Review: Hyenah – Watergate 27 [Watergate Records]

Review: Hyenah – Watergate 27 [Watergate Records]

Features. 22. Oktober 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Die globalgesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre haben es nötig gemacht, dass der Kulturbetrieb die auf den Tanzflächen üblicherweise geltenden Freiheiten nicht mehr nur unbewusst hinnimmt, sondern eben genau das Gegenteil tut: Viele DJs wollen klarer Stellung beziehen, sich nicht mehr die Hände in der Unschuld des Schweigens waschen. Ja, Auflegen ist politisch geworden. Sicher war es das schon immer, doch ist es umso dringlicher geworden, eine gewisse Haltung zu kultivieren. Einer, der diesen Grundsatz verinnerlicht hat, ist Maskenmann Hyenah. Mit seiner Residency im Club Watergate und der Veranstaltungsreihe Schrägstrich Booking-Agentur Schrägstrich Plattenfirma RISE versetzt er Deep House in einen Conscious-Kontext. Logisch, dass nun seine Ausgabe der In-House-Mixreihe 'Watergate' an den richtigen Stellen deutliche Signale sendet.

Natürlich ist Hyenah nicht der einzige maskierte DJ. Jedoch erzeugt der verspiegelte Schirm vor dem Gesicht weniger einen Identitätskult als viel mehr eine Trennung zwischen Werk und Künstler. 'Wenn ihr tanzt, dann nicht wegen mir, sondern der Musik', so in etwa ließe sich seine Kostümierung übersetzen. Die Mission: Unterrepräsentierten Klängen eine Plattform geben. Sich selbst bezeichnet Hyenah dabei als African-House-DJ. Die üblicherweise laufende Party-Reihe RISE dient dem Empowerment afrikanischer House-Rhythmen in der sonst so geradlinigen Technohauptstadt Berlin. Und auch auf 'Watergate 27' passiert genau das. Auf einer Trackauswahl aus 18 Stücken fusionieren häufig zwischen Tribal und Psychedelic wechselnde Synthesizer-Sphären mit stark von Percussions getriebenen Tanzmotiven.

Das Set startet mit einem Exclusive von Hyenah selbst: Shaker, ein Tambourin und Bongo-Trommeln untermalen den Aufbau einiger Synth-Flächen. Über Lemon & Herbs 'iFuh' entsteht mittels sakral-verhallten Chants eine leicht mystische Atmosphäre, die von Pablo Fierros Mitklatscher 'Reincarnation' wieder völlig aufgebrochen wird. Von Fka Mash, Sascha Braemer bis AMEME gibt es melodischen House in unterschiedlichen Schattierungen. Vor allem im Track 'Bangala' findet Hyenah seine Formel, lässt das Stück lange auslaufen. Nach etwas mehr als einer halben Stunde laufen über einen technoiden Kollektiv-Turmstrasse-Remix des Adana-Twins-Stücks 'Jupiter' erste Vocals von Hyenah. Ähnlich wie in einer PSA spricht er hier noch etwas codiert von kultureller Selbstbestimmung.

Wenig später lanciert er nach den Strings von Da Capos 'Dark Knight' ein klares Manifest. Auf 'Not Enough' werden deutliche Worte gefunden: 'When you're living in a racist society it is not enough to be not racist. You need to be anti-racist.' Und fährt fort: 'Anti-racism is a commitment to fight racism, to fight it wherever you may find it. Including yourself.’ Was hier dann auch rein musikalisch übertragen wird, ist ein Gefühl der Befreiung. Zitternde Arpeggios kontrastieren Bongo-Drums und erreichen mit subtilster Zusammenführung zweier eher fernliegende Instrumente ein Gefühl der Einheit.

In der zweiten Hälfte des Sets wird es über JAMIIE und Niko Schwind zunehmend cineastischer. Lange dramatische Flächen, die die vorige Eindrücklichkeit des kleinen Breaks gebührend hinüber in wieder mehr tanzbarere Deep-House-Schwaden trägt. Das Set beschließt allmählich mit einem doch recht emotionalen Finish auf Emanuel Saties & Nanghitis Track 'Forever More'. Wenn da eine leicht lustvoll gequälte Stimme reinfliegt und durch den Slogan 'I want to feel again' ein panisch-manischer Break in Richtung Dancefloor-Happiness rauffährt, setzt das nochmal einiges an Energie frei.

Zuletzt setzt Hyenah mit 'The Message' seinen Schlusspunkt selbst. Über den polternden Closer im Remix von Henrik Schwarz manifestiert sich beim Zuhören eine Spur von Selbstsicherheit. Man muss aber konstatieren, dass der Mix durchaus auch so seine Längen aufweist. In Sachen Dynamik, Tempoauswahl und Variation passiert da phasenweise doch recht wenig Überraschendes. Hyenah selbst reiht oft sichere Picks aneinander und experimentiert eher weniger. Das ist aber zum einen nicht nur eine Geschmacksfrage, sondern liegt zum anderen auch auf der konzeptionellen Linie des Watergate: Es geht um das Zusammenfinden.

’Watergate 27' erschien am 19. Oktober auf Watergate Records.

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