Test: Behringer MS-1 / Analog Synthesizer

Test: Behringer MS-1 / Analog Synthesizer

Tests. 8. Dezember 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Niko Giortsios

In der Welt der elektronischen Klangerzeugung gibt es Instrumente, die unweigerlich mit bestimmten Genres verbunden sind und diese geprägt und bisweilen hervorgebracht haben. Neben der TR-909 und der TB-303 gehört der SH-101 von Roland zu den absoluten Ikonen, die auf unzähligen Techno- und House-Produktionen zu finden sind und der Klanglandschaft ihren Stempel aufgedrückt haben. Da verwundert es nicht, dass Behringer im Zuge seiner Retro-Nachbauten nun auch einen vom 101 inspirierten Analogsynthesizer auf den Markt bringt. Wir haben uns den MS-1 genauer angesehen und wollen herausfinden, ob der Neuankömmling der Legende gerecht wird.

Technische Daten und Anschlüsse

Beim Anblick des MS-1 wird direkt klar, wer beim Design Pate stand: Layout und Dimensionen orientieren sich unmissverständlich am Original, wobei der Behringer ein paar mehr Rundungen aufweist und in der Tiefe etwas weniger misst. Leider besteht das Gehäuse auch hier aus Kunststoff. Dieser wirkt zwar recht robust, im Bühnenalltag fühlt man sich mit einem Metallgehäuse jedoch deutlich sicherer. Dafür ist der Synth in drei verschiedenen Farben erhältlich; das bringt wenigstens ein bisschen Farbe ins Setup.

Zum Einstellen der Parameter kommen hauptsächlich Schieberegler zum Einsatz, daneben finden sich ein paar Drehregler und Kippschalter. Neu hinzugekommen ist eine Vielzahl von Druckknöpfen, mit denen sich der hauseigene Sequenzer steuern lässt. Die Verarbeitung des Synths ist im Großen und Ganzen in Ordnung, allerdings mit zwei Ausnahmen: Der Druckpunkt der Knöpfe könnte etwas wertiger sein, das lässt sich aber noch verschmerzen. Das Modulation Wheel scheint allerdings, zumindest beim Testmodell, nicht ganz mittig eingebaut zu sein. So lässt sich ein deutlicher Widerstand auf dem letzten Stück des Regelwegs spüren, wenn man das Rad nach rechts bewegt. Mit etwas Eingewöhnungszeit fällt das zwar nicht mehr ganz so stark auf, es ist aber dennoch ein Manko, welches hoffentlich nur das hier vorliegende Exemplar betrifft.

Während die Anschlüsse beim Original noch oberseitig zu finden waren, hat man diese beim MS-1 auf die Rückseite verfrachtet. Neben der obligatorischen MIDI-Schnittstelle über USB und DIN gibt es einen externen Audioeingang, eine Hold-Buchse für Sustain-Pedale sowie eine Vielzahl an CV-Anschlüssen. Somit lässt sich der Synth leicht in digitale, analoge oder Hybrid-Setups integrieren. Ganz einsam auf der rechten Seite befinden sich außerdem zwei ominöse Anschlüsse mit den Namen „Grip“ und „Mod“. Diese sind Teil eines wirklich verrückten und einzigartigen Features: Mithilfe eines speziellen Modulationsgriffes, welcher am Synth befestigt wird, und eines Tragegurtes kann man sich den MS-1 ähnlich einer Keytar um den Hals hängen und spielen. Diese Spielweise war auch schon beim Original möglich und sollte den Performance-orientierten Charakter des 101 unterstreichen.

Der Behringer MS-1 von hinten.

Oszillator

Die Klangerzeugung des MS-1 ist recht simpel aufgebaut. Als Herzstück dient ein einzelner Oszillator vom Typ 3340. Zwar lassen sich dadurch nicht die typischen Schwebungen erzeugen, die beim Verstimmen mehrerer Oszillatoren entstehen, dafür stehen direkt vier verschiedene Wellenformen zur Verfügung, die in der Mixer-Sektion stufenlos zusammengemischt werden können. Neben einer Rechteck-, Sägezahn- und Dreieckwelle besitzt der MS einen Suboszillator, mit dem das Bassfundament ordentlich angereichert wird. Die Pulsweite des Rechtecks ist variabel und lässt sich wahlweise manuell, per LFO oder mithilfe der verbauten Hüllkurve modulieren, was etwas Bewegung in den Sound bringt.

Für eine Portion Schmutz oder auch perkussive Klänge sorgt außerdem ein Rauschgenerator. Neben der herkömmlichen Tonhöhenmodulation mittels LFO wurde dem MS als kleines Schmankerl noch ein extra FM-Modus spendiert, bei dem die Frequenz des Oszillators im Audiobereich moduliert wird. Das Spektrum reicht von glockigen FM-Klängen bis hin zu kaputten Noise-Wänden und bietet eine nette Ergänzung zu den gewohnten Sounds.

Generell klingt der Oszillator äußerst fett. Drückende Bässe und präsente Lead-Lines sind eindeutig die Domäne des MS-1, die allerdings ohne den Einsatz von Effekten immer etwas auf der trockenen Seite sind. Hier macht sich dann doch der fehlende zweite Oszillator bemerkbar. Der Behringer ist aber auch bewusst nicht als eierlegende Wollmilchsau konzipiert: Die Bedienung geht durch die begrenzten Einstellmöglichkeiten flott von der Hand und das, was der Synth kann, kann er ausgesprochen gut.

Der Behringer MS-1 von oben.

Filter

Als Nächstes geht das Signal zu einem resonanten Tiefpass-Filter. Neben der Frequenz und Resonanz lassen sich hier die Hüllkurven- und Modulationsintensität einstellen. Ferner steht Keyboard-Skaling zur Verfügung, wodurch sich das Filter bei höheren Tönen stärker öffnet. Der genaue Vergleich zum SH-101 sei mal dahingestellt und soll auch gar nicht Gegenstand dieses Tests sein, hierfür gibt es ohnehin genug Diskussionen und Beobachtungen in den Weiten des Internets. Tatsache ist: Das Filter packt ordentlich zu und kann bei aufgedrehter Resonanz auch kräftig zwitschern. Harte Bässe und aggressive Acid-Lines sind ein Leichtes und brauchen sich nicht vorm Vintage-Original zu verstecken.

Hüllkurve, LFO

Das spartanische Konzept des MS-1 spiegelt sich auch in den Modulationsmöglichkeiten wider. So teilen sich Filterfrequenz, Amplitude und Pulsweite eine einzelne Hüllkurve in ADSR-Ausführung, für die Lautstärke steht wahlweise auch ein simples Gate zur Verfügung. Auf den ersten Blick wirkt das sehr einschränkend, in der Praxis kommt man damit aber super zurecht. Gerade in Verbindung mit Sequenzen macht das Rumspielen mit den Schiebereglern ungeheuren Spaß, was besonders live zu spannenden, abwechslungsreichen Performances führen kann. Die Hüllkurve selbst ist äußerst knackig und eignet sich gleichermaßen für Perkussives wie auch für schmatzende Bässe und längere Filterfahrten.

Der LFO mit den Wellenformen Dreieck, Rechteck, Random und Noise lässt sich anstelle der Lautstärke auf die Tonhöhe des Oszillators anwenden, ansonsten sind die Modulationsziele gleich. Die Geschwindigkeit wird mittels Schieberegler und in drei verschiedenen Ranges eingestellt und deckt alles von superlangsam bis in den Audiobereich ab. Leider kann der LFO nicht synchronisiert werden, weder extern noch über den internen Sequenzer. Dafür entstehen durch gegenläufige Geschwindigkeiten oft unerwartete „Happy Accidents“.

Der Behringer MS-1 in der Schrägsicht.

Spielhilfen, Sequenzer

Für expressives Spiel sorgen ein Modulation Wheel sowie die Glide-Funktion. Ersteres ist im Roland-typischen Format gehalten: Beim Betätigen nach links oder rechts werden wahlweise Tonhöhe oder Filterfrequenz verändert. Drückt man das Rad nach vorne, wird darüber hinaus die Frequenzmodulation des LFOs aktiviert, die Intensität des Ganzen wird über Schieberegler eingestellt. Wie bereits erwähnt scheint das Wheel beim Testexemplar nicht ganz korrekt eingebaut worden zu sein, ansonsten funktioniert aber alles so, wie man es kennt. Der beiliegende Modulationsgriff besitzt ein eigenes Rad sowie einen Druckknopf. Diese übernehmen im Keytar-Modus die Funktion des Mod Wheels. Mittels Glide werden legato gespielte Noten miteinander verbunden, die Geschwindigkeit ist variabel einstellbar.

Der Sequenzer des MS-1 ist eine Neuentwicklung von Behringer und unterscheidet sich deutlich von dem des SH-101. Ein Pattern besteht aus bis zu 32 Steps, die per Keyboard nacheinander oder einzeln im Step Mode eingespielt werden. Auf acht Bänken zu jeweils acht Patterns lassen sich die so entstandenen Kreationen abspeichern. Rests, Ties und Accents sind ebenso möglich wie eine variable Gate-Länge pro Step. Die Ratchet-Funktion teilt einen Schritt in bis zu vier gleiche Teile auf, wodurch zum Beispiel Triolen und schnelle Passagen entstehen können.

Ein globaler Swing ermöglicht darüber hinaus Shuffle-Rhythmen. Allein die Aufzählung dieser grundlegenden Möglichkeiten macht den großen Umfang des Sequenzers deutlich. Leider wird die Bedienung dadurch auch erschwert, was im Gegensatz zum ansonsten sehr zugänglichen Konzept des MS-1 steht. Letzten Endes ist das aber Geschmackssache, mit etwas Übung lassen sich relativ schnell sowohl simplere als auch komplizierte Motive erstellen.

Fazit

Der MS-1 ist eine gelungene Hommage an einen der größten Synth-Klassiker aller Zeiten und beweist, dass weniger auch manchmal mehr sein kann. Wo andere Geräte mit einer Vielzahl an Möglichkeiten oft überfordernd wirken, macht der schnörkellose Aufbau ohne unnötigen Schnickschnack hier eindeutig den Reiz aus. Interessante Zusatzfeatures wie die FM-Sektion sorgen zudem für frischen Wind und neue Sounds, die sowohl im Oldschool-Bereich wie auch in modernen Produktionen Verwendung finden dürften. Der Sequenzer wiederum ist absolut zeitgemäß und bietet einiges an Funktionen. Paradoxerweise lenkt gerade das etwas von der Direktheit des Gerätes ab. Stehen dann aber erst mal die Patterns, ist es eine wahre Freude, an den Reglern zu schieben und die Sounds immer wieder neu zu verbiegen. Wirklich geschmälert wird der Eindruck nur durch kleine Verarbeitungsmängel beim vorliegenden Exemplar, hier wäre persönliches Testen vor dem Kauf ratsam. Ansonsten ist der MS-1 uneingeschränkt jedem zu empfehlen, der ein Performance-orientiertes Instrument sucht und sich lieber mit dem Musikmachen als dem endlosen Studieren von Bedienungsanleitungen beschäftigt.

 

Pro

Fetter, musikalischer analog-Sound
Zugänglicher Aufbau
Preis-Leistungs-Verhältnis
Umfangreicher Sequenzer…

Kontra

…Der etwas umständlich zu bedienen ist
Kleine Verarbeitungsmängel beim Testexemplar

Preis:

259,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Behringer.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit analog , Behringer , Klon , MS-1 , Roland , SH-101 , Synthesizer

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