Monika Kruse im Interview: "Ich war dankbar, dass es zum Burnout kam"

Monika Kruse im Interview: "Ich war dankbar, dass es zum Burnout kam"

Features. 5. Juli 2025 | 4,9 / 5,0

Geschrieben von:
Celeste Lea Dittberner

Nach einer dreijährigen Auszeit steht Monika Kruse endlich wieder auf der Bühne – und das mit einer geerdeten Energie, die weit über ein bloßes musikalisches Comeback hinausgeht. Ihre Pause war kein leichter Rückzug, sondern ein notwendiger, intensiver Prozess der Selbstreflexion und Auseinandersetzung mit den eigenen Grenzen. In unserem Gespräch erzählt sie offen von einer herausfordernden Zeit, die sie bis an ihre Belastungsgrenzen brachte. Sie berichtet uns von den Einsichten, die sie in dieser Zeit gewonnen hat und von ihrer Verbindung zu Natur und Tieren. Und vor allem gibt sie uns ein ehrliches Resümee darüber, wie es ihr heute wirklich geht.

DJ LAB: Welcome back, Monika! Du bist für viele Menschen, ob Künstler:innen oder Fans, ein großes Vorbild. Woran hast du gemerkt, dass du genau jetzt bereit dazu bist, zurückzukehren?

Monika Kruse: Es war ein langer Weg. Immer wieder kamen Booking-Anfragen, und jedes Mal habe ich in mich hinein gespürt, wie sich allein die Vorstellung anfühlt, wieder auf der Bühne zu stehen. Lange Zeit war da vor allem Angst. Ich musste erst lernen, damit umzugehen, sodass auch erst letztes Jahr meine Kreativität zurückkam. Ich habe eine EP und einen Remix veröffentlicht und ich gemerkt, dass es mir langsam besser geht. Als dann die Anfrage vom Echelon kam, war da zum ersten Mal dieses leise Gefühl: Vielleicht kann ich es wagen. Die Promoter haben mir viel Verständnis und Sicherheit gegeben – selbst eine kurzfristige Absage wäre völlig in Ordnung. Das hat den entscheidenden Unterschied gemacht. Deshalb habe ich mich auch bewusst nur für vier Gigs entschieden: Dockland, Nation of Gondwana, Echelon Festival und Sola Festival. Alles bei Promotern, die meine Geschichte kennen und sagen: Wir stehen hinter dir.

Wie fühlt sich dein Comeback bis jetzt an? Und wie war dein erster Gig letzten Monat im Dockland – welche Emotionen und Eindrücke hast du dabei erlebt?

Ich bin sehr, sehr dankbar und beseelt, wie toll der Abend war. Ich habe einige Tage gebraucht, um alles zu verarbeiten. Gleich nach dem Ende des Sets musste ich vor Erleichterung weinen, und auch Tage danach kamen mir immer wieder Tränen. Ich war ja auch seit Langem nicht mehr unter so vielen Menschen. Es gab eine Zeit, in der ich mich komplett vom Sozialleben lösen musste, weil ich Angstattacken bekam. Selbst bei einer größeren Tischrunde oder Geburtstagsfeier bei Freunden kamen diese Attacken. Es gab ein Jahr, wo ich komplett zurückgezogen gelebt habe. Insofern war es für mich eine große Herausforderung, überhaupt auf eine öffentliche Veranstaltung zu gehen und dann on top wieder als DJ im Mittelpunkt zu stehen.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Das muss ein sehr emotionaler Abend für dich gewesen sein. Wie hast du damals eigentlich gemerkt, dass du an einem Punkt angekommen bist, an dem du eine Auszeit brauchst? Gab es einen konkreten Auslöser oder war es eher ein schleichender Prozess?

Es war ein schleichender Prozess. Rückblickend begann alles schon vor der Pandemie – das schnelle DJ-Leben, der ständige Druck, die hohen Erwartungen von außen und von mir selbst haben mich zunehmend überfordert. Obwohl ich die Anzahl meiner Gigs schon damals reduziert hatte, bekam ich zwei schwere, stressbedingte Krankheiten. Nach der Pandemie fing alles wieder von vorne an – aber mein Körper und meine Seele haben sich gewehrt. Ich litt über ein halbes Jahr an extremen Schlafstörungen – obwohl ich todmüde war, konnte ich kaum mehr als vier Stunden pro Nacht schlafen. Es kamen weitere gesundheitliche Probleme dazu, aber ich stellte mich trotzdem immer wieder auf die Bühne, redete mir ein: Du schaffst das schon. Doch als Panikattacken und schwere Depressionen dazukamen, wusste ich: Wenn ich jetzt nicht aufhöre, lande ich in der Klinik. In den letzten Wochen vor meiner Auszeit habe ich vor dem Gig geweint, nach dem Gig geweint, zu Hause geweint – bis ich verstanden habe: Ich kann nicht mehr.

Fiel dir die Entscheidung schwer, dich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen?

Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin eigentlich ein sehr introvertierter Mensch und brauche die Öffentlichkeit nicht, um glücklich zu sein.

Wie sah deine Auszeit aus? Was hast du in den vergangenen drei Jahren hauptsächlich gemacht?

Ich habe lange gebraucht, um mein Nervensystem wieder zu beruhigen. Meditation, viel Zeit in der Natur, Mental-Health-Trainings, somatische Arbeit, Workshops – all das hat mir geholfen. Ich habe an Glaubenssätzen gearbeitet, alte Muster analysiert und mich immer wieder gefragt: Wer bin ich eigentlich ohne das DJ-Dasein? Das war nicht leicht, immerhin hat Musik mein Leben über 34 Jahre lang bestimmt. Aber das Schöne ist: Wenn etwas wegfällt, entsteht Raum für Neues. Ich habe angefangen, mich um Straßenkatzen zu kümmern, das erfüllt mich heute sehr. Ich habe eine Ausbildung zur Tierkommunikatorin gemacht, was mir das Gefühl gibt, auf einer ganz neuen Ebene mit Lebewesen verbunden zu sein. Ich lebe mit vier Katzen, die mich täglich lehren, im Moment zu sein. Ich habe jetzt einen Garten, der mir Erdung schenkt, und verbringe viel Zeit mit meiner Familie. Ich lebe nicht mehr im Morgen, sondern im Jetzt.

Hast du in dieser Phase etwas über dich oder dein Verhältnis zur Musik neu entdeckt?

Ja, sehr viel – mehr, als in ein Interview passt. Aber was ich sagen kann: Ich bin heute dankbar, dass es zum Burnout kam. So schmerzhaft es war, hat es mir die Chance gegeben, mich wirklich kennenzulernen. Jenseits von Rollen, Erwartungen und Bühnenlicht.

Welche neuen Prioritäten oder Grenzen setzt du dir jetzt? Wie gehst du mittlerweile mit dem Druck um, dem viele Künstler:innen in der Szene ausgesetzt sind?

Meine höchste Priorität ist, dass ich mir meine Zeit, meine Balance und meine Ruhe für mich bewahre. Ich lasse mich nicht mehr in den Sog des Business ziehen. Das Schöne ist: Ich liebe die Musik und sie wird immer ein Teil von mir sein. Aber ich muss nicht mehr auflegen, um glücklich zu sein. Mein Leben ist auch ohne das DJ-Dasein erfüllt; durch all die neuen Dinge, die mir heute wichtig sind. Und genau das gibt mir Freiheit.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Welche Reaktionen hast du aus der Szene auf deine Auszeit sowie deine Rückkehr bekommen?

Ich war wirklich überrascht, wie viele Nachrichten ich bekommen habe, als ich öffentlich gemacht habe, dass ich unter Angststörungen und Depressionen leide. Es kamen unglaublich viele liebevolle Worte der Unterstützung, aber auch persönliche Erfahrungsberichte, gerade auch von Kolleg:innen. Ich hätte nie gedacht, wie viele DJs mit ihrer mentalen Gesundheit kämpfen. Es ist ein riesiges Thema, über das viel zu wenig gesprochen wird. Der Glanz der Bühne hat auch eine dunkle Seite, die kaum jemand zeigt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir aufhören, das alles unter den Teppich zu kehren. Es ist okay, zu struggeln. Es ist okay, traurig zu sein oder zu sagen: Mir wird das zu viel. Als ich dann gepostet habe, dass ich wieder spielen werde, kamen erneut viele liebe Nachrichten von Fans, Promotern und DJs. Das hat mich tief berührt.

Was wünschst du dir von der Clubszene in den nächsten Jahren?

Für die Clubszene wünsche ich mir mehr Achtsamkeit. Mehr Räume, in denen man echt sein darf, nicht nur funktionieren muss. Weniger Perfektion, mehr Gefühl. Weniger Social Media, mehr Authentizität. Dass wir uns erinnern, warum wir das alles mal angefangen haben: wegen der Musik, der Ekstase, dem gemeinsamen Moment. Und dass es okay ist, wenn nicht immer alles laut, schnell und glänzend ist, sondern manchmal auch leise, langsam und ehrlich.

Was würdest du jüngeren Künstler:innen mitgeben, die sich gerade in einer ähnlichen Situation befinden?

Du musst nicht immer stark sein. Es ist keine Schwäche, wenn du merkst, dass dir alles zu viel wird, es ist ein Zeichen von Bewusstsein. Höre auf deinen Körper, auf dein Herz. Zieh Grenzen, auch wenn andere sie nicht verstehen. Such dir Hilfe, sprich darüber. Du bist nicht allein. Mehr Menschen kämpfen, als du glaubst. Und vor allem: Du bist mehr als deine Performance. Mehr als dein Output, dein Name auf dem Line-up. Du darfst auch einfach Mensch sein. Und manchmal ist genau das die größte Stärke.

Vielen Dank für deine Worte, Monika. Es ist schade, dass über dieses Thema so wenig gesprochen wird. Dabei ist es – gerade in der Szene – so präsent. Hoffentlich ändert sich das zukünftig. Apropos: Was sind denn deine Pläne für die kommende Zeit?

Abgesehen von den noch drei geplanten Gigs, lass ich alles offen. Ich weiß ehrlich gesagt noch gar nicht, ob ich danach weiterhin auflegen werde. Aber das ist völlig okay, ich setze mich nicht mehr unter Druck. Ich möchte spüren, wie es sich anfühlt, wieder da zu sein – ohne Druck, ohne Fahrplan. Ansonsten geht mein Alltag mit meinen Tieren, dem Garten und meiner Arbeit mit Straßenkatzen weiter. Das erfüllt mich sehr. Ich will weiter in die Tierkommunikation eintauchen, noch mehr lernen, noch mehr verstehen. Die Zukunft? Die darf sich langsam zeigen. Schritt für Schritt, im eigenen Tempo. Ich habe keine großen Pläne – nur den Wunsch, im Einklang mit mir selbst zu bleiben.

Monikas Comeback ist kein bloßes "Weiter so", sondern ein bewusster Schritt ins Hier und Jetzt – geprägt von mehr Leichtigkeit, Freiheit und einer neuen inneren Ruhe im Umgang mit Musik und Menschen. Sie spricht auch offen über die Schattenseiten des DJ-Lebens und den Mut, endlich ehrlich über mentale Gesundheit zu reden – ein Thema, das in der Szene leider noch immer tabu zu sein scheint. Monika Kruse ist damit nicht nur ein inspirierendes Beispiel für Künstler:innen und Fans, sondern zeigt vor allem, dass es manchmal die größte Stärke bedeutet, Schwäche einzugestehen und nicht rund um die Uhr funktionieren zu müssen. Und trotz allem, was geschehen ist, bleibt die Musik ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens, was sich auch in ihrem Sound widerspiegelt: authentisch, frei von kurzlebigen Trends und tief verwurzelt in der eigenen künstlerischen Identität.

Veröffentlicht in Features und getaggt mit Dockland , Interview , Monika Kruse

Deine
Meinung:
Monika Kruse im Interview: "Ich war dankbar, dass es zum Burnout kam"

Wie findest Du den Artikel?

ø: