Klima-Feature: Festivals For Future

Klima-Feature: Festivals For Future

Features. 11. August 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Ina Friebe

Ausgelassen feiern und dabei auf die Umwelt achten? Beim Gedanken an große Festivals klingt das nach einem krassen Widerspruch. Das Problem liegt auf der Hand: Wo viele Menschen, da viel Müll. Allerdings gibt es viele weitere klimaschädliche Aspekte von Festivals, die weniger sichtbar sind. Welche Auswirkungen hat das Veranstaltungsmanagement auf den ökologischen Fußabdruck? Und wie sieht es mit der Versorgung der Festivalstadt aus? Wir beleuchten die negativen Effekte, die ein Festival auf die Umwelt hat, und stellen grundlegende Ansätze vor, wie sie sich Stück für Stück nachhaltiger gestalten lassen.

Die Location

Alles beginnt mit der Location: Festivals finden oft an abgelegenen Orten in der Natur statt. Das wirft erst einmal die Frage nach dem Umweltschutz auf. Befindet sich das Gelände in einem Schutzgebiet? Leben möglicherweise geschützte Tierarten in dem Gebiet und wann sind ihre Brutzeiten? Es gibt einige Gesetze im Bereich Natur-, Arten- und Gewässerschutz, die man einhalten muss, um überhaupt eine Genehmigung für die Veranstaltung zu bekommen. Darüber hinaus erschwert eine abgelegene Location die Logistik: Lange, klimaschädliche Transportwege haben eine große Auswirkung auf den ökologischen Fußabdruck eines Festivals. Bei Festivals, die noch kein festes, traditionelles Gelände haben, sind das Kriterien, die bei der Wahl des Standorts unbedingt mitbedacht werden sollten. Ein interessantes Beispiel ist das MELT!-Festival, das aufgrund seines Standorts in einem alten Braunkohletagebau über eine eigene Zuganbindung verfügt und ganz nebenbei noch ein Symbol für die Energiewende ist.

Vom Fahren und Fliegen

Einmal Festival hin und zurück – das kostet. Nicht nur Geld, sondern auch CO2. Man darf nicht vergessen, dass die FestivalbesucherInnen die Umweltbilanz einer Veranstaltung negativ beeinflussen, noch bevor sie überhaupt einen Fuß auf das Gelände gesetzt haben. Die Anreise von vielen Menschen aus zum Teil hunderten Kilometern Entfernung ist extrem emissionsintensiv. Die Alternativen sind die gleichen wie im Alltag: Zug, Bus und Rad. Natürlich sollte von der Veranstaltungsseite her dafür gesorgt sein, dass das Gelände so gut wie möglich an den öffentlichen Nahverkehr angebunden ist, und dass notfalls die fehlende Verbindung mit Shuttle-Bussen hergestellt wird. Der Bassliner, der als Direktbus aus den deutschen Großstädten zu vielen Festivals fährt, wird bereits gern genutzt, genauso wie Online-Plattformen für Mitfahrgelegenheiten (gibt es auch für Festivals: fahrfahraway).

Ein im Festivalticket enthaltenes Cityticket für den ÖPNV vor Ort und (hohe) Parkgebühren schaffen ergänzend Anreize, das Auto stehen zu lassen. Was aber ist mit den DJs und DJanes, die ihr Beruf scheinbar automatisch zu VielfliegerInnen macht? Gerade die größeren Festivals werben mit international bekannten Headlinern. Hier hilft nur Schadensbegrenzung durch einen Mix aus CO2-Ausgleichszertifikaten und der support your local artists-Devise. Die Debatte um die klimaschädliche Vielfliegerei der Szene scheint gerade erst ins Rollen zu kommen; DJs und DJanes, die ihre Flüge mit CO2-Zertifikaten ausgleichen, sind noch in der Minderheit. Allerdings lässt sich schon jetzt die berechtigte Kritik anbringen, inwieweit die monetäre Flugkompensation nur das eigene Gewissen grün wäscht anstatt das zugrundeliegende Problem anzupacken. Eine wirkliche Lösung für dieses Problem ist bis zur Erfindung eines klimaneutralen Langstreckentransportmittels allerdings nicht in Sicht.

Auf dem Campingplatz: Leave no trace?

Wer an Festivals denkt, denkt an Aftermovie-Romantik: Lachende Menschen, die in sommerlicher Kleidung auf einer grünen Wiese in den Sonnenstrahlen tanzen. Ein idyllisches Bild. Doch es gibt andere, ebenso wahre Bilder, die niemand sehen will. Wenn das Partyvolk am Sonntagnachmittag heimzieht, verwandelt sich der Campingplatz in eine Müllhalde. Kaputte (und manchmal sogar intakte) Zelte, Pavillons und Campingstühle werden achtlos von vielen BesucherInnen zurückgelassen, die nach dem Feier-Wochenende zu fertig sind, um sich über die Reparatur oder auch nur den Transport ihrer beschädigten Mitbringsel Gedanken zu machen. Ein kommerzialisiertes Billig-Outdoor-Angebot à la Decathlon, das erschwingliche Nachkäufe garantiert, trägt seinerseits dazu bei, dass der verlorenen Ausrüstung keine allzu große Träne nachgeweint wird. Was daran ethisch und ökologisch falsch ist, braucht man niemandem erklären. Was man dagegen tun kann, vielleicht schon:

Die 'Love your tent'-Initiative hat ermittelt, dass je nach Festivals etwa 20 bis 50 % der mitgebrachten Zelte zurückgelassen werden. Die Initiative will ein festivalübergreifendes Bewusstsein für diese Thematik schaffen und propagiert: Love your tent – take it home. Natürlich ist das die Basisvoraussetzung dafür, die Müllproblematik in Angriff zu nehmen. Aber was passiert mit dem Müll, der sich anhäuft, bis auch der/die Letzte die Verantwortung für seinen bzw. ihren Besitz übernimmt? Dem Recyclingwillen der ZeltbewohnerInnen kann mit Reperaturwerkstätten und käuflichem Ersatzmaterial auf dem Gelände auf die Sprünge geholfen werden. Fertig montierte, mietbare Zelte sind ein Rundum-sorglos-Angebot für die Feiernden, das dieses Problem direkt umgeht. Einige VeranstalterInnen gehen schon einen Schritt weiter und richten Anlaufstellen ein, bei denen man seine gebrauchte, unbeschädigte Campingausrüstung an Flüchtlingsorganisationen oder soziale Einrichtungen spenden kann.

Für den gröberen Müll wurde auf vielen Festivals längst ein Trennsystem eingeführt, das die teilweise Aufbereitung ermöglicht. Aber es fällt auch eine Menge kleinteiliger Müll an: Glitzer, Konfetti und Zigarettenstummel sind nur schwer wieder einzusammeln. Die Ausgabe von Taschenaschern und Mülltüten, für die man beim Eintritt Pfand zahlen muss und diesen erst zurückbekommt, wenn man die Behälter voll zurückbringt, erhöht die Motivation der Feiernden, ihren persönlichen Beitrag zur Müllentsorgung zu leisten. Ein sogenanntes Green Camp auf dem Zeltplatz schafft Räume, in denen von vornherein mehr auf Sauberkeit und Ruhe geachtet wird und auf dem die Zeltenden im Gegenzug mit einer guten Lage und einer achtsamen Umgebung belohnt werden. Dort und idealerweise auch auf dem ganzen Gelände sorgen Komposttoiletten für eine geruchsfreie, wassersparende Alternative zu den typischen Dixi-Klos, die mit Chemikalien gereinigt werden müssen. So können Ausscheidungen als Kompostdünger wieder dem ökologischen Kreislauf zugeführt werden.

Einen nicht unwesentlichen Anteil am CO2-Fußabdruck jedes Menschen und damit auch jedes Festivals hat der Fleischkonsum. Einige Events bieten daher komplett vegetarisches bzw. veganes Essen an, das im besten Fall aus regionalen und bio-zertifizierten Quellen stammt. Essbare Schalen, Fingerfood oder Pfand-Geschirr runden das nachhaltige Nahrungsangebot ab und tragen zur Müllvermeidung bei. Übrig gebliebenes Essen, sowohl von den Ständen als auch von den BesucherInnen, kann auf dem Festival über eine Foodsharing-Börse verteilt beziehungsweise an lokale Tafeln gespendet werden. Auf dem DGTL Amsterdam dreht man den Spieß um und möchte künftig das gesamte Festivalessen aus überschüssigem, aussortierten Gemüse zubereiten.

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Das Energieproblem

Soweit zu den sichtbaren Umweltsünden. Aber wie sieht es hinter den Festivalkulissen aus? Dort sucht man die Nachhaltigkeit auf den ersten Blick vergebens: Ist das Gelände sehr abgelegen, verhindert das einen Anschluss an das lokale Stromnetz. Die Generatoren laufen tagsüber und vor allem nachts auf Hochtouren, die Lichttechnik frisst durchgängig Strom und das DJ-Equipment tut sein Übriges. Wie kann man den Energiebedarf auf Großveranstaltungen grün gestalten? Die ehrliche Antwort: Es ist kompliziert. Doch es gibt Lösungsansätze, die bereits Anwendung finden. Zum Beispiel die Nutzung von Ökostrom. Oder die Installation von Solaranlagen.

Aber auch der Einsatz von LED-Lampen und Konzepte zum sparsamen Umgang von Lichteffekten zählen dazu. Um den Stromverbrauch zu optimieren, sollte das Veranstaltungsmanagement eine Übersicht der Stromnutzung aufstellen, um den tatsächlichen Energiebedarf an den verschiedenen Punkten des Geländes festzustellen und zu überlegen, an welcher Stelle dieser reduziert beziehungsweise besser organisiert werden könnte. Allerdings bleiben regenerative Energiequellen bei großen Events ein Wackelfaktor, da sie nur einen kleinen bis mittelmäßigen Teil des Stromverbrauchs abdecken können und gleichzeitig von den Witterungsverhältnissen abhängig sind. Im Klartext: Kein Wind, keine Sonne? Keine Energie, keine Musik!

Schwierig ist darüber hinaus die Speicherung: Solarenergie etwa wird tagsüber gewonnen, Festivals haben aber nachts ihren Energiepeak. Das macht den ergänzenden Einsatz von Batterien unerlässlich. Die haben aber nur eine gewisse Speicherkapazität und werden zum Teil mit seltenen Erden gebaut, die ihrerseits für Raubbau und Schäden an Umwelt und Menschen stehen. Genauso wie die unvermeidbaren Backup-Generatoren bringen sie einiges auf die Waage, was den klimaschädlichen Transportbedarf vermehrt. Bisher werden auf Großevents nur einzelne Stages erfolgreich mit regenerativer Energie betrieben. Eine Kompromiss-Lösung sind Generatoren, die sich mit Biodiesel aus recyceltem Öl betreiben lassen.

Die Organisation von Festivals bedeutet viel Arbeit. Genauso umfangreich sind dementsprechend die Anknüpfungspunkte für grünes Feiern. Damit die Bemühungen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz möglichst effektiv sind, schlägt die Initiative 'Sounds for Nature' in ihrem Leitfaden für die umweltgerechte Gestaltung von Open-Air-Veranstaltungen vor, ein Umweltteam zu berufen, das alle Maßnahmen koordiniert und aufeinander abstimmt. Das macht nicht nur die Arbeit einfacher, sondern spornt die VeranstalterInnen dazu an, aus eigenen Fehlern und Erfolgen zu lernen – und im nächsten Jahr womöglich noch nachhaltiger zu werden.

Im besten Fall erstellt das Umweltteam zugleich ein Kommunikationskonzept, das die BesucherInnen über seine Arbeit aufklärt und ein Bewusstsein für das Thema schafft. Konkrete Ziele erhöhen die Effizienz der Nachhaltigkeitsbemühungen und machen das Event gleichzeitig für umweltbewusste BesucherInnen attraktiv: DGTL Amsterdam etwa wirbt damit, bis 2020 das erste klimaneutrale Festival zu sein.

Aller Anfang ist schwer. Wenn man als OrganisatorIn damit beginnt, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, kann es schnell passieren, dass man sich mit der Gesamtaufgabe überfordert fühlt. Wie im Privaten gilt hier: Besser irgendwo anfangen als gar nichts tun! Es kann eine große Hilfe sein, mit Nachhaltigkeitsinitiativen zusammenzuarbeiten, die bereits die nötige Expertise und Ausrüstung mitbringen. Der Traum vom grünen Raven – er existiert. Inwieweit er ein Traum bleiben muss, haben wir schon an anderer Stelle in unserer Kolumne dargelegt. Aber auch wenn wir nicht für die Umwelt raven können, ist es zumindest möglich, nicht allzu sehr gegen sie zu raven.

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