Online DJing - Party In The Cloud

Online DJing - Party In The Cloud

Archiv. 11. Juli 2012 | / 5,0

Geschrieben von:
Olaf Hornuf

Alles geht seinen Weg, aus Vinylplatten wurden Festplatten, aus Offline-Rechnern wird immer mehr eine Online-Umgebung. Was bei Spielen seit Jahren normal ist, hält Einzug in den DJ-Bereich. Willkommen im Online-Game.

Die Entwicklung verwundert wenig, die konsequente Umsetzung im Projekt "PartyCloud" hingegen schon. Die flashbasierte Oberfläche spiegelt das, was man von einer simplen DJ-Software erwartet: zwei Decks, zwei Kanäle, einen Crossfader. Dazu EQ, Filter, paar Effekte und die Möglichkeit Auto-Loops zu setzen. Der berühmt / berüchtigte SYNC-Button fehlt ebensowenig, wie eine Automixfunktion "for busy DJs".
Der musikalische Fundus fokusiert aktuell auf Soundcloud. 20 Millionen Titel - am Stück also an die 250 Jahre Musik.

Technisch funktioniert das erstaunlich gut. Im Browser (oder der Chrome App) lädt man Titel und mixt diese. Wiedergegeben wird über die Soundkarte des Rechners. Vorhören kann man nicht, muss man - SYNC sei Dank - auch nicht wirklich. An dieser Stelle sollte man das DJ-typisch denkende Hirn mal einen Moment ausschalten und sich fragen wie es aussieht, wenn aus Babysocken Gummistiefel in Größe 46 geworden sind. Aussieht! Nicht riecht!

Fakt ist, die Entwicklung geht hin zur Datenablage in den Weiten des Netzes. Was bei viel diskutierten Nachteilen (vor allem Datenschutz) auch etliche Vorteile hat. In Zukunft wird also die Klangquelle für ein Programm wie PartyCloud nicht nur auf Soundcloud beschränkt sein. Eigene Stücke in der Cloud zu verwalten dürfte ebenso normal werden, wie der Ersatz von traditionellen Medien (Radio, TV) durch das Internet. Schon jetzt hört ein Großteil der Jugendlichen Musik hauptsächlich bei Youtube und Co. Wo vor 30 Jahren Radioshows, vor 20 Jahren Mixtapes und vor 10 Jahren gebrannte CDs den Musikgeschmack schulten, übernehmen das gegenwärtig immer mehr die sozialen Netzwerke. Allgemeine wie Facebook für den Einstieg, Play.Fm, Mixcloud und wie sie alle heißen, wenn es tiefer gehen soll.

Ja, ich höre den Einwand ... die Klangqualität. Aber einerseits wird mit einem schnelleren Datenstrom der Standard besser werden, anderseits konditioniert sich gerade eine Generation auf Handylautsprecher als non plus ultra im Klangerleben. Was man nicht begrüßen muss, es verdeutlicht aber: dem Gros der Menschen ist guter Sound das, was auf einer Platte ist ... Rille!  Mal sehen wo es endet, der Purist jedenfalls wird auch beim verlustfreien Datenformat noch sein Mantra sprechen, weil virtuell nie so gut wie analog sein kann. Was bekanntlich auch auf die Haptik zutrifft, da ist übrigens für den PartyCloud Player eine Unterstützung von Controllern angekündigt.

Und die Konsequenz? Einstweilen wird ein Programm wie PartyCloud keinen DJ ersetzen. Beziehungsweise nur da, wo der DJ eh nur Balast war oder als solcher gesehen wurde. In Zukunft werden Kameras und Sensoren Informationen über den Zustand auf dem Dancefloor liefern und eine ständig optimierte Playlist wird diesen akustisch befeuern. Da wo sonst der dicke DJ rumstand und auf seine Rechner glotzte als wenn er Mails checkt,  tanzen nun zwei schlanke Ladies in noch schlankerer Bekleidung. Sieht besser aus, kostet weniger. Wobei ich da nicht ganz sicher bin, es wird DJs geben, die bekommen weniger als GoGos.

Anzunehmen, dass dieses Szenario nicht überall eintritt, sondern in erster Linie da, wo Musik nur die Untermalung für wochenendliche Balzrituale ist. In der Großraumdisko ist von der Getränkezufuhr bis zum Geldfluß jetzt schon vieles automatisiert. Ein guter Club bleibt hingegen - sofern die GEMA nicht den angedrohten Todesgriff lockert - ein Refugium individueller musikalischer Auswahl durch einen Diskjockey. Und da liegt die wirkliche Stärke eines DJs ... ein herausgebildeter Musikgeschmack, der von innen kommt und der andere erreicht. Somit sind wir auch - und damit zurück zu PartyCloud - bei der Crux, die ich sehe. Wie zur Hölle wählt man auf die Schnelle aus 20 Millionen Songs seine Favoriten? Antwort: indem man sich mit Musik befasst. Und somit ist alles wie vor 30, 20 oder 10 Jahren ... nur schnelllebiger, mehr vernetzt und online.

Also, Daumen hoch für PartyCloud, beide Daumen hoch für den technischen Fortschritt und finale das englische  Sprichwort "everybody is his own lucks smith".   Zu deutsch: was daraus wird, liegt an jeden selbst.  Da aber im Leben alles seine Balance haben sollte, werde ich nach diesen Worten bei Ebay auf die Jagd nach einer Soul Single oder einer Boogaloo-LP aus dem Jahr 1969 gehen.

Link: PartyCloud

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