Filmrezension: Rave On – Momentaufnahme einer durchtanzten Nacht
Es flackert. Es wummert. Es zieht einen sofort rein. 'Rave On', der am 31. Juli 2025 erscheint, ist weniger Film, mehr Gefühl. Eine rund 80-minütige Ekstase aus Sound, Licht und Körpern. Und vielleicht das ehrlichste filmische Porträt von Clubkultur, das man seit langer Zeit gesehen hat.
Schon nach wenigen Minuten ist klar: Hier geht es nicht um klassische Dramaturgie. Keine Heldenreise, keine stringente Handlung, kein Ziel im eigentlichen Sinne. Stattdessen gibt es lose Szenen, verdichtete Augenblicke, kurze Begegnungen und flüchtige Blicke im Stroboskoplicht. Die Kamera bleibt nah dran – an Gesichtern, an Bewegungen, am kollektiven Puls einer Nacht, die sich nicht erklären will. Was bleibt, ist das Gefühl, mittendrin zu sein.
Regie und Drehbuch stammen von Nikias Chryssos und Viktor Jakovleski. In der Hauptrolle des Kosmo ist der Berliner Schauspieler und Musiker Aaron Altaras zu sehen. Eine Besetzung, die kaum passender sein könnte. Gemeinsam mit seinem Bruder Leo tritt er als DJ-Duo Alcatraz auf und ist längst Teil der Berliner Clubszene. Diese Nähe zur realen Musik-Bubble verleiht seiner Figur eine bemerkenswerte Authentizität. Und so wird Kosmo von Altaras nicht nur gespielt, sondern auch durchlebt.
Rave On: Authentizität wegen Realität
Die Handlung lässt sich auf das Wesentliche wie folgt reduzieren. Kosmo ist ein gescheiterter DJ, der einst kurz vor dem Durchbruch stand. Doch der große Moment blieb aus und stattdessen folgte der Absturz. Gemeinsam mit seinem Freund und DJ-Partner zog er sich aus dem Musikgeschäft zurück. Doch eines Nachts flammt etwas in ihm auf. In einem vertrauten Club legt ein bekannter DJ auf. Kosmo überkommt der Impuls, ihm seine eigene produzierte Vinylplatte zu überreichen. Wie ein letzter Hoffnungsschimmer und ein stiller Akt der Selbstbehauptung. Und um diese besagte Nacht herum dreht sich 'Rave On'. Im Kern gibt es eine konkrete Mission, die jedoch von den Höhen und Tiefen einer intensiven Clubnacht eingehüllt wird. Von den Wellen der Musik und der Atmosphäre, die alles durchdringen.
Ein wesentlicher Faktor für die Authentizität des Films 'Rave On' ist, dass zahlreiche Szenen während realer Clubnächte gedreht wurden. Der Drehort, ein Club mit striktem Foto- und Videoverbot, machte dies zunächst zu einer Herausforderung. Nach intensiven Gesprächen erklärten sich die Betreiber:innen jedoch bereit, das Projekt unter bestimmten Bedingungen zu unterstützen: Der Dreh sollte nicht wie eine klassische Filmproduktion ablaufen, sondern als kollaboratives Vorhaben, das den Charakter des Ortes respektiert.
"Mein Ziel war es, gemeinsam mit dem Clubteam ein Werk zu schaffen, das auf einem realen Ort basiert, diesen aber fiktional interpretiert", erklärt Regisseur Viktor Jakovleski. Um die Atmosphäre so glaubwürdig wie möglich einzufangen, wurden auch zahlreiche Mitarbeitende des Clubs in die Produktion eingebunden. Barpersonal, Garderoben- und Awareness-Teams vor der Kamera sind keine Schauspieler:innen, sondern Menschen, die diese Rollen auch im echten Nachtleben ausführen.
Die Schönheit im Fragment
'Rave On' hat etwas von einem Rauschprotokoll und erinnert damit nicht zufällig an den Roman Rave von Rainald Goetz. Wie bei Goetz geht es auch hier nicht darum, zu erzählen, sondern zu zeigen, zu überreizen und Momente in ihren Wahnsinn zu zerstückeln. Und so liegt auch bei 'Rave On' die Schönheit im Fragment. Durch die Impulsivität von Bild und Sound lädt der Film geradezu dazu ein, erlebt zu werden.
Auch erwähnenswert ist der Soundtrack des Films, welcher vom britischen Produzenten Ed Davenport stammt. Der Soundtrack schafft es, all die Momente zu erfassen, die das Bild nicht erklären will. Er trägt die Aufnahmen und verleiht ihnen eine noch puristischere Wirkung.
Natürlich wird in 'Rave On' auch konsumiert. Kokain, MDMA, Speed, Ketamin – keine Romantisierung, aber auch kein moralischer Zeigefinger. Der Film zeigt, was ist, nicht was sein sollte. Er urteilt nicht. Und das ist seine Stärke. Denn 'Rave On' interessiert sich nicht für Deutungshoheit, sondern für Wahrnehmung. Das kann bisweilen fordernd sein. Der Film ist stellenweise bewusst verspaced. Er verliert sich in visuellen Loops und lässt Gespräche im Rausch verzerren. Doch genau das macht ihn stark. Diese Abwesenheit von Kontrolle, diese Offenheit, in der sich so mancher wiederfinden kann.
Die recht kurze Laufzeit spielt dem Film dabei perfekt in die Karten. Keine Sekunde zu viel, kein Leerlauf. Die Zeit vergeht wie im Flug, was durchaus als Stilmittel gelesen werden kann. So wie eine Nacht plötzlich vorbei ist, obwohl sie gerade erst begonnen hat, so endet auch dieser Film. Und man bleibt zurück mit einem leicht vibrierenden Gefühl.

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