Porträt: Macro – Innovation als ideologischer Nenner

Porträt: Macro – Innovation als ideologischer Nenner

Features. 1. Juli 2018 | / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Wir hatten nie einen verpflichtenden Masterplan, und haben uns auch bewusst dagegen entschieden, einen zu entwickeln.

Treffen sich zwei Musikfanatiker und gründen ein Label. So ungefähr kann man das, was bei Macro entstand, in Kürze beschreiben. Seit 2007 steht das Berliner Label von Stefan Goldmann und Finn Johannsen für eigenwillig experimentelle Projekte, vielfältige Sounds und konstanten qualitativen Output. Nicht umsonst wurde das Label einst von der De:bug als das „führende Avantgarde-Techno-Label“ bezeichnet. Quer durch das gesamte Spektrum der elektronischen Musik arbeiten sich Stefan und Finn, suchen neue Klänge und Formen der Repräsentation. Sie selbst nennen es eine „Negativ-Formel“ nach der sie Macro führen: „Was anderswo schon gut repräsentiert ist, brauchen wir nicht auch noch einmal machen“ lautet das Motto und mit einem Blick auf den Labelkatalog wird schnell klar, dass sie es ernst meinen damit.

© Simona Mihaylova

Ein einheitlicher Stil oder ein gemeinsamer Sound für den das Label steht, sucht man bei Macro vergebens. Vielmehr ist es ein ideologischer Nenner, der das Label vereint: Innovation. Stefan Goldmann selbst veröffentlichte von Minimal Techno über Igor Stravinsky Edits bis zu seinem Ghost Hemiola Projekt bereits eine große Bandbreite verschiedener Stile. Neben seiner eigenen Musik beheimatet das Label zahlreiche verschiedene KünstlerInnen: Das Wiener Trio Elektro Guzzi setzt Techno in einem klassischen Bandkontext um, KUF begibt sich mit organischen Klängen in die Gefildes des Jazz und mit Catholic veröffentlichte Macro ein 30 Jahre lang verloren geglaubtes Album von Disco-Legende Patrick Cowley.

Gleichzeitig präsentiert Macro unter anderem mit KiNK, Roboknob (beide aus Sofia) und Vladimir Dubyshkin (Tambov, Russland) Musik aus vielen verschiedenen Ländern. Ein wichtiger Punkt für die beiden, denn laut Stefan sticht es eindeutig heraus, wenn ein Demo aus Kirgisistan kommt und nicht aus Berlin Neukölln. Der Blickwinkel sei verschoben, es gebe eine eigene Interpretation einer gemeinsamen globalen Sache, die dort aber anders gehört werde als in Berlin oder Paris oder London.

„Wir mögen interessante Ideen mit einer eigenen künstlerischen Handschrift“, so Finns Antwort auf die Frage, nach welchen Kriterien sie KünstlerInnen für ihr Label aussuchen. Seit den 80er Jahren ist der gebürtige Kieler als DJ tätig, in seinen unzählbaren öffentlichen Mixen gräbt er sich genüsslich durch die Musikwelt, arbeitet für den Berliner Plattenladen Hardwax und schreibt Artikel unter anderem für die Groove und Resident Advisor. Stefan, ebenfalls als Autor tätig veröffentlichte 2015 das Buch „Presets – Digital Shortcuts To Sound“, schreibt Kolumne für das Berghain und konzipierte dort die Veranstaltungsreihe „Elektroakustischer Salon“.

© Simona Mihaylova

Beide verbindet die leidenschaftliche Suche nach den unbeantworteten Fragen in der Musik, eine interdisziplinarische Verknüpfung auf verschiedensten audiovisuellen Ebenen und ein unbändigerer Innovationsdrang. Ihre Erfahrung und der riesige musikalische Fundus, aus dem sie schöpfen können, wird in Form von Macro zu einem der spannendsten Label der Techno Szene.

Auch in Zukunft wird es aus dem Hause der beiden rastlosen Musikliebhaber neue Musik geben. Was genau geplant ist und welche Projekte demnächst anstehen, konnten sie allerdings nicht beantworten. Nicht etwa aus Geheimniskrämerei oder Marketinggründen, vielmehr wissen sie es selbst nicht so genau. „Wir haben immer nur das veröffentlicht, was wir auch wirklich veröffentlichen wollten, frei von strategischen Überlegungen. Wir brauchen ausreichend Spielraum, um das Label so zu betreiben, wie es uns gefällt und wichtig ist. Der einzige Plan ist demnach, zu erreichen, dass es immer noch genug Menschen gibt, die das interessiert, was wir hier machen, damit wir genau so weiterarbeiten können.“, lautet Finns Erklärung auf die Frage nach der Zukunft des Labels. Bei ihnen seien selten mehr als zwei Veröffentlichungen im Voraus geplant.

Wobei Stefan abschließend doch eine zumindest grobe Richtung durchblicken lässt. In den letzten Jahren gab er Musik-Workshops unter anderem in Guatemala, Moldawien und der Mongolei. Länder, über die er begeistert berichtet: „Dort stehen sie in den Startlöchern und ich bin immer erstaunt, wie fit die Leute sind. Es wird noch viel mehr aus Gebieten kommen, die jetzt noch nicht voll integriert sind“. Auf seiner langen Reise, bei der er unterschiedlichste Musik aus verschiedensten Ländern und Regionen gehört hat, kommt er zu dem Schluss, dass der Techno sich zu einer globalen und kulturellen Kraft entwickelt hat. „Techno ist ein Symbol für die Möglichkeit gehört zu werden, egal wo du herkommst und wie du aussiehst. Es ist eine der ganz wenigen Grammatiken, in denen sich fast jeder ausdrücken kann und die von fast jedem verstanden wird“.

 

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