Review: Move D & Benjamin Brunn – Let's Call It A Day [Smallville Records]
Cover von 'Let's Call It A Day'

Review: Move D & Benjamin Brunn – Let's Call It A Day [Smallville Records]

Features. 23. Februar 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Nun, das ist ja so. Das Internet hat die Inhalte des Musikmarktes vollständig durchdemokratisiert. Wir stellen uns das so vor: Dank diverser Streaming-Plattformen können alle alles rund um die Uhr von überall abrufen. Dass das in der Praxis natürlich überhaupt nicht der Fall ist, daran erinnern uns Wiederveröffentlichungen verloren geglaubter Platten. Als sogenannte Reissues werden Tracks zurück an die Oberfläche gespült, die man entweder längst verdrängt hat oder nie entdecken konnte. Im Falle von David Moufangs und Benjamin Brunns aktuellem Reissue bedeutet das, dass mit 'Let’s Call It Day' einem neuen alten Publikum eines solcher Projekte vorgelegt werden kann, das seiner einstigen Zeit bereits voraus war. Einmal innehalten, bitte.

2006. Das war gerade eine Zeit der stilistischen Schwebe im deutschen House-Zirkus. Die Loveparade war insolvent und hoffte auf neuen Mut und frisches Geld von Investoren. Zwischen aufkommenden Minimal-Endlosschleifen und langsam lauter werdenden Kalkbrenner-Brüdern tüftelte das Moufang-Brunn-Gespann genüsslich besonnen im Heidelberger reSource Studio an dem perfekten Gemisch aus technoider Tanzbarkeit, gedanklich abschweifenden Deep- und Dub-House-Schwaden sowie tiefenentspanntem Ambient. Was quasi als Eichstrich für das zwei Jahre später erschienene und eher bekannt gewordene Album 'Songs From The Beehive' dienen würde, artikulierte sich seinerzeit nur bedingt großspurig. 'Let’s Call It Day' erschien über das Label BineMusic in nur kleiner CD-Auflage. Von Vinyl sprach zu dieser Zeit kaum jemand. 2020 steht das Album jetzt erstmals in den Händlerregalen von Schallplatten-DealerInnen.

Die Neuauflage punktet nicht nur optisch mit dem redesignten Cover aus der Feder von Zeichnerikone Stefan Marx. Über das Hamburger Label Smallville erscheint die Platte in einer frisch remasterten Variante, die sich von den ersten Sekunden an deutlich bemerkbar macht. Verglichen zur CD-Version klingen die Stücke jetzt frischer, satter und trotz ihrer Entrückungen noch eher 'an ihrem Platz'. Damit die teilweise über zehnminütigen Jams auf vier LP-Seiten passen können, musste die Sortierung der Trackliste aber variiert werden. Die subtilen Unreinheiten, die das Album stets etwas rough und schwammig klingen ließen, sind dabei geblieben. Am ehesten fällt das bei dem Stück 'C-Sick' auf. Ursprünglich als Kick-Off auf der Eins gewesen, beschließt der Track nun die C-Seite. Die fast an Übersteuerung erinnernden Pops knacken und knistern in den Subfrequenzen jetzt wesentlich gewollter unfertig und die klar dubbigen Texturen blubbern weiter in den Vordergrund gezogen.

Moufang und Brunn haben es mit diesem Projekt verstanden, ihre eigenen Stile ineinander fransen zu lassen, ohne sich dabei zu behindern. Das Duo komplementiert sich gegenseitig und lässt den ruhepulsartigen Herzschlägen ihrer Maschinen freien Lauf. Auf 'On The Magic Bus' programmieren sie eine Reihe relativ simpel gehaltener Loop-Strukturen zu einer eilig in Mark und Bein übergehenden Taumelbewegung zusammen. Die infektiöse Schlichtheit der Stücke lässt das Album erfrischend wirken. Auf 'Grains' glaubt man Steine durch ein Treppenhaus fallen zu hören, während Phaser-Elemente wild ausmodulierend ganze Frequenzspektren abtasten. Im Titeltrack sind es die konstant abperlenden Arpeggios, die für ein Gefühl der Schwerelosigkeit sorgen. 

Am tanzbarsten werden Moufang und Brunn auf dem Stück 'Ω', ein recht offensiv housiger Sonnenaufgang. Zuletzt ist es aber vor allem die 17-minütige Meditation 'Magnetically Leviated Train', die der Platte eine besondere Note von Luftigkeit verleiht. Vermutlich steht dem Album die Kennzeichnung Ambient House am besten, obwohl dabei keine der möglichen stilistischen Zuweisungen immer konsequent Folge geleistet wird. Wohl auch deshalb verdient dieses Album einen zweiten Frühling. Das klingt auch nach fast 15 Jahren immer noch so progressiv wie prophetisch. Fraglich bleibt, warum das gemeinsame Schaffen nach dieser Kollaboration nie stärker forciert wurde.

’Let's Call It A Day' erschien am 11. Februar auf Smallville Records.

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