Test: Arturia Minifreak / polyphoner Hybrid-Synth

Test: Arturia Minifreak / polyphoner Hybrid-Synth

Tests. 25. März 2023 | 4,8 / 5,0

Geschrieben von:
Jakob Weber

2019 stellte Arturia den Desktop-Synthesizer Microfreak vor, der nach wie vor mit einem kompakten Format, innovativen Features und einem fairen Preis begeistert. Nun wächst Micro zu Mini und der französische Hersteller schickt mit dem neuen Minifreak einen größeren Freak ins Rennen. Ob der Minifreak nur ein optimierter Microfreak in neuem Format ist oder der Synth uns mit neuen Features abholt, wird dieser Test zeigen.

Quick Facts

  • Sechsfache Polyfonie
  • 37 anschlagdynamische Keys mit Aftertouch
  • Zwei Sound-Engines mit jeweils 22 wählbaren Oszillator-Modi
  • Dreistufige Effekt-Sektion mit 10 Algorythmen
  • VST Minifreak V als Software-Pendant

Verarbeitung und Haptik

Die Verarbeitung des Minifreaks macht, insbesondere wenn man ihn mit dem Microfreak vergleicht, einen hochwertigen und sehr soliden Eindruck. Das Untergehäuse ist aus Metall gefertigt, die Oberfläche aus massivem Kunststoff in matter Optik. Die verbauten Encoder aus Kunststoff wirken ebenfalls solide und verfügen über einen guten Widerstand beim Drehen. Einzig die Plastik-Buttons, die beispielsweise zur Auswahl der Oktave genutzt werden, haben einen auffällig harten Druckpunkt und geben ein lautes Klickgeräusch von sich, das bei mehrmaligen Drücken hintereinander schon mal etwas nerven kann. In Summe ist die Verarbeitungsqualität des Minifreaks für seinen Preis absolut überzeugend.

Mit Abmessungen von 231 x 578 x 55 mm ist der Minifreak bei einem Gewicht von 2,94 kg noch immer eher ein Leicht- als ein Schwergewicht. Gemessen an seinen Features besitzt der Synthesizer damit eine gute Portabilität, verfügt jedoch nicht mehr über das von vielen so geschätzte „Rucksackmaß” seines kleineren Vorgängers. Die Rückseite des Geräts liefert dafür nun alle wichtigen Anschlüsse, die man sich bei einem Gerät dieses Formats wünscht: ein symmetrisches Stereo-Out, USB, MIDI-In, -Out und -Trough, Pedal, Audio-In und Clock. Damit ist der Minifreak im Vergleich zur Micro-Variante deutlich einfacher in unterschiedlichste Studio-Setups zu integrieren.

Arturia MiniFreak von oben.

Mit einem Keybed aus 37 anschlagdynamischen Tasten ausgestattet, kommen beim Minifreak nun auch diejenigen auf ihre Kosten, die sich mit dem kapazitiven Digital-Keyboard des Microfreaks nicht anfreunden konnten. Die Mini-Keys, die in Größe und Haptik stark an den Arturia Keystep erinnern, haben einen weichen Anschlag und ein sehr angenehmes Spielgefühl.

Ergänzt wird das Keybed durch zwei Touch-Stripes, an die man sich trotz des fehlenden haptischen Feedbacks schnell gewöhnt und die mit enormer Modulations-Power überzeugen. Neben der altbekannten Verwendung als Pitchbend und Modwheel lassen sich beiden Stripes im Macro-Modus mit bis zu vier Parametern belegen oder können im Sequenzer-Modus zur Ansteuerung von Gate und der „Spice & Dice”-Funktion genutzt werden.

Anders als bei physischen Modwheels bleiben die angesteuerten Parameter beim Loslassen der Stripes bei dem zuletzt gewählten Wert stehen, wodurch die Funktionsweise eher mit der von Fadern vergleichbar ist. Damit lassen sich während Live-Performances oder beim Einspielen von Sequenzen spielend einfach Transitions erzeugen – definitiv eines der Features, auf das man schnell nicht mehr verzichten möchte.

Handling und Spielbarkeit

Der Minifreak besticht bereits beim ersten Anspielen durch seine sehr aufgeräumte und gut durchdachte Benutzeroberfläche, die trotz der vielen erweiterten Features im Vergleich zum Microfreak deutlich weniger freaky und stattdessen klar und sortiert daherkommt. Von Modulationsmatrix über LFO-Sektion bis hin zu der neuen Effekt-Bank sitzen alle Sektionen logisch gruppiert genau dort, wo man sie erwarten und am liebsten ansteuern würde.

Etwa ein Drittel der Encoder besitzt eine Mehrfach-Funktion, über die sich durch das Gedrückthalten der links am Gerät platzierten Shift-Taste erweiterte Funktionen ansteuern lassen. Der Workflow des Minifreaks kommt überwiegend ohne mühsames Menü-Diving aus. Die wichtigsten Funktionen und Einstellungen finden sich alle auf oberster Ebene. Dadurch lässt sich der Freak nach einer gewissen Eingewöhnung auch ohne ständigen Blick auf das Display angenehm intuitiv programmieren und spielen.

Die Größe des OLED-Screens in der Mitte des Gerätes ist identisch zu dem des Microfreaks. Neben der funktionalen Anzeige von Parametern und Modulations-Routings sorgen kleine Animationen im Pixelart-Stil bei der Auswahl von Oszillatoren und Effekten für einen gewissen Augenschmaus. Der Bildschirm selbst ist klar, gut lesbar und bei normalem Betrachtungsabstand völlig ausreichend, um alle wichtigen Parameter im Blick zu behalten.

Beim Live-Einsatz des Synths in einer von Nebel durchfluteten Bühnensituation dürfte man mit der Screengröße dann jedoch schnell an seine Grenzen stoßen. Fair enough: Wie bereits erwähnt folgt der Minifreak eher einem Designkonzept, bei dem der Bildschirm eine untergeordnete Rolle spielt, zumal das VST als erweitertes Interface gerade in solchen Fällen eine nützliche Hilfe sein kann.

Oszillatoren

Herzstück des Minifreaks sind zwei digitale Sound-Engines mit insgesamt 22 wählbaren Oszillatormodellen. Darunter finden sich klassische Oszillatorentypen, wie beispielsweise Superwave und Noise. Wie auch schon bei seinem kleineren Vorgänger hat der Minifreak mit den von Noise Engineering und Mutable Instruments entwickelten Osc-Modi außerdem mehrere unkonventionelle Syntheseformen an Bord, wie beispielsweise einen Speech- oder Modal-Oszillator. Zusätzlich verfügt der Minifreak über einen nützlichen Audio-In-Modus, bei dem ein Oszillator als Mono-Input für externe Soundquellen verwendet werden kann, die dann wiederum im Minifreak parametrisch bearbeitet werden können.

Bereits aus dieser Kombination von klassischen und experimentellen Synthese-Typen lässt sich ein beeindruckendes Spektrum an Tönen aus dem Gerät zaubern. Neben der bewährten Verwendung zweier voneinander unabhängig arbeitender Soundquellen verfügt der Minifreak zudem über fünf neue Effekt-Oszillatoren. Hierbei wird der zweite Engine-Slot dazu verwendet, den Audio-Output des vorgeschalteten ersten Engines weiter zu formen und zu modulieren. Damit lässt sich der Klangcharakter klassischer Oszillatoren in unterschiedlicher Weise bearbeiten, wodurch eine Bandbreite interessanter und sehr eigenständiger Sounds und Texturen möglich wird.

Envelopes und Modulationsmatrix

Der Minifreak verfügt über zwei Hüllkurven-Generatoren, die zeitgleich verwendet werden können: Eine klassische ASDR-Hüllkurve und einen Cycling Envelope, also einer zyklischen Hüllkurve, die wahlweise einmal getriggert (Env), als andauernder laufender Zyklus (Run) oder als Loop pro Stimme (Loop) verwendet werden kann. Ergänzend zu den beiden LFOs kann der Cycling-Envelope als Modulationsquelle verwendet werden und hilft so dabei, den digitalen Sounds des Minifreaks zusätzliche Komplexität und ein organisches Eigenleben zu verpassen.

Die beiden LFOs verfügen neben allen klassischen Wellenformen die Möglichkeit, eigene Wellenformen zu erstellen. Das Kurvendesign kann auf dem kleinen Bildschirm durchaus zu einer etwas mühsamen Fingerübung werden, wird aber mit sehr individuellen und organisch klingenden Ergebnissen belohnt.

Die Modulationsmatrix selbst nimmt optisch zwar nur einen vergleichbar kleinen Platz auf der Oberfläche des Minifreaks ein, spielt jedoch eine große Rolle dabei, dem kompakten Gerät seine namensgebende Freakiness zu verleihen. Mit insgesamt sieben Quellen und 13 ansteuerbaren Parametern ist hier so einiges möglich, zumal drei der Modulationsziele völlig nach eigenem Gusto belegt werden können – auch alle Effekt-Parameter sind dabei potenziell ansteuerbar.

Die Auswahl von Modulationsquelle und -ziel geschieht über einen zentralen Drehregler. Durch das Drehen des jeweiligen Encoders wird der Parameter vom Minifreak eigenständig erkannt und als Modulationsziel zugewiesen, was das Arbeiten mit der Matrix schnell und einfach gestaltet. Kleine aufleuchtende LEDs signalisieren, bei welchen Quellen eine Zuordnung besteht.

Sequenzer und Effekt-Sektion

Der Minifreak verfügt über einen leistungsfähigen Step-Sequenzer, der Patterns mit bis zu 64 Steps (inklusive Time Division) erlaubt und mit vier entsprechenden Modulationsspuren zu deutlich mehr als dem Einspielen rigider Loops in der Lage ist. Die Programmierung kann auf zwei Wegen erfolgen. Zum einen ist es möglich, die einzelnen Steps auf berührungssensitiven Tasten oberhalb der Tastatur einzugeben, die im Arp-Modus zeitgleich als Steuerzentrale der Arp-Modi fungieren. Zum anderen können Sequenzen klassisch per Echtzeit-Recording aufgenommen, im Nachgang bearbeitet oder per Overdub korrigiert werden.

Ein weiteres großes Novum im Vergleich zu seinem kleineren Vorgänger ist die Effekt-Sektion. Diese bietet insgesamt drei Effekt-Slots, von denen jeder mit jeweils einem von insgesamt 10 Effekt-Typen belegt werden kann: Chorus, Phaser, Flanger, Reverb, Delay, Distortion, Bitcrusher, 3-Band EQ, Peak EQ und einem Multicompressor. Gerade die Stereo-Effekte helfen enorm dabei, den Sounds des Minifreaks zusätzliche Tiefe zu verleihen und überzeugen allesamt mit einem sehr guten Klang. Die Effekt-Parameter lassen sich über drei Potis nach Bedarf präzise ansteuern und per Send-Regler dosieren. Beim Speichern eines Presets werden alle Effekteinstellungen in den jeweiligen Patch übernommen, was beispielsweise bei der Verwendung von genau getakteten Delay-Times sehr praktisch ist.

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Mehr Informationen

Sound

Bereits beim Anspielen der ersten 10 der insgesamt 256 Factory-Presets wird klar: Der Minifreak verfügt über ein enormes Spektrum an erzeugbaren Klängen. Von verzerrten Bass-Plugs über organisch-texturierte Pads bis hin zu metallisch-perkussiven Drumsequenzen – der Synth kann nahezu alle Arten von Sounds erzeugen, die man sich vorstellen kann. Aber genügt diese Bandbreite bereits, um den Freak im Namen des Gerätes zu rechtfertigen?

Während sich auch lineare Sounds mit schönem Klang im Handumdrehen erzeugen lassen, lädt das Design des Gerätes tatsächlich schnell zu Sound-Experimenten auf unbekanntem Terrain ein. Durch die einfach zugänglichen Modulations- und Randomisierungsmöglichkeiten wird es dabei auch schnell mal spaßig chaotisch. Dasverbaute analoge Multimode-Filter sowie die zuschaltbaren Effekt-Ketten helfen enorm dabei, den oft metallisch klingenden und zuweilen etwas ungebändigten Sounds der digitalen Oszillatoren eine gewisse Wärme zu verleihen und klanglich abzurunden. Durch diese Kombination besitzt der Minifreak durchaus einen Sound-Charakter mit Wiedererkennungswert.

Alternativen

Fazit

Der Arturia Minifreak ist genau wie sein kleinerer Vorgänger ein Hybrid-Synth mit einem enormen Soundpotenzial in noch immer sehr kompaktem Format. Durch seine intuitive Bedienungsweise lässt sich mit dem Gerät bereits ohne breites Vorwissen und Blick in das Manual eine Menge Spaß haben. Um jedoch das volle Potenzial und die tieferliegenden Features des Minifreaks kennenzulernen, empfiehlt sich ausdrücklich ein Blick in das Handbuch. Die Kombination aus dualer Oszillatoren-Power, der mehrstufigen Effekt-Sektion und den vielen Performance-Features macht den Minifreak zu einem kompakten Alleskönner, der für seinen Preis wenige Wünsche offen lässt. Dabei bietet er genau das richtige Maß an Tiefe, um komplexe Sounds erzeugen zu können, ohne dass der Workflow dabei sperrig und unnötig kleinteilig wird. Mit seinem Fokus auf Performance-Tauglichkeit unterscheidet sich der Minifreak deutlich von seinen Konkurrenten, wie etwa dem ASM Hydrasynth Explorer, der mit Wavetable-Synthese dagegen präzisere Sounddesign-Möglichkeiten bietet. Der Minifreak ist eine überzeugende Weiterentwicklung des bereits bewährten Microfreak-Konzepts und wurde an genau den richtigen Stellen aufgerüstet und um neue Features erweitert, ohne dabei die Daseinsberechtigung seines Vorgängers infrage zu stellen. Wer sein Studio nicht regelmäßig im Rucksack transportiert, dem sei durchaus zu diesem größeren der beiden Freaks geraten.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
4,5 von 5,0
Klang:  
4,5 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,5 von 5,0

Pro

Großes Soundpotenzial in kompaktem Format
Hands-on-Workflow
Flexible Effekt-Sektion mit hervorragendem Klang
Leistungsfähiger Step-Sequencer mit vielen innovativen Performance-Features
Gute Integration in hybride Setups durch Minifreak V als Software-Pendant

Kontra

Kleiner OLED-Screen
Dreioktaviges Keybed limitiert den Einsatz für Live-Performance

Preis:

555 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Arturia.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit arturia , MicroFreak , MiniFreak , Polyphon , Synthesizer

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