Erfahrungsbericht: DIY and Synth Meetup – Komm und patch mit uns!
© Nina Buttendorf

Erfahrungsbericht: DIY and Synth Meetup – Komm und patch mit uns!

Features. 26. November 2023 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Pia Rothermund

Module löten, Euroracks patchen, mit einem 3D-Audio-System arbeiten: Am 28. Oktober versammelten sich Gearheads zum ersten DIY and Synth Meetup im Leipziger ZiMMT. Unter der Regie von Exploding Shed wurde ein Tagesprogramm rund um technische und zwischenmenschliche Connections auf die Beine gestellt.

Der Weg, das Ziel und die Begrüßung

Es ist Samstagmorgen, am Leipziger Hauptbahnhof tummeln sich Menschen unter Vordächern und in den Eingangshallen. Draußen fallen dicke Tropfen aus dunklen Wolken, ein vorbildhafter Schlechtwettertag. Sehnsüchtig denke ich an mein Bett, aber nur kurz, dann überwiegt wieder die Vorfreude auf die kommenden Stunden. Also durch den Regen zur Straßenbahn, auf den letzten Metern zu Fuß finde ich mich in einer kleinen Truppe Menschen mit demselben Ziel wieder: das Zentrum für immersive Medienkunst, Musik und Technologie Leipzig, kurz ZiMMT

Vor fünf Jahren haben die Gründer:innen des ZiMMT auf dem Kreativhof im Leipziger Osten ein Studio für 3D-Audio eingerichtet, seit 2020 hat das ZiMMT auf dem Gelände seine Räumlichkeiten in einer ehemaligen industriellen Kranhalle. Es bietet Platz für wechselnde Ausstellungen, Konzerte und Performances, es ist Galerie, Produktionsort, Forschungslabor und Netzwerk in einem. Dort versammeln sich heute an Musik und Technik interessierte Menschen für einen mit Workshops gefüllten Tag rund um DIY, Modular Synths und 3D-Audio. Es ist das erste Mal, dass ein Meetup dieser Art und in diesem Umfang dort stattfindet. 

Durch das Tor geht es vorbei an nackten Backsteinwänden, hinein ins Vergnügen. An der Tür hat sich eine kleine Schlange gebildet, die Teilnehmer:innen tauschen Namen gegen Begrüßungsgeschenke. Wenige Minuten später sitze ich, mit einem Pack Stickern und Infozetteln in der Hand, in der renovierten Kranhalle und warte. Unter der hohen Decke ziehen sich grüne und rote T-Träger entlang, an denen Scheinwerfer, Beamer und vor allem Lautsprecher angebracht sind.

Wir sitzen im Herzstück des ZiMMT, den Hals verrenkend zähle ich die 32 Lautsprecher des 3D-Audio-Systems. Währenddessen laufen die letzten Vorbereitungen. Der von Schneidersladen angebotene Modular Patching Workshop wird hier gleich stattfinden und auf einer Leinwand fummeln überdimensional große Hände an einem ebenso großen Eurorack herum. Nach und nach füllen sich die aufgereihten Stühle, das Geräusch von scharrenden Füßen nimmt zu, Geflüster eher weniger.

DIY and Synth Meetup Präsentation.

Viele der Anwesenden kennen sich noch nicht, genau wie ich haben sie den Weg hierher alleine gewagt. Eventuelle Nervosität wird bei der Begrüßung durch die Veranstalter, Lukas vom ZiMMT und Manu von Exploding Shed, schnell genommen. Sie unterstreichen, dass die ZiMMT-Community einen Raum für Vernetzung und Austausch bietet. Manu erzählt, dass die Superbooth als Treffpunkt für Analog-Gear-Enthusiasten die Idee für das Meetup geweckt hat. Bei der Erwähnung der Superbooth geht ein wissendes Raunen durch den Raum, hier und da nicken Köpfe.

Spürbar lockert sich die Stimmung, wir bewegen uns alle auf gleichem Terrain, sind Gleichgesinnte. Exploding Shed bieten an ihrem Standort in Leipzig seit 2012 Workshops an, die Organisation des heutigen Tages ging von ihnen aus. Mit dabei sind neben Exploding Shed und Schneidersladen noch Error Instruments, Mazetools, Grapes und Erica Synths, vertreten durch Moritz Klein. Die große Gruppe, die wir gerade bilden, teilt sich in die einzelnen Workshops auf. Jetzt geht’s los.

Moritz Klein x Erica Synths DIY Workshop – das Kennenlernen, YouTube und Intentionen 

In einem kleinen, steril weißen Nebenraum versammelt sich die Workshopgruppe "Moritz Klein x Erica Synths DIY". Auf uns warten ein reich gedeckter Tisch – neun Kick Drum Kits, sorgfältig platziert, eins für jede:n Teilnehmer:in – und Workshopleiter Moritz Klein. In der obligatorischen Vorstellungsrunde erfahren wir etwas über einander und etwas mehr über Moritz. 

Seit Anfang letzten Jahres entwickelt er mit Erica Synths zusammen DIY-Kits, die durch ausführliche Erklärungen und mit Zuhilfenahme eines Breadboards ein grundlegendes Verständnis für analoge Synthesizer-Schaltungen vermitteln sollen. Zu der Kollaboration kam es, als Erica Synths auf Moritz’ YouTube-Kanal aufmerksam wurde. In seinen Videos erklärt er Schritt für Schritt den Auf- und Zusammenbau verschiedener Elemente der modularen Synthese anhand eines Breadboards. Anhand von Grafiken und Animationen bricht er komplexe Schaltkreise so weit herunter, dass selbst Laien folgen können.

Sein Wissen über Elektronik hat Moritz sich selbst angeeignet, nachdem er für seinen Master in Kulturwissenschaften nach Berlin zog. Als seine Suche nach Bandmitgliedern erfolglos blieb, weil die Hauptstadt – surprise, surprise – von DJs und Produzent:innen dominiert wird, fügte er sich und fand mit dem MS-20 Mini eine neue Faszination. Das Patchen weckte bei ihm die Neugier herauszufinden, was genau bei der Klangerzeugung vor sich geht. Wie seine Zuschauer:innen heute saß Moritz mit einem Breadboard vor dem Computer und klickte sich immer tiefer in die YouTube-Rabbit-Holes.

Aus der Runde kommt die Frage, warum er angefangen hat, selbst Videos zu kreieren und hochzuladen: "Ich habe am Anfang gemerkt, dass ich das Ganze besser verstehe, wenn ich es selbst erkläre. Ich habe dann ganz kleine Workshops gegeben, obwohl ich selber noch null Plan von nichts hatte, aber trotzdem kamen Leute. Und dann ging die Pandemie los und ich konnte das nicht mehr machen".

Der Austausch mit anderen musste online stattfinden. Videos auf YouTube hochzuladen war eine Notlösung. Die rasante Entwicklung vom ersten Video vor dreieinhalb Jahren zum letzten mit mehr als 450.000 Klicks sei quasi ein netter Nebeneffekt gewesen. "Am Anfang dachte ich, wenn zehn Leute zuschauen, bin ich zufrieden."

Alle im Kurs kennen seine Videos. Während bei den meisten von uns das Interesse an der Technik durch das Musikmachen geweckt wurde, ist es bei einem Teilnehmer ganz anders. Mit elektronischer Musik hat er nichts am Hut, es war der YouTube-Algorithmus, der ihn zu Moritz’ Video über den Bau einer Kick Drum führte. Sein Fazit: "Okay, ich sollte schlafen, aber das würde ich auch gerne mal machen". Doomscrolling nachts im Bett kann also auch ein positives Outcome haben. Preach the reach oder so.

Das Kit, der Rhythmus und erste Schritte

Nachdem wir uns alle ein bisschen besser kennengelernt haben, richtet sich die Aufmerksamkeit auf die unscheinbaren Pappschachteln vor uns. Das schwarz-weiße Label verrät, was sich im Inneren verbirgt: EDU DIY KICK DRUM. Daneben liegen ein Breadboard und die Jumper-Kabel. Wir befreien den Inhalt aus den Verpackungen, knisternd öffnen sich Ziplocs, das Inventar wird begutachtet. 

Die Wissensstände und Erfahrungen mit der Arbeit am Breadboard und dem Lesen von Schaltkreisen variieren. Zum Warm-up geht Moritz deshalb die einzelnen Komponenten mit uns durch, erklärt Symbole und Fachbegriffe, und zeichnet den ersten, simplen Schaltplan an das Whiteboard. Konzentrierte Stille erfüllt den Raum, Köpfe beugen sich tief über die Tische, um Schusselfehler beim Stecken zu vermeiden. Die kleinteilige Arbeit am Breadboard erfordert Fingerspitzengefühl und Geduld. Nach und nach arbeiten wir uns durch wachsende Schaltkreise, Moritz‘ Worte lösen unser Werkeln ab und andersrum, ein gleichbleibender Rhythmus.

DIY and Synth Kit 2.
DIY and Synth Kit.
© Nina Buttendorf

Wer nicht weiterkommt, tauscht sich mit seinen Sitznachbar:innen aus. Seine Erklärungen formuliert Moritz ausführlich und verständlich, sodass man ihm leicht folgen kann. Außerdem ermutigt er immer wieder dazu, Fragen zu stellen, macht Check-ins, ob alle mitkommen und ist in den Arbeitsphasen aufmerksam bei uns und immer bereit zu helfen. Er weiß, wovon er redet, was er macht und vor allem macht er es gerne, das ist offensichtlich. 

Der Weg zum Sound 

Die Zeit vergeht wie im Flug, schon ist Mittagspause, es wird Pizza gegessen und gequatscht. Dann folgt der erste Soundcheck mit gesteckten Boards, und tatsächlich presst der Lautsprecher zwei dumpfe, aufeinanderfolgende Geräusche raus. Wir sind auf dem richtigen Weg und folgen Moritz weiter durch das mit Schalt- und Bauplänen geschmückte Manual. Wie eliminieren wir den ungewollten zweiten Sound? Was passiert, wenn Bauteile getauscht oder ersetzt werden? Womit verändere ich den Pitch? Wie manipuliere ich Decay?

Immer wieder jaulen und knattern die Boxen, gespannt beobachten alle die wachsende Schaltung und hören auf den sich ändernden Sound. Je weiter wir voranschreiten, desto komplizierter werden die technischen Erklärungen und Zusammenhänge. Nach sechs Stunden Workshop ist die Aufnahmefähigkeit strapaziert. Konzentration ist das A und O, das lerne ich auf die harte Tour, denn in einem Moment der Unaufmerksamkeit brenne ich meinen Chip durch. Tja, das wars erstmal mit Kick Drum. 

© Nina Buttendorf

Der Tag neigt sich dem Ende, die Tische leeren sich, die Stimmung ist entspannt. Zufriedenheit und Erschöpfung hängen in der Luft. Während Nummern getauscht werden und sich die ersten verabschieden, werten die übrig Gebliebenen den gemeinsam verbrachten Tag aus. Der Tenor ist durch und durch positiv, es werden letzte Tipps und Tricks verraten, Anekdoten geteilt und immer wieder Fragen an Moritz gerichtet, der genau so neugierig zurückfragt. 

Schließlich löst sich unsere kleine Gemeinschaft auf. Der Weg nach draußen führt wieder durch die große Halle, in der einige Teilnehmer:innen der anderen Workshops zusammensitzen und erzählen. Mein Kopf ist zum Bersten gefüllt mit neuem Wissen und die Sehnsucht nach meinem Bett schleicht sich langsam wieder ein, die Workshopstunden fordern ihren Tribut. Der Entschluss, weiteres Networking auf ein nächstes Mal zu verschieben, trifft sich deshalb von selbst. Glücklich trete ich den Heimweg an. Der Chip will ersetzt werden, der Lötkolben ruft, aber nicht mehr heute.

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