bass-Gitarre gleißend-blutorangige Abendsonnenstrahlen. Im Titeltrack nudelt eine nach bester Codona-Art gestimmte Sitar den polyrhythmischen Gruß zur Sonne heraus.

Die B-Seite beginnt schön groovy und tanzbar. Der Track 'Quetzal Pacino' wirkt deutlich housig und ist am ehesten das, was man Balearic Beat taufen würde. Traumhaft lange Pads, Klanghölzer-Percussions und ein typisch aufblühender Spannungsbogen erinnern bereits an die normalerweise bald stattfindenden ersten Open-Air-Raves des Jahres. Ein wenig unglücklich ist vielleicht das Pacing der B-Seite. Nach der House-Bombe auf B1 tummeln sich mit 'Clairière', 'Mount Beuvray' und 'Llomé Dub' drei entspannte Dub-Closer, die genügsam aber unglücklich positioniert die Temposchraube herunterdrehen.

Wohl auch dem Thema der Platte geschuldet, kommt das Trio hier ohne tragenden Pathos aus. Maât haben auf 'Solar Mantra’ eine spannende Mixtur erschaffen, Organisches mit Elektronischem zu kreuzen. Das ist impulsiv, lebhaft und manchmal psychedelisch-schmusig. Wir wollen es ja nicht so laut sagen, aber wenn die Frühlingsvibes wegen der COVID-19-Pandemie ausfallen, so dürfen sie wie hier doch wenigstens schon leichtfüßig durch die Boxen geschallt kommen.

’Solar Mantra' erschien auf Growing Bin Records.

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