Review: Keinemusik – Send Return [Keinemusik]

Review: Keinemusik – Send Return [Keinemusik]

Features. 6. Dezember 2021 | / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Keinemusik, sondern eine Platte für die neue Opel-Werbung haben die drei Feschen vom Berliner Modelabel Keinemusik mit 'Send Return' veröffentlicht. Die zweite gemeinsame Platte von Adam Port, &Me und Rampa ist ein Album, bei dem sich Thirty-Somethings, die den Unterschied zwischen Max Giesinger und Depeche Mode nicht erkennen, wie 13-jährige Raver:innen fühlen dürfen. Also: Husch in die Keinemusik-Summer-Socken geschlüpft, die Buffalos gestriegelt und den Polokragen gehisst, um pünktlich zur Tagesschau wieder Techno für die Systemerhaltung zu ballern.

Den Albumtitel 'Send Return' hat die Crue aus Kreuzberg zwar vom Mischpult abgeschrieben, das muss aber niemand checken. Alle, die bei Zalando schon mal 25 Sneaker in drei verschiedenen Größen geordert haben, wissen, dass der Return-Sticker viel wichtiger ist als Fast-Fashion-Shit zum Ausbeutertarif. Return heißt Tschau, zurück, auf Wiedersehen! In diesem Sinne: Ein erstes Herantasten an die zwölf Keinemusik-Teile, bei denen man nicht weiß, ob der harmonische Herzschrittmacher bis zur nächsten Frühjahrskollektion überhaupt durchhält. Immerhin: Der Titeltrack kommt wie das Amen im Gebreak – wer Four Tet, Drohnenflüge und Super-Slow-mos geil findet, bekommt hier Oscarmaterial unter die Füße geschoben.

Dabei könnte man schon mit 'Confusion' einen Sundance-Streifen vertonen. Das Coming-of-Age-Gebimmel eignet sich prächtig dafür, die Magenschleimhaut mit drei oder zehn Margaritas anzufeuchten, auf den nächsten Sommer zu warten oder gleich einen Birkenstocktrip durch Südostasien zu planen. Jede Wette, dass die Keinemusik-Dudes mit diesem Track ihre Rentenversicherung aufstocken – nicht nur DJ Koze würde sein Zahngold verscherbeln, um nochmal so ein Teil rauszuhauen. Im Vergleich dazu kann man sich im folgenden Track mit den Schwedenbombern von Little Dragon zwar zu Whitney-Houston-Vibes die Schulterpolster in den Hosenanzug schieben. Zurück in die Eighties steppt man mit 'Saving My Love' aber auch nur auf Keta.

Deshalb drückt man zwischendurch auf die Tränendrüse. Und tanzt den eigenen Namen. Am besten zu 'Pussy Power', ein Titel, bei dem die Leute von Radio Energy zum kollektiven Sonnengruß ansetzen. Während die 303 wie ein Vibrator im Bossmodus rumzappelt, säbelt man sich die Augenbrauen in der 'Discoteca' ab. Sieht zwar schlecht aus, hat aber den Vorteil, dass man sich 'The Day I Met You' bestimmt merkt. Übrigens: Nicht wegen des Features von Solomun. Sondern trotz ihm. Schließlich klingt das Ganze so, als hätte Nils Frahm in den Helm von Deadmau5 gekotzt, anschließend sturzbesoffen beim Zimmermann angerufen und fünf Streicher bestellt, von denen am nächsten Tag niemand etwas gewusst haben will. Mitgehangen, mitgefangen: Für Hands-up-Feelings bei der nächsten Seifenblasen-Sause reicht die Schmonzette allemal.

Zum Glück haben sich Rampa, Port und &Me im Hangry-Mode dazu entschieden, mit Cedric Gasaida (aka Starving Yet Full) und Chiara Noriko zwei Stimmen von der 2017er-Platte zu verpflichten. Dass die beiden mit ihrem Output noch nicht durch die Decke gegangen sind, ist zwar eine Frechheit, aber ein bisschen, dass 'What You Expected', wenn man die Leidensgenossenschaft im Underground teilt. Da wird Insiderwissen suggeriert, wo keines ist. Trotzdem mag den Segelschuh-Ravern zu derart sinistren Tönen schon mal der Parmesan aus dem Nasenflügel rieseln. Kein schöner Anblick. Deshalb bookt man lieber das Kuscheldecken-Ausweichprogramm mit Kopfstimmen-Kollateralschaden von Ry X. Den Australier haben Keinemusik bei Frank Wiedemann von me ausgeliehen, um Punschmusik für den Christkindlmarkt zu produzieren. Hoffentlich gibt’s dafür genügend Pfand.

Es mag der Backenzahn der Zeit sein, oder einfach nur ein Wink mit dem frisch gedruckten Tausend-Euro-Schein. Wer als Avatare in GTA für zugekokste Piraten-Promoter auftritt, hat auch kein Problem, im Real Life nach Dubai zu jetten, um vor 1-Prozent-Proleten herumzuhampeln. Oder ein Album zu produzieren, das wie ein Querschnitt durch die Beatport-Charts schmeckt. Irgendwann ist da was verloren gegangen. 'You Are Safe' von 2017 war Arbeiten im eigenen Wirkungsbereich. Die drei Keinemusik-Guys besannen sich auf das, was sie beherrschen und suchten darin den gemeinsamen Nenner. Nicht umsonst stehen sie auf dem damaligen Cover nebeneinander, während sie sich auf 'Send Return' überlagern und zu einer Person verschwimmen. Das muss nicht schlecht sein – Leute passen sich an, inspirieren sich gegenseitig, werden eins –, führt im Falle des neuen Albums aber zu einem gestreamlineten Release, bei dem nur die Marketingchefin drei Flaschen Schampus köpft.

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