Bashkka im Interview: 'DJs, die nur ein Genre bedienen, langweilen mich zu Tode.'

Bashkka im Interview: 'DJs, die nur ein Genre bedienen, langweilen mich zu Tode.'

Features. 24. Juli 2022 | 4,6 / 5,0

Geschrieben von:
Ina Friebe

New York und München – zwei ziemlich gegensätzliche Städte. In beiden hat die Künstlerin Bashkka lange gelebt. Als queere DJ und Producerin hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, den Vibe der New Yorker LGBTQI-Szene in das konventionellere München zu bringen. Sie legt als Solo-Künstlerin auf, organisiert queere Partys und ist seit neustem Resident im Münchener Blitz Club. Wir haben Bashkka zum Interview getroffen, um über ihren Werdegang als DJ, die Sichtbarkeit von queeren Themen und den Unterschied zwischen Vorbildern und Inspiration zu sprechen.

DJ LAB: Dein DJ-Name ist abgeleitet von dem türkischen Wort für „anders“. Spielt das eher auf Zuschreibungen von außen an oder auf ein selbstbestimmtes Anders-sein-wollen?

Bashkka: „Başka“ heißt im Türkischen wortwörtlich „anders“ – das fand ich ein gutes Wortspiel. Gleichzeitig ist es auch ein Name von persönlicher, kultureller und substanzieller Bedeutung und für mich eine Art Selbstbestimmung, nicht anders sein zu wollen, sondern immer schon anders gewesen zu sein.

Wie würdest du deinen Musikstil beschreiben?

Divers, intensiv und durch und durch queer. Eine Reise, die menschliche und musikalische Grenzen eliminiert und uns verbindet, während wir sonst, im Alltag, oft sehr distanziert voneinander zu sein scheinen. Lange bevor ich zum Auflegen kam, war ich musikalisch schon sehr neugierig und habe viel mit Sounds experimentiert. Als Künstlerin finde ich es daher essenziell, multidimensional zu sein und zu performen. Wenn ich ausgehe, holen mich die DJs und Künstler:innen ab, die mutig sind und eine Experience auf dem Floor kreieren, die du eindimensional nicht erzeugen kannst. DJs, die nur ein Genre bedienen und für ihren “Signature Sound” bekannt sind, langweilen mich persönlich zu Tode.

Wie war dein Werdegang als DJ? Wie bist du mit elektronischer Musik in Berührung gekommen?

Meine Liebe zur elektronischen Musik habe ich entdeckt, als ich alt genug war auszugehen und auf meinem allerersten Rave war. Dieser hedonistische Spirit auf dem Floor und diese Musik, die durch meine Ohren und Sinne floss, hat mir ein Gefühl gegeben, das ich bis dato noch nie so intensiv verspürt habe. Seit meiner Kindheit mache ich Musik: Ich habe früh angefangen, Instrumente zu spielen, zu komponieren und zu singen. Ich wuchs in einer Familie auf, in der Musik aus aller Welt das zentrale Thema war. Ich war in Schulbands und habe auch als Solo-Künstlerin musikalische Schritte gewagt, habe dann aber sehr schnell gemerkt, dass ich mich mit der Mainstream-Musik, die im Radio lief, nicht so identifizieren konnte wie mit dem Sound aus dem Underground. Als ich 2006 zum Studieren nach New York zog, entdeckte ich durch Freund:innen in der Szene selbst meine Leidenschaft für das Mixen. Künstler:innen wie etwa Jasmine Infiniti oder Honey Dijon live zu erleben, waren absolute Schlüsselmomente für mich. Anfangs war ich natürlich eher eine Amateurin, aber ich war motiviert, mir alles selber beizubringen, um gut genug zu werden, auf Events zu spielen. Ich fing an, auf privaten Hauspartys, in Mini Coffee Shops und irgendwann auf kleineren Raves zu spielen, die keiner wirklich auf dem Radar hatte und die teilweise auch illegal waren. Durch Freund:innen aus der Ballroom-Szene kam ich irgendwann mit der queeren Welt in Berührung. Es gibt mittlerweile keine andere Kunstform und keine andere Community, die bedeutsamer für mich ist als die Ballroom-Szene aus New York und die vielen sensationellen Menschen, die ich dort kennengelernt habe. Sie gaben mir das Selbstvertrauen und den Zuspruch, meine Träume zu verwirklichen. New York war für mich der Wahnsinn – dort habe ich mich künstlerisch und auch menschlich wirklich gefunden.

Wie lange hast du dort gelebt?

Zehn Jahre, eine fucking Dekade! Seit 2016 lebe ich wieder in meiner Heimatstadt München. Nach meiner Zeit in New York war der eigentliche Plan, nach Berlin zu ziehen, aber persönliche Umstände haben mich gezwungen, erst einmal hier zu bleiben. Das hat sich anfangs wie ein Schritt zurück in die Steinzeit und wie ein Albtraum angefühlt. Heute bin ich sehr froh darüber. Keine Stadt bleibt so, wie man sie verlässt, und in einer Dekade kann sich sehr viel tun. In den letzten fünf bis sechs Jahren hat sich eine Subkultur in Bayern gebildet, die wahnsinniges Potenzial hat, mit anderen Städten mitzuhalten, sogar mit Metropolen. Es gibt ein großes Verlangen und viel Anerkennung für queere Clubkultur und ein enormes Bewusstsein für die Wichtigkeit von Safer Spaces.

Und du hast versucht, deinen Spirit aus New York in München einzubringen?

Der Spirit von New York und das, was ich dort erlebt habe, sind wie ein Tattoo – das bekommst du nicht mehr weg. Wenn du so lange dort gelebt hast, identifizierst du dich sehr stark damit. New York ist meine zweite Heimat. Ich denke, dass die Münchener Szene relativ schnell auf mich aufmerksam wurde, weil ich diesen Sound aus New York in meine Sets einfließen lasse.
Ich bin unglaublich dankbar, seit März dieses Jahres Teil der Family des Blitz Clubs zu sein. Mir wird dort die uneingeschränkte Kreativität als Resident gegeben und ich fühle mich als Künstlerin respektiert. Wir haben einige sehr aufregende und wichtige Projekte in Planung.

Du arbeitest außerdem an deinem Debütalbum, richtig?

Ja! Tatsächlich bin ich gerade mitten in der Arbeit dafür. Wahrscheinlich wird es eine EP mit drei bis vier Tracks. Darauf möchte alle meine Steckenpferde repräsentieren – ich singe und produziere ja auch. Hoffentlich wird sie noch vor dem Winter releast. Das Label steht schon fest. Einen Namen habe ich noch nicht, aber mein Debütalbum soll ein Liebesbrief an meine Community und an Dance Music werden.

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Spürst du einen Wandel? Gibt es langsam mehr Aufmerksamkeit für die queere Szene?

Absolut. Die Sichtbarkeit von Queerness hat sich in den letzten Jahren extrem verbessert. Nur die Aufmerksamkeit zu steigern oder Raum für Akzeptanz zu schaffen, reicht mir aber nicht. Das soziale Konstrukt der heteronormativen Gesellschaft, das uns teilweise immer noch diskriminiert und ausgrenzt, muss an einen Punkt der Koexistenz kommen, der nicht mehr hinterfragbar oder verhandelbar ist. Das Vermächtnis und der Einfluss von Queerness kann man nicht leugnen. Das hat die Geschichte gezeigt und das wird auch in Zukunft so sein. Dance Music wurde im Underground von marginalisierten Menschen kultiviert. Kolonialismus herrscht leider heute noch in Techno und House Music. Ich habe mir versprochen, alles dafür zu tun, um diese Strukturen aufzubrechen. Auch in 2022 ist das Potenzial für queere und BIPoC-Künstler*:nnen noch lange nicht ausgeschöpft. Das Ziel ist es, mehr Safer Spaces zu schaffen, eine mindestens 50-prozentige Repräsentation von weiblichen, queeren und BIPoC-DJs in Line-ups von Clubs und Festivals zu sichern und ihre Gagen nicht mehr unterhalb der Gagen von weißen Cis-Männern zu verhandeln. Dies ist auch ein Grund, warum ich in München geblieben bin. Leider ist die Vetternwirtschaft in der Clubkultur hier noch etwas ausgeprägter und viele queere Spaces sind immer noch stärker white- und pinkwashed als in anderen Metropolen, wo das viel besser geworden ist. Ich hätte es mir einfach machen und in eine Stadt ziehen können, in der das schon Normalität ist. Ich habe hier eine Aufgabe und einen Sinn für mich gefunden, Dinge zu verändern. Als Person, die die Trans* Experience lebt, sehe ich es als meine Verantwortung, diese Agenda zu pushen. Wir müssen Identitäten und tabuisierte Dinge wie Sex Work in unserer Gesellschaft ein für alle Mal normalisieren.

Denkst du, dass Vorbilder dabei eine Rolle spielen – so wie zum Beispiel Honey Dijon und Jasmine Infiniti bei dir?

Ich bin konstant inspiriert von Künstler:innen, der Szene und dem Leben im Allgemeinen. Angefangen von meiner Familie und Vorfahr:innen, die als türkische Minderheit aus dem damaligen Griechenland vertrieben wurden und als Migrant:innen in die USA und nach Deutschland kamen und bei null anfangen mussten, bis hin zu vielen hervorragenden DJs und meiner Community. Ich möchte natürlich inspirieren, aber das Konzept vom klassischen Vorbild ist überhaupt nichts für mich. Dafür bin ich zu komplex und zu sehr Freigeist. Ich bin der Meinung, dass jede:r für sich selbst verantwortlich ist und damit sein eigenes Vorbild sein sollte. Mein Zweck als Künstlerin und als Mensch ist dann erfüllt, wenn ich jemanden inspirieren und etwas bewegen kann, egal auf welcher Ebene. Mein Instrument hierfür ist natürlich die Musik und meine Kunst.

Inwieweit denkst du, dass diese Inspiration mit Politik zu tun hat? Hast du als queere DJ eine politische Dimension und findest du, dass DJs politisch sein sollten?

Ja, gerade jetzt! Dance Music war und ist immer schon ein politisches Statement gewesen, um sich vom Mainstream, einer doppelmoralischen Gesellschaft oder von repressiven Strukturen zu befreien. Queere und BIPoC-Künstler:innen sind das Rückgrat und die Geschichte, Gegenwart und Zukunft dieser Szene, dieser Kultur und dieser Musik und haben schon immer für ihre Freiheit und Selbstbestimmung gekämpft. Genau das muss unermüdlich weitergeführt werden. Aktivismus, egal in welcher Form, darf nie aufhören. Auch wenn meine Arbeit einen globalen Geist hat: Community Work ist essenziell, und das versuche ich umzusetzen. Der Underground von München bietet queeren und marginalisierten Gruppen mehr Raum und Repräsentation als man erwarten würde. Ich bin ein Beispiel dafür.

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Ballroom , Bashkka , Blitz Music Club , Honey Dijon , Jasmine Infiniti , München , New York

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