Porträt: Julius Steinhoff – Charmant geerdeter Sound ohne große Gesten
© Lisa Gobmeier

Porträt: Julius Steinhoff – Charmant geerdeter Sound ohne große Gesten

Features. 15. September 2018 | / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Wenn ich Musik mache, denke ich eigentlich selten darüber nach, was am Ende dabei rauskommen soll. Das passiert meist alles von selbst.

Im November 2006 stellte sich ein neues Label aus Hamburg der Welt vor: “We Are Smallville”, der Titel der ersten EP, liest sich wie ein Gruß an die Öffentlichkeit. Hallo, das sind wir und das ist unsere Musik. Die Musik, das ist der konservierte Sound des frühen Detroits gemischt mit klassischem Deephouse und dem Minimal Techno der 2000er Jahre. Das Label sind die Zeichnungen und Cover von Stefan Marx, DIY-Attitüde und eine ganz eigene familiäre Wärme. Als musikalischer Arm des gleichnamigen Hamburger Plattenladens veröffentlichte Smallville bislang über 50 Platten und gilt mittlerweile zu Recht als feste Größe in der House- und Techno-Szene.

Aktuelles Werk: 'Along The Coast'

Ende Juli erschien mit ‘Along the Coast’ die aktuellste Platte, produziert von Julius Steinhoff, einem der Betreiber des Labels und des Ladens. Es ist das erste Solo-Release des gebürtigen Freiburgers seit seinem 2014 erschienenen Album ‘Flocking Behaviour’. Auf ‘Along the Coast’ kehrt Julius mit staubigen Kicks, Acid-Lines und rough produziertem Deephouse zurück, dreckige Drums und nostalgische House-Anleihen im Verbund mit Techno: Ein Signature-Sound, den Julius vor allem auch zusammen mit Just von Ahlefeld, mit dem er gemeinsam das Label leitet, in seiner Karriere geprägt hat. Als Smallpeople holen sie mit einem nostalgischen Blick den House vergangener Tage ins Hier und Jetzt und versetzen ihn mit ihrer eigenen Melancholie und Romantik. Nicht umsonst nannte die Groove ihr Debütalbum 'Salty Days' “das bezauberndste House-Album der Saison”.

Seine Inspiration für die zahlreichen Projekte bezieht Julius dabei laut eigener Aussage aus verschiedenen Aktivitäten: "Teilweise ist das sicherlich abhängig von meiner Stimmung. Meine Kreativität wechselt ständig und ist abhängig von unterschiedlichsten Dingen. Beispielsweise kann das ein gutes Wochenende in einem Club genauso wie ein Ausflug mit der Familie sein. Auch Wälder und Wiesen inspirieren mich mittlerweile sehr, das habe ich zu schätzen gelernt". Die kleinen Dinge stehen also im Vordergrund; eine Einstellung, die auch in Julius' Musik zu hören ist. Da ist kein Platz für große Gesten oder überdimensionale Projekte. Wie bei seiner Arbeit unter dem AKA Tonight Will Be Fine. Statt House und Techno präsentiert Julius hier ein Album mit astreinem Indie-Folk: Synthie-Flächen weichen gehauchtem Gesang, Akustikgitarren dominieren das Geschehen und statt Tanzfläche gibt es fragile Introvertiertheit.

‘Elephant Island’ heißt diese LP, die er zusammen mit Abdeslam Hammouda 2016 veröffentlichte und Ausdruck einer langen gemeinsamen Zeit ist, die die beiden miteinander verbindet. "Abdeslam ist mein engster Freund und einer der ersten, die ich kennengelernt habe, als ich 2001 nach Hamburg kam. Wir machen eigentlich seitdem zusammen Musik, weil wir einfach viel Zeit zusammen verbracht haben”. Zunächst veröffentlichten die beiden als Steinhoff & Hammouda diverse House- und Techno-EPs bevor es an der Zeit war, neue Wege zu gehen.

"Irgendwann gab es dann eine Pause, da Abdeslam weggezogen ist. Wir standen aber immer in regem Kontakt und haben das Musikmachen dann via Internet wieder aufgenommen und irgendwann angefangen Neues auszuprobieren und richtige Songs zu schreiben, die wir mit Instrumenten und ohne elektronische Klangerzeugung eingespielt und aufgenommen haben“. Heraus kam dann eben ‘Elephant Island’, welches die beiden auf dem japanischen Label Mule Musiq veröffentlichten. Es ist ein kompletter Stilbruch, den die beiden mit dem Projekt Tonight Will be Fine vollziehen, er zeigt, in welche Richtungen die Musik von Julius in Zukunft noch gehen kann. Laut ihm ist das Projekt dann auch keine einmalige Sache, denn weiteres Material und auch ein neues Album sind zumindest in Planung. Noch konkreter sind die Pläne schon für das restliche Jahr: "Im Sommer wird noch eine weitere Solo-12 von mir auf Church erscheinen. Und mit Just, mit dem ich den Smallville-Laden betreibe, arbeite ich auch am nächsten Smallpeople-Album. Das sollte eigentlich schon längst fertig sein und wird hoffentlich dieses Jahr noch erscheinen“.

Neue Vertriebswege und künstliche Verknappung

Neben dem Musiker Julius Steinhoff gibt es aber noch den Label- und Ladenbetreiber. Smallville, das er sich nun seit über 10 Jahren gemeinsam mit Lawrence, Just von Ahlfeld und Stefan Marx aufgebaut, nutzt er, um immer neue Aufgaben anzugehen: "Die (Sub-)Labels Fuck Reality und Down By The Lake (2015 und 2017 gegründet, Anm. d. Red.) vertreiben wir selber. Das hab ich dann von zu Hause aus gemacht. Der Vertrieb ist das Bindeglied zwischen Label auf der einen Seite und den Plattenläden weltweit auf der anderen und damit eine interessante Schnittstelle. Es ist dabei auch spannend, einen Einblick zu bekommen, wie andere Plattenläden und die großen Onlinestores bestellen. Außerdem ist es super, den gesamten Ablauf einer Plattenproduktion – vom Premaster bis zur fertigen Platte – in den Verkaufsregalen zu verfolgen und selbst in der Hand zu haben“.

Es sind aber nicht nur neue Einblicke in das Vertriebswesen, die sich Julius mit den Sublabels ermöglicht. Gleichzeitig sollen sich die beiden Imprints auch inhaltlich von ihrem Hauptlabel Smallville unterscheiden. Down By the Lake zum Beispiel ist ein Vinyl-Only-Label, bei dem jede Platte mit einem Hand-Stamped-Cover versehen wird. Was zunächst nach dem Trend der künstlichen Verknappung und Limited Edition klingt, ist für Julius aber kein Anliegen, eher im Gegenteil. "Für uns als Label mit angeschlossenem Plattenladen ist es gut und wichtig, unsere Smallville-Scheiben verfügbar zu halten und entsprechend direkt bei uns sowohl im Laden als auch im Onlineshop verkaufen zu können. Das macht für uns total Sinn und wir haben ja auch einen tollen und zeitlosen Backkatalog. Die Verknappung ist eher ein nerviges Thema für Läden, es ist anstrengend, wenn man Platten verkaufen könnte, die aber einfach nicht in entsprechenden Mengen gepresst werden oder gar nicht erst verfügbar sind“.

Und so äußert sich diese Einstellung in der gesamten Labelpolitik, sind zum Beispiel sämtliche Smallville und Fuck Reality Titel auch digital erhältlich. Generell ist für Julius Verbreitung ein wichtiges Thema: "Natürlich ist Vinyl unser Hauptmedium und am wichtigsten für den Laden. Ich mag auch keine Musik rausbringen, die nicht auch auf Platte gepresst wird. Es gibt aber auch viele Orte auf der Welt, wo ein Plattenladen nicht in der Nähe ist und ein Paket von den einschlägigen Onlineshops sehr lange dauern würde. Daher finde ich es schon super, wenn unsere Musik auch an solche Orte kommt und gehört werden kann. Neulich schrieb mir ein Smallville-Fan aus dem Iran, das ist dann schon etwas Besonderes und freut mich.“

 

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