TRPPN: Wie eine App die Clubkultur revolutionieren will

TRPPN: Wie eine App die Clubkultur revolutionieren will

Features. 6. November 2022 | / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Freitagabend, kurz nach halb zwölf: Aus der Bluetooth-Box galoppiert die Vierviertelkick, man sitzt mit ein paar Freunden zusammen, alle haben Bock auf Tanzen. Weil niemand weiß, was noch geht, greift jemand zum Smartphone, wischt kurz über den Bildschirm und weiß: Im //about:blank ballert gerade Abrisstechno, in der Paloma Bar schiebt ein House-Klassiker an, im Astra greift eine Indie-Band in die vorletzten Akkorde ihrer bekanntesten Hymne. Zwei Wischer übers Display später weiß man zusätzlich, wie lange man vor welchem Club anstehen wird, wie viele Leute schon drinnen sind und vor allem – welche man kennt. Alle Informationen leuchten in Echtzeit auf einer Karte von Berlin auf, die Entscheidung fällt. Digital ist man bereits mittendrin im Geschehen, bevor man analog erst dabei ist.

Das beschriebene Szenario mag für manche wie ein dystopischer Horrortrip klingen. Schließlich würde sich eine Handy-App dort einmischen, wo eigentlich keine Smartphones hingehören: auf dem Dancefloor. Für viele andere soll sie das Verständnis von Clubkultur revolutionieren. Sagen zumindest die Gründer von Trppn, einer Wiener App, mit der man zukünftig nicht nur auf den Facebook-Kalender verzichten, sondern auch in Clubs „hineinhören“ können soll. „Die Idee entstand aus einem eigenen Bedürfnis“, sagt Michael Walcher, einer der Geschäftsführer von Trppn, das seit 2021 kostenfrei in den App-Stores zu finden ist. „Ich war mit Freunden unterwegs, wir hatten Energie und wollten zu einer Veranstaltung, wo das Energielevel mit unserem übereinstimmt. Ein Blick aufs Line-up hilft zwar weiter, aber was tatsächlich läuft und wie der Vibe vor Ort ist, lässt sich trotzdem nicht sagen.“

Aus einer Idee entstand die Vision, eine Plattform für Clubkultur zu schaffen. Trppn will sich damit als aktualisierte Alternative zu Facebook positionieren. Jener Plattform, von der sich gerade im Kulturbereich viele nur deshalb nicht lossagen, weil sie immer noch das kann, was Trppn zukünftig besser können soll: die Kalenderfunktion. Walcher sieht darin aber nur einen ersten Zwischenschritt für die App. Neben der Möglichkeit, die gespielten Tracks in den Clubs live zu ermitteln und von überall abzurufen, werde die Anwendung sowohl für Artists, Locations als auch dem Publikum weitere Vorteile bringen. Menschen, die im Kulturbereich arbeiten, sollen sich mit ihrem Schaffen rund um Musik finanzieren können und Besucher:innen die Veranstaltungen finden, auf denen sie nicht nur Musik hören, die ihnen gefällt, sondern auch auf Leute treffen, unter denen sie sich wohlfühlen, so Walcher. „Wenn es klappt, wie wir es uns vorstellen, wird es einiges auf den Kopf stellen – aber zum Guten.“

Zum Guten heißt in diesem Fall: weg von den Metaverse-Monopolisten wie Facebook oder Instagram, hin zu solchen, die sich „demokratisieren lassen“, wie es die Macher von Trppn nennen. Alle, die im Kultursektor arbeiten, Trppn geht von weltweit 100 Millionen „Creators“ aus, sollen mit der Anwendung wieder die Hoheit über das eigene Werk bekommen. Das soll durch die Blockchain passieren – eines der Buzzwords in der Startup-Szene, bei der Investor:innen von grünen Scheinen träumen. Das hört sich erst mal nach Business-Blabla für Menschen an, die ihren E-Scooter vor dem Volksgarten parken. Wer weiß schon, was eine Blockchain ist? Irgendwas mit Bitcoins, davon hat man gehört. Von NFTs vielleicht auch. Aber was hat die Sache mit echten Clubs, DJs und Kultur zu tun?

Trppn soll sich langfristig zu einer dezentralen Plattform entwickeln, wie Walcher betont. Das heißt, dass es die Struktur einer Art virtuellen Genossenschaft einnehmen würde. Dadurch könne kollektive Intelligenz entstehen, die wiederum zu Transparenz, Konsens und Kollaboration abseits traditioneller Strukturen und Hierarchien führe, so der Trppn-Geschäftsführer. Weil das immer noch so abstrakt wie ein Set von Autechre ist, müssen wir uns als Gegenbeispiel soziale Medien wie Facebook oder Instagram vorstellen: Wenige Anbieter:innen verwalten ihre sogenannten Dienstleistungen zentral, während sie Daten von User:innen absaugen und damit ziemlich viel Kohle scheffeln. Anders gesagt: Man hat auf Facebook zwar ein Profil, das man mit Content bespielt, verdient für diese Arbeit aber keinen Cent, sondern generiert Geld für eine Plattform, die Macht bündelt und jede Form von Wettbewerb zerstört. Deshalb hört man von Trppn auch, dass die Blockchain die Lösung für viele Probleme innerhalb der Clubkultur sein könne – eben weil sie für das genaue Gegenteil stehen solle: Dezentralisierung und eine gleichmäßige Verteilung von Macht.

Wie die Umsetzung in der App konkret aussehen soll, kann Walcher im Moment noch nicht sagen – das Modell stecke in der Entwicklung. Fix ist: Es wird einen sogenannten Trppn-Token geben. „Je aktiver man auf der Plattform ist, desto mehr hat man von dem Token und umso günstiger wird es, die eigene Zielgruppe zu erreichen“, so Walcher. Soll heißen: Je aktiver man auf der Plattform auftritt, umso mehr Token generiert man – eine Währung, die entweder innerhalb der App zu Vorteilen führen soll oder auf Crypto-Börsen zu Geld zu machen sei. Die Verantwortung liege damit bei den Nutzenden selbst. „Wir alle stehen dann für unsere Szene ein, schaffen uns Räume und finanzieren sie mit einem Mitspracherecht, das nicht von Konzernen, sondern von den Kreativen ausgeht“, betont Walcher.

Natürlich stecke da Crowdfunding-Charakter drin, so Walcher. Schließlich ließe sich durch diesen Ansatz neue Autonomie in der Subkultur schaffen. „Wir stünden alle gemeinsam dafür ein, würden uns Räume schaffen und sie finanzieren – eine Revolution!“ Wie die genau funktionieren soll, ist eine andere Sache. Die Blockchain scheint zwar sexy, ist für die meisten Menschen aber immer noch ähnlich schwer verständlich wie das Trance-Revival zur Peaktime. Allerdings besteht Hoffnung. „Wenn man mit der Blockchain nichts am Hut haben will“, so Walcher weiter, „soll man davon auf der App nichts mitbekommen.“ Davon ist derzeit noch wenig zu sehen, die Plattform steht erst am Anfang von vielen Evolutionsschritten. Allerdings erkennen viele DJs bereits die Möglichkeiten, die sich mit Trppn auftun – vor allem als Alternative zur bestehenden Situation.

Das bestätigt auch Sadie Walizade alias DJ Diamond vom Wiener DJ-Kollektiv Disorder. Obwohl sie ein zwiespältiges Verhältnis zu sozialen Medien habe, seien sie notwendige Tools, um die man nicht herumkommt „Außerdem können sie einem auch zu Erfolg verhelfen“, so Diamond. Sie hofft, dass sich Trppn bald zu einem Ersatz für den Veranstaltungskalender von Facebook etablieren kann. Und ist damit nicht allein. „Die meisten Events werden aktuell auf Social-Media-Plattformen veröffentlicht“, sagt Annika Stein. Die Gründerin des Wiener Kollektivs Tongræber und Resident-DJ bei Meat Market sieht in Trppn langfristig genau das, was das Unternehmen anstrebt: die Unabhängigkeit von Konzernen wie Facebook zu ermöglichen. Aktuell verwende man die Plattform ohnehin nur noch dafür, eigene Events zu promoten und durch den Kalender eine Übersicht zu bekommen.

Eine Alternative sei längst überfällig. Auch weil Facebook-Veranstaltungen längst unbrauchbar seien, sagt Sascha Aringer vom Technokollektiv Ananas. „Früher konnte man als Veranstalter:in damit halbwegs kalkulieren, wie viele Leute man tatsächlich auf der Veranstaltung erwarten können wird. Heute funktioniert das gar nicht mehr“, so Aringer. Weil Trppn aber die Publikumsdichte in den Clubs anhand von Angaben der User live erheben will, könne entsprechend gezielt geplant werden – ohne ein Risiko einzugehen. Der Wiener Veranstalter und DJ zieht auch den Vergleich zu einer anderen App, die sich vor einigen Jahren in den Veranstaltungssektor drängen wollte: Bloom. „Damit konnte man spontan Events teilen. Allerdings war sie für den Clubbereich eingeschränkt brauchbar, weil sich jede:r Nutzer:in einfach [auf einem nicht öffentlichen Event] taggen konnte – gerade Leute, die illegale Raves veranstalteten, waren nicht gerade glücklich damit“, so Aringer. Mit Trppn sei die Situation anders. Zwar könne man sich theoretisch als Host definieren und eine Veranstaltung angeben, allerdings nicht mit einem Klick. „Die Barriere, einfach einen Rave zu taggen, ist dadurch viel höher.“

Außerdem sieht Aringer die App als Chance für junge DJs und unbekanntere Kollektive, weil sich Leute vorab anhören können, welche Musik gerade auf den jeweiligen Events gespielt wird. „Das neue Feature ‘Signature Track‘, also die Möglichkeit für Artists, Hosts und Venues einen Track dem Profil oder Event zuzuordnen, wird in Kürze freigeschaltet“, so Michael Walcher von Trppn. Die Idee ist schnell erklärt: Der:die DJ legt nicht nur auf, sondern neben sich sein Handy ab. Die App erkenne die gespielten Titel und veröffentliche sie live. Man kann sich das wie Shazam für DJ-Sets vorstellen.

„Dadurch ergeben sich neue Möglichkeiten zur genaueren Vergütung von Künstler:innen“, so Johannes Piller. Der Mitgründer des Wiener Community-Radios Vlan.Radio erkennt in der Live-Erkennung der einzelnen Stücke die Möglichkeit, das Problem der pauschalisierten Abrechnung von Artists zu lösen – bisher ein System, das bekannte Artists stark bevorteilt. Eine Änderung käme vor allem den Künstler:innen entgegen, die als Producer:innen arbeiten, also selten live auftreten, aber von anderen DJs in ihren Sets gespielt werden. Michael Walcher von Trppn sieht auch hier den Community-Gedanken im Vordergrund. „Wenn ich die App nutze, supporte ich als DJ gleichzeitig die Artists, deren Musik ich spiele.“ Auf der anderen Seite könne man sich als Benutzer:in mit Leuten vernetzen, die einen ähnlichen Musikgeschmack teilen – und dadurch auf Events landen, auf die man vielleicht nie gekommen wäre.

Schließlich bestehe von allen Seiten das große Bedürfnis, sichtbar zu machen, was im Clubkontext passiert. Das könne auf einem sozialen Musiknetzwerk wie Trppn beginnen, müsse aber eine Verbindung in den Club herstellen. „Deshalb wollen wir weg von dem Gedanken, alles in die digitale Welt zu verlagern”, so Walcher. „Im Gegenteil: Wir vernetzen uns digital und treffen uns draußen.“ Das hört sich nach einer Wunschvorstellung an, könnte aber funktionieren – auch weil sich die App „zunehmend als übersichtlicher und schicker Partykalender mit Map-Funktion bewährt“, sagen die Macher:innen vom Veranstaltungskollektiv Off the Grid. „Gerade in unbekannten Umgebungen wäre die Funktion Gold wert, auch wenn man es kritisch betrachten kann, dass die App ständig auf die GPS-Funktion des Smartphones zugreift.“

Auch hier könnte die Blockchain Vertrauenslücken schließen, weil das Netzwerk von allen Nutzer:innen verwaltet und niemand mehr zentral darauf zugreifen würde. „Es mag jede:r ein anderes Musikgenre vertreten, am Ende geht es doch um das gemeinsame Erleben von Musik, um ein Miteinander und eine Auseinandersetzung mit der Kunstform im Clubkontext“, so Walcher. Die digitale Welt wird diese Energie nicht ersetzen können. Sie könnte aber dazu führen, dass zukünftig mehr Kulturschaffende von ihrer Arbeit profitieren. Weil sie nicht nur gesehen wird, sondern ihnen auch gehört.

Aktuell ist das Zukunftsmusik aus Subwoofern, die erst gebaut werden müssen. Was Trppn derzeit leistet, ist eine aktualisierte Form des Veranstaltungskalenders auf Facebook. Die App visualisiert auf einer schicken Karte, welche Events anstehen, welche Kollektive am Start sind und welche Künstler:innen auftreten – verknüpft mit SoundCloud- oder Spotify-Account. Nicht verkehrt, um sich einen ersten Überblick über kommende Möglichkeiten zu verschaffen. Von Echtzeitinformationen in den Clubs, der Demokratisierungsidee über das Buzzword Blockchain oder dem sogenannten Trppn-Token ist die Plattform aber noch so weit entfernt wie Dettmann vom Ballermann. Das weiß auch der Trppn-CEO selbst. Man sei gerade mal bei der ersten Version, die ersten Use Cases würden erst abgedeckt. Was derzeit überbleibt, ist die Vision. Eine, die die Clubkultur vielleicht verändern könnte.

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