GEMA, Geld und Gerechtigkeit

GEMA, Geld und Gerechtigkeit

Archiv. 14. März 2013 | / 5,0

Geschrieben von:
Olaf Hornuf

April, April und doch kein Scherz. Am 01.4. soll nämlich der neue GEMA Tarif VR-Ö in Kraft treten. Eine Betrachtung dazu.  Wo fange ich an? Vielleicht zu Beginn des Jahres, als drei Buchstaben und ein Bindestrich sich langsam als nicht ganz unbedeutend für zukünftiges DJ-Dasein herauszuschälen begannen.  VR-Ö, ein neuer Tarif der GEMA. Wir erinnern uns: die GEMA ist die Stelle, welche sich darum kümmert, dass die Urheber musikalischer Werke auch morgen noch Butter auf dem Brot haben. Manche mehr, manche weniger, manche nur Brot, manche nicht mal das. Wer kein Brot hat, soll Kuchen essen! Sagte Marie Antoinette und verlor den Kopf. Gerechtigkeit - you know? Darauf komme ich aber später zurück.

Die GEMA ist auch der Verein, in wörtlicher Bedeutung und nicht abwertend,  welcher im vergangenen Jahr versuchte die Gebühren für Veranstaltungen massiv zu erhöhen, wobei die Segel nach kräftigem Gegenwind, aus Richtung der betroffenen Clubs, gestrichen wurden. Vorerst.
Wie man heute erfahren durfte, halfen diese Veranstalter nun dabei, dass der schwarze Peter an die DJs weitergeht. Danke Freunde. Mit dem Tarif VR-Ö will die GEMA nämlich die Veranstalter von dem derzeit fälligen "Laptopzuschlag" befreien. Dieser wurde in Höhe von 30% auf die, für eine Veranstaltung zu zahlende GEMA-Gebühr fällig, wenn der DJ einen Laptop, einen USB-Stick oder gebrannte CDs zur öffentlichen Musikwiedergabe nutzte.  Ansprechpartner war hierbei immer der Veranstalter. Das soll sich nun ändern. Der Veranstalter soll für die Aufführung von musikalischen Werken zahlen, der  "Vervielfältiger" (der DJ), soll eventuell erstellte Kopien lizenzieren.

Dafür muss der DJ sich bei der GEMA registrieren. Pro kopiertem Musikwerk (also wenn eine Datei kopiert oder von CD gerippt oder Vinyl digitalisiert wird) sind einmalig 0,13 Euro netto zu entrichten.  Für Musik, die man schon vor dem 01.04. auf der Festplatte hat, ist eine pauschale Vergütung in Höhe von 125 Euro netto vorgesehen. Unabhängig von der Anzahl der Tracks. Einen Nachweis über die Lizenzierung scheint es nicht zu geben, außer - wahrscheinlich - einer Rechnung. Titelnamen oder Interpreten sind für die GEMA offensichtlich uninteressant, was sehr schade ist.  

Mit wem haben die eigentlich verhandelt? Dem Ministerium für Musikabspielwesen? Der DJ-Gewerkschaft? Fast: die harten Hunde am Tisch waren der BVMV und der BVD.  BVMV? ... da musste ich Google fragen, wollte ich doch wissen, wer da über Gelder bestimmte, die ich in Zukunft abdrücken darf. Moment .. Basketballverband Mecklenburg-Vorpommern? Der ist zwar das erste Suchergebnis, aber sicher der "falsche BVMV". Gemeint ist bestimmt die Bundesvereinigung der Musikveranstalter. Schau da: der, der kassieren will, verhandelt mit dem der nicht mehr zahlen muss, darüber was in Zukunft zu zahlen ist. Ist es vermessen zu fragen: "Warum wird nicht mit dem verhandelt, der zahlen soll?" Okay, der BVD, als Bundesverband der Discjockeys saß auch mit am Tisch, aber außer, dass die irgendwas mit "Diskjockey" heißen, haben die mit mir nichts zu tun. Mal ehrlich: wenn ich zur Musikmesse deren Stand sehe, sehe ich eine andere Welt.

Was mich zur nächsten Frage führt: "Wie will die GEMA mich eigentlich verbindlich und verpflichtend über ihre Forderungen informieren?" Ich bin weder Mitglied im BVD noch im BVMV und auch meine Mutti, die gute, hat mir nicht mehr soviel zu sagen. Bleibt der Veranstalter. Der spart ja nun auch Geld, das könnte er mir gleich, von mir aus auch teilweise, auszahlen. Ich gebe das dann an die GEMA weiter und die an den, dessen Musik ich spiele. Träumer. Ich.

Thema Geld, Thema Baauer.  "Harlem Shake" - schrecklich ... ick weeß. Aber Nummer 1 der Billboard Charts, weil da jetzt auch Youtube Plays zählen. In Deutschland anno 2013 schon aus einem Grund nicht denkbar, der auch mit der GEMA zu tun hat. Baauer also -  als der New Yorker DJ vor nem Jahr seinen Trap Shit gebastelt hat, dachte er wohl nicht, dass mal ein Virus um die Welt und die Nummer daraufhin in die Charts gehen würde. War dem sicher auch egal, nun nicht mehr. Denn Charts = Fame und Fame = Money. Umgangssprachlich sagt man zwar, seit die Römer auf Pisse Steuern erhoben, Geld stinkt nicht, aber irgendwie lockt es trotzdem die an, die verdienen wollen. Manchmal unverdient. In diesem Fall zwei weniger bis gar nicht bekannte Künstler, denen Baauer die Stimmen geklaut hat. Hector "Con Los Terroristas" Delgado und Jayson "Do The Harlem Shake" Musson wollen ihr Stück vom Kuchen und damit hab ich gleich mal ein Bild. Apropos Bild ... Andy Warhol hat ein Foto von Marylin Monroe genutzt, um durch Veränderung was Neues zu schaffen. Hätte der nicht selbst ein Bild malen müssen? So was richtig eigenes? Ist das trotzdem Kunst? Ob das jemals im Museum hängen wird? Aufgabe: übertragen Sie den Gedankengang auf Musik!

Zurück zum Kuchen, diesen zu verteilen ist nämlich Sache der GEMA. Auch für Latinos oder Amerikaner, weil da vertritt man sich gegenseitig international. Nehmen wir mal an, in dunklen Underground-Läden lief der "Harlem Shake" schon vor einem Jahr, als er als Freedownload erschien.  Dann zahlte der Veranstalter - aufgrund der sogenannten GEMA Vermutung - Gebühren dafür an die GEMA. Indirekt, weil es wird ja nicht per Song abgerechnet. Um es mal anschaulich zu gestalten: pro Abend zahlt der Veranstalter 100 Euro an die GEMA,  es liefen 200 Songs, einer davon war der "Harlem Shake". Macht unterm Strich also 0,50 Euro dafür. Und sagen wir, das fand  zweitausendmal in verschiedenen Clubs und zu verschiedenen Zeiten statt. Dann reden wir über 1000 Euro, die der "Harlem Shake" (fiktiv) im letzten Jahr eingespielt hat und die zu verteilen wären. Preisfrage: Wieviel davon kam bei Baauer an? Ich vermute: nix, da es ja ein Freedownload war. Eigentlich GEMA-frei, was der Künstler aber jedem Veranstalter hätte persönlich bestätigen müssen - und selbst dann hätte die GEMA abkassiert. GEMA-Vermutung again!. Aber - um es noch verwirrender zu machen - irgendwie war dieser Song ja auch nicht wirklich GEMA-frei, weil ja - mit den Stimmen von Delgado / Musson  - vermutlich GEMA-pflichtiges Material verbaut wurde. Vermutung again! Was aber wiederum bis einem bestimmten Bekanntheitsgrad niemand interessierte. Auch ne Vermutung!
Fazit: Ein hochkomplexes Thema - das Internet mit seinen nonphysischen Tonträgern, Hypes in sozialen Netzwerken und ähnlich modernem Scheiß, wo man nicht tun kann, als wären wir in den Siebzigern, als die  Schallplatte nur die Kassette zum Gegenpart hatte. Dem versucht die GEMA auch mit dem Tarif VR-Ö gerecht zu werden. Wobei gerecht hier nicht Gerechtigkeit meint. Die versuchen es einfach, aber ist es zielführend über die Farbe von Dachziegeln zu sprechen, bevor die Grundmauern richtig stehen?  Und dann noch mit einer Tiefbaufirma, statt mit einem Dachdecker?

Bevor ich mich in Zahlen verliere: ich bin dafür, dass Urheber honoriert werden.  Definitiv, gerecht und direkt - nämlich über eine Abrechnung per Playlist. Dank Shazam und Playlist-Features in jeder Software keine Aufwand. Die GEMA nimmt sogar selbst das Wort "Datenbank" in den Mund. Aber ist der bei der GEMA gemeldete Urheber immer der, der das Geld wirklich bekommen sollte? Dazu eine Story. The Verve nutzten für "Bitter Sweet Symphony" ein Sample des Rolling Stones Songs "The Last Time", jedoch  in der Coverversion des Andrew Oldham Orchestras. Das wurde sogar vorab geklärt, jedoch nutzten The Verve- nach Meinung der Rechteinhaber und des angerufenen Gerichts - "zu viel" und mussten ordentlich (nach) zahlen. Besonders "schön" an diesem Beispiel ist, dass The Verve nicht mal das Original verwurstelten und die Stones sich bei der Erschaffung von  "The Last Time" dreist an einem Gosplesong der Staple Singers bedienten. Nur hatten sich die Herren Richards / Jagger als Urheber eintragen lassen. Tja, Pech für den Neger (Ironie!, für die ohne Detektor) - das kennt man auch von Frank Farian und The Melodians bei "Rivers Of Babylon". Irgenwie sehe ich hier Ähnlichkeiten zu dem, was mit Monsanto und Co in Sachen Nahrungsmittel läuft. Und da sag ich: fickt Euch ins Knie! 

Jetzt werde ich auch noch hart im Ton, dabei hatte ich nur einige Fragen. Die FAQs, die die GEMA heute zum Tarif VR-Ö mitliefert beantworten bei weitem nicht alles. Fakt ist: ein Download den man zB bei Beatport oder Juno kauft und den man von der Stelle spielt, wohin man ihn gespeichert hat, ist NICHT lizenzierungspflichtig. Gut das ich nur solche Dateien aufführe. Mein Backup ist auch nicht lizenzierungspflichtig, außer ich muss dieses irgendwann mal aktivieren. Dann sind 125 Euro fällig. Das melde ich natürlich umgehend! Ach GEMA. Es ist ein Versuch. Ein ausbaufähiger. Generell halte ich den Weg (der wohl zu einer jährlich zu zahlenden "MP3-Lizenz" führen wird)  für richtig und die Zeit für mehr als gekommen, auf technische Entwicklungen zu reagieren. Die Gelegenheit das System GEMA zu überarbeiten wurde ebenso wenig genutzt, wie die Chance alles etwas transparenter zu gestalten, was nebenbei noch dem anhaftenden negativem Ruf gut getan hätte (Stichwort Playlist). Hätte! ... Hätte meine Oma Räder, wär sie ein Bus!

Mein Hauptkritikpunkt: Es wurde - wie schon bei den Clubs - wieder mit Partnern verhandelt, die allenfalls Minderheiten oder, im Fall BVMV, gar "Bevorteilte" vertreten.  Auch wenn sich die Veranstalter, ob der vermeintlichen Einsparung, die Hände reiben: wetten, dass demnächst der "Aufführungstarif" angehoben wird? Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die GEMA mit dem Tarif VR-Ö mehr Einnahmen erzielt, als mit der bisherigen Pauschale. Aber die Zeit wird es zeigen ... bis dahin pflege ich meine Datenbank.  

  Alles zum Tarif VR-Ö bei der GEMA
  Inspiration beim Guardian

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