Tripbericht: Good2U - Das Kleinod unter den Festivals

Tripbericht: Good2U - Das Kleinod unter den Festivals

Allgemein. 4. September 2025 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Celeste Lea Dittberner

Es gibt Festivals, die einem so einiges abverlangen - und solche, die einem etwas zurückgeben. Das Good2U in Görlitz gehört klar zur zweiten Kategorie. Hier geht es nicht um maximalen Exzess, sondern um bewusste Momente, um Leichtigkeit und um ein Zusammenspiel von Musik, Raum und Menschen, das eine ganz besondere Ruhe ausstrahlt, ohne dabei an Intensität zu verlieren. Zwischen Industrie-Charme und wilder Gartenatmosphäre entsteht ein Ort, der nicht nur zum Tanzen, sondern auch zum Durchatmen einlädt. 

Quelle: good2U*

Das Kühlhaus im sächsischen Görlitz eignet sich dafür entsprechend gut: Die Good2U-Crew ist in den Gebäuden untergebracht, die Gäst*innen zelten draußen. Und: kein Dixie-Drama, sondern saubere, normale Sanitäranlagen - ja, das macht viel aus. Weil das Areal auch sonst bewirtschaftet wird, stößt man überall auf kleine Beete - mit Tomaten in allen Farben, Kürbissen, Lilien (Madonnenlilien, sofern meine Fachkenntnis der Botanik ausreicht) und Kräutern, wohin man auch schaut. Die Mischung aus wilder Gartenatmosphäre bricht den eigentlichen Industrie-Charme des Geländes auf angenehme Weise. Die Deko ist schlicht, aber stimmig: viel Holz, etwas Metall, keine überladene Spielerei. Dazwischen tauchen immer wieder kleine, ulkige Details auf: etwa ein riesiger Pferde-Ballon in den Good2U-Farben Gelb, Rot, Grün und Blau, der auf dem Dach thront, oder Stoffbanner, die sanft im Wind flattern. 

Der Freitag

Wir starten das Good2U am Freitag um 23:59 Uhr auf dem Heatworks-Floor, eine der beiden Indoor-Stages (darüber hinaus gibt es noch die Open-Air-Stage und den Ambient-Floor draußen). Der Raum ist erfüllt von warmem, buntem Licht, das durch die Mosaikfenster fällt - in den typischen Good2U-Farben flirrt es über Wände, Gesichter und Körper. Der Dancefloor ist ganz gut gefüllt, aber nicht erdrückend, vor dem DJ-Booth ist auf jeden Fall noch ordentlich Platz zum Tanzen. Big Honey und Vanaenae beginnen ihr B2B langsam aufzubauen: sphärische, proggy Klänge, die sehr verträumt wirken, als wollten sie den Raum erst einmal öffnen und gemeinsam ein Fundament legen. Nach und nach verschiebt sich die Energie - Chicago-House, Tech-House, Disco. Drei Stunden lang formen die beiden eine Reise, die nie gleichförmig wirkt. Mal pulsiert der Floor treibend und druckvoll, mal driftet er in sanfte Passagen. Beide Handschriften sind klar spürbar, aber sie verweben sich zu etwas Eigenem, das die Menge trägt. 

Good2U festival
Quelle: good2U*

Der Samstag

Samstag, 11 Uhr. Die Sonne scheint, eine leichte Brise zieht durch die Holzkonstruktion auf der Ambient-Stage, die Stoffbahnen flattern im Wind. Der Floor wirkt eher wie das Wohnzimmer des Festivals: Kleine, durch Lehnen getrennte Abteile voller Matratzen (Schuhe verboten). In einer Ecke steht ein Sofa, davor hängt ein Tisch an Gliederketten von der Decke - darauf das DJ-Setup. Gerade sitzt Jewelry entspannt hinter den Decks und spielt schon seit einer Stunde ein breit gefächertes, nerdiges, nischiges und wirklich wahnsinnig gutes Set: Von souligem RnB Rap-Hits, über ruhige Ambient-Klassiker bis hin zu Downtempo-Remixen ist so gut wie alles vertreten. Just rollt ein tiefer, verhallter Bass durch den Raum: "Angel" von Massive Attack, aber in einer schweren Downtempo-Dub-Version. Das Stück zieht sich wie Nebel über die Matratzenlandschaft, hypnotisch, fast körperlich spürbar. Niemand tanzt, alle lassen sich tragen. Etwas später ändert sich mit der Originalversion von "When The World Is Running Down" von The Police die Stimmung um 180°: Ein kollektives Mitwippen setzt ein, sämtliche Schultern wiegen sich im Takt - kein wildes Ausbrechen, sondern ein unbeschwertes Grooven. Die Atmosphäre ist durchgehend heimelig: Ab und zu setzen sich ein paar Leute zu Jewelry aufs Sofa, andere liegen eingekuschelt und verschlafen auf den Matratzen, während wieder andere mit einem frisch aufgebrühten Kaffee, einer Dose Kokoswasser oder schon dem ersten "Beauty-Sekt" in der Hand das Set genießen. Die Stimmung gleicht eher einer gemütlichen Familienfeier als einem klassischen Rave - im absolut positiven Sinne gemeint.

Mainstage

Nach zwei Stunden wird es Zeit für einen kurzen Abstecher zur Loading Bay, der Good2U-Mainstage des Festivals. Shuray & Walle sind frisch angereist und starten ihr Set mindestens ebenso dynamisch, bouncy und treibend. Langsam erwacht die Crowd: Köpfe nicken, Schultern wippen, einzelne Füße beginnen im Takt zu stampfen. Ein Pärchen fällt besonders auf: Beide tanzen völlig ausgelassen, die Gesichter strahlen vor Freude. Sie wirbeln, drehen sich, lachen zwischendurch und lassen sich komplett von der Musik tragen. Jeder Schritt wirkt spontan, jede Bewegung voller Lebenslust, als hätten sie den Alltag hinter sich gelassen. Die pure, unbeschwerte Energie, die von ihnen ausgeht, steckt sofort an. Es ist kein lauter Startschuss, sondern ein geschickter Aufbau, der die Tagesmitte belebt und die Stimmung sanft, aber spürbar nach oben trägt - genau die richtige Mischung, um den Outdoor-Floor in Bewegung zu bringen.

Quelle: good2U*

Zurück bei Jewelry auf dem Ambient-Floor, genießen wir noch die letzte Stunde ihres Sets, bevor sie an Nalan übergibt. Nalan ist Singer & Songwriter aus München - und bildet damit einen bewussten Kontrast zu den treibenden Club-Sets. Sie sitzt neben ihrem Gitarristen, der ihre zarte, weiche, fast pastellfarben klingende Stimme heute begleitet. Jeder Ton wirkt greifbar, ehrlich und persönlich, als würde sie direkt in den Raum sprechen. Die Menge lauscht gebannt, einige lehnen sich zurück, andere schließen die Augen, lassen den Rhythmus sanft auf sich wirken. Es entsteht eine ruhige, entschleunigte Stimmung, die das Festivalgeschehen kurz ausblendet. Im Vorfeld der treibenden DJ-Sets der kommenden Stunden entsteht hier erneut eine kleine, aber kostbare Gelegenheit zum Innehalten.

Danach geht es wieder zurück zur Loading Bay, wo Cassy und Shed eines der stärksten Sets des Festivals abliefern werden. Von tiefem House über Minimal decken sie eine breite Palette ab - alles sorgfältig arrangiert, mit subtilen Übergängen und perfekt balancierter Spannung. Das Set zieht komplett in den Flow, ohne je hektisch zu wirken. Kurz vor Ende des Sets fällt noch ein Remix von Creep (Radiohead) besonders auf, fügt sich aber nahtlos ins Set ein. Man spürt deutlich die Erfahrung der beiden DJs, die genau wissen, wie man ein Publikum durch unterschiedliche Stimmungen führt. Anschließend übernehmen Moxie und Benet mit einem genreübergreifenden UK-Set aus House, Garage, Disco und Techno den Floor. Die Lichtshow betont währenddessen den tunnelartigen Charakter des Floors: Die Lichter führen die Blicke und Bewegungen des Publikums, verstärken die Intensität und lassen den langen, schmalen Raum wie einen getragenen Strom wirken, der einen mitzieht, ohne einengend zu wirken. Um Mitternacht muss die Mainstage leider runtergefahren werden - Nachtruhe. Die Menge strömt also zu Yamour B2B Edward auf dem Heatworks-Floor im Gebäude. Sehr repetitiv, aber in gewohnter Manier, die nie enttäuscht und einen entspannten Ausklang des Tages bietet. 

Good2u Checkout

Am nächsten und für uns letzten Tag - obwohl das Good2U-Festival insgesamt drei Tage, sprich bis Montag andauert -, wecken uns verträumte Klänge und lange Bässe aus dem Schlaf. Es ist kurz nach 9 Uhr morgens und Cosmo startet den Sonntag auf dem Open-Air-Floor. Uns zieht es also aus dem Zelt und wir traben gemütlich in Richtung Heatworks, wo wir das Festival noch die letzte Stunde mit einem Kaffee ausklingen lassen. Am Ende zeigt sich, warum das Good2U so ganz besonders ist: es ist ein Festival, das entschleunigt und Raum lässt, um jeden Moment bewusst zu erleben. Man muss nicht von einem Floor zum nächsten hetzen, sondern kann stehen bleiben, zuhören, tanzen oder auch einfach mal vier Stunden lang in der Ambient-Landschaft verbringen und einfach die Atmosphäre aufsaugen. Genau diese entspannte Haltung, kombiniert mit dem stilvollen Setting, dem kleinen und wahnsinnig angenehmen Publikum sowie dem hochwertig kuratierten Line-up, macht Good2U zu einem sehr reifen, erwachsenen Festival - einem Ort, an dem man die kleine Auszeit vom Alltag bewusst genießen kann, ohne die eigenen Energiereserven vollkommen aufbrauchen zu müssen. Vielleicht kann man sogar so weit gehen und behaupten, dass es hier sogar möglich ist, Energie zu tanken. 

*Photo Credits: Yannik BergerKarlMageeDaniela Da Cruz

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