Interview: Panthera Krause – Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Interview: Panthera Krause – Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Features. 15. Dezember 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Nastassja von der Weiden

Wenn es neben KANN noch ein weithin bekanntes Label in Leipzig gibt, dann ist das vermutlich Riotvan. Teil des Labels ist der Producer, DJ und Liveact Panthera Krause, der seit mittlerweile 15 Jahren in der elektronischen Musikszene mitmischt. Im November erschien sein erstes Album mit einigen Highlights, die unser Autor Tim Tschentscher in der Review schon sehr treffend und eindrücklich beschrieben hat. Warum Robert aka Panthera Krause Tracks nie von der Festplatte löscht, was es mit dem Bonustrack seines aktuellen Albums auf sich hat, und wie die Kooperation mit einer blinden Flötistin zustande kam, erzählt er uns hier im Interview.

DJ LAB: Du tauchst in verschiedensten Kontexten auf – mal als Live-Act in Clubs, mal als DJ beim Burning Man Festival oder als Grafiker und Illustrator u. a. für Telekom Electronic Beats. Arbeitest du phasenweise nur an Tracks und dann wieder nur an Illustrationen oder parallel?

Panthera Krause: Das ist schon ein organisiertes Durcheinander bei mir. Vordergründig geht es bei mir natürlich um die Musik und in letzter Zeit komme ich für meinen Geschmack viel zu selten zum Illustrieren. Die Musik ist eben gerade mein Hauptberufszweig, der eine Menge Aufmerksamkeit bedarf. Manchmal mache ich zwar zwischendrin noch Plakate, aber ich vermisse gerade die Zeiten, in denen ich viel illustriert habe oder auch mal zwei, drei Tage nur gemalt habe und mir dafür Zeit nehmen konnte.

Wie kam es eigentlich, dass du neben der Musik auch Illustrationen und Grafikdesign machst?

In Erfurt habe ich Geschichte und Kommunikationswissenschaft studiert, in Weimar dann Grafikdesign. Nebenbei bin ich dann in die Musik abgerutscht (lacht). Während des Studiums hatte ich dann eine Band, Marbert Rocel, und ein Projekt mit Mathias Kaden, Karocel, und ab da dachte ich so: Das trägt sich irgendwie und ich setze ganz auf die Musik. Kurze Zeit später gingen dann zwar die Bookings zurück, aber ja: Da fiel die Entscheidung, Musik zu machen.

Mein letztes Interview mit dir fand in deinem Studio in Leipzig statt, das gleichzeitig das Riotvan-Headquarter ist. Wie kamst du zu Riotvan, oder kam Riotvan zu dir?

Sowohl als auch. Ich kam schon, während mein Studium in Weimar noch lief, nach Leipzig. Mit meiner Weimar-WG bin ich in ein Haus in der Karl-Heine-Straße gezogen. In der Wohnung unter uns ist Good Guy Mikesh eingezogen und so waren dort dann ab und zu Filburt und Markus Krasselt (aka Peter Invasion, Anm. d. Red.) zum Musikmachen da. Darüber habe ich dann Markus kennengelernt, der war von meinen Demo-Sachen, die ich damals an Good Guy Mikesh geschickt hatte, begeistert und wollte mit mir eine EP machen. Vor drei Jahren haben wir dann ziemlich viel miteinander rumgehangen und über Labels und Label-Philosophie gesprochen. Da haben wir dann beschlossen, dass wir zusammenarbeiten wollen.

© Sandra Ludewig

Auf besagtem Label ist kürzlich dein erstes Solo-Album erschienen. Wie lange hast du daran gearbeitet?

Ewig (lacht). Um das ein bisschen besser verstehen zu können, muss man vielleicht wissen, dass ich mir eine bestimmte Arbeitsweise angewöhnt habe. Das heißt, ich schmeiße keine Tracks weg, sondern ich hebe alles auf, was ich gemacht habe, und benutze alles, was musikalisch aus mir rauskommt, als großes Archiv. Das heißt, dass auf dem Album Ideen mit drauf sind, die mitunter schon zehn Jahre alt sind. So richtig daran gearbeitet habe ich dann ein Jahr lang, mal in intensiveren und mal in nicht so intensiven Phasen. Und daraus habe ich dann ein Album gemacht – natürlich auch mit neuer Musik von mir.

Und du wolltest von Anfang an ein Album und keine einzelnen EPs rausbringen?

Ja, auf jeden Fall – ich hatte schon lange vor endlich mal ein Album zu machen.

War der November dein Wunschtermin, zu dem das Album erscheinen sollte?

Eigentlich sollte das Album schon im Frühjahr dieses Jahres rauskommen – zu dem Zeitpunkt, als ich das hätte abgeben müssen, habe ich es aber irgendwie geschafft, ein sehr depressives Album zu produzieren, was nicht in den Sommer gepasst hätte. Außerdem waren Markus und ich mit dem Album nicht so ganz zufrieden. Deswegen haben wir dann entschieden ein halbes Jahr dranzuhängen, statt irgendwas raushauen, bloß um es rechtzeitig zu releasen. Und so hat es sich dann nochmal ins Gegenteil gedreht: Jetzt kam nicht die depressive Platte im Sommer, sondern die positive im Winter.

Wie kamst du auf den Albumtitel?

Der Albumtitel stammt von meiner Ex-Freundin, die den Satz auf ihrem Instagram-Account verwendet hatte. Da waren wir schon ein bisschen zusammen, aber das war alles noch nicht so fest – und sie hatte damals Fotos von uns beiden mit dem Satz gepostet: „It’s a business doing pleasure with you“. Den Spruch fand ich toll und habe ihn dann als Albumtitel genommen.

Lass uns über die Geschichten hinter zwei, drei Tracks sprechen. Einer ist ganz klar ein Ohrwurm-Track ab der ersten Sekunde: Birthday Club. Ist der Track auch einer deiner Favoriten?

Ich mag den Track auf jeden Fall sehr, aber einen Lieblingstrack zu haben, ist super schwer, nachdem man ein Album gemacht hat. Das verändert sich auch mit der Zeit. Es ist auf jeden Fall der Track mit der positivsten und mitreißendsten Energie. Er heißt ‚Birthday Club‘, weil ich von meiner Schwester zum Geburtstag Klangröhren geschenkt bekommen habe, mit denen ich den Track ursprünglich mal angefangen hatte. Mittlerweile sind die kein Bestandteil mehr, die sind irgendwann rausgeflogen – aber deshalb hieß der Track Birthday. Dann habe ich den Track clubmäßiger gemacht und ihn dann ‚Birthday Club‘ genannt. Im Nachhinein fand ich die Idee einfach schön, dass es für jeden, der Geburtstag hat, einen Club gibt – idiotisch, aber deswegen so perfekt: Club für jeden.

Und dann gibt es noch einen sehr besonderen Track auf dem Album, Das Schöne Meer Lied. Wie kam es zu dem Feature mit der blinden Blockflötistin Martina Rother?

Die Vocals und die Flötenaufnahmen in ‚Das Schöne Meer Lied‘ sind bestimmt schon acht Jahre alt. Eine sehr gute Freundin von mir hat an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle Modedesign studiert und hat als Abschlussprojekt eine Modenschau mit Menschen mit geistiger Behinderung – ich mag den Ausdruck nicht, weiß aber auch gerade keinen besseren – gemacht und mit ihnen Klamotten entworfen. Wir haben dann zusammen rumgesponnen und hatten die Idee, zu der Präsentation der Mode auch ein eigenes Lied zu haben. Mit Martina Rother, die seit ihrer Geburt blind ist, haben wir dann eine Aufnahmesession gemacht, auf der sie erzählt, wie sie sich einen schönen Tag am Meer vorstellt. Ich war schon immer verliebt in diese Aufnahme, die irgendwie so süß und so schön ist. Die Aufnahme hatte ich also schon lange auf meinem Computer rumliegen und es war von Anfang an klar, dass das ein Teil des Albums werden wird.

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Mit einem Ohr habe ich mitbekommen, dass der Bonus-Track 'Ai Ai Ai Ai Ai Ai Ey', der schon ziemlich weird ist und sich um einen Vocal (“Ai Ai Ai Eh” eben) und Loop dreht, „hart umstritten“ sei. Sagen wir so: Für mich ist es ein Robo-Sounds-Track, der mehr nach Rumprobieren klingt, als nach deiner sonst so gekonnten Leichtfüßigkeit. Aber der Track ist schon auch irgendwie cool und als Bonus-Track auch etwas besonderes. Denn den Track bekommt ja wirklich nur, wer das Album kauft… nur die KäuferInnen können hier also mitreden. Na ja, hast du mit so einem Feedback wie bisher - “umstritten” - gerechnet?  

Im Freundeskreis ist der Track hart umstritten, das stimmt. Das ist jetzt mal ein Track, der noch nicht so alt ist. Ich war im Studio und habe diesen lustigen Vocal-Sound gefunden und habe angefangen, damit rumzuspielen und hatte mich anfangs eigentlich nur darüber lustig gemacht, über diese Art von Musikmachen. An dem gleichen Tag ist daraus ein Track geworden und erst hat der Track mich bewegt, dann fand ich ihn doch wieder zu prollig und zu einfach. Da kämpft es dann doch in mir – man könnte den Track auch falsch verstehen, dass er eben etwas ‚dumm‘ rüberkommt. Aber das ist beabsichtigt. Manche mögen den Track überhaupt nicht und manche finden ihn sehr gut.

Wer hat dir bei der Auswahl für das Album geholfen?

Ich habe die Auswahl gemeinsam mit Markus getroffen. Dann ist aus unserer Auswahl mal was rausgeflogen, mal kam was Neues dazu; es war also sehr prozesshaft.

Allzu viele Meinungen hast du dir also nicht eingeholt?

Ich habe mir bewusst nicht zu viele Meinungen eingeholt. Denn in einer Phase, in der ich Musik mache, lasse ich mich auch schnell verunsichern, gerade von vielen unterschiedlichen Meinungen. Ich bin etwas spät in die Feedback-Schleife eingestiegen, das hätte früher passieren können, so im Nachhinein. Ich habe mir aber drei Menschen herausgepickt, deren Feedback mir wichtig ist und die ich sehr schätze.

Dein Album ist ein bedeutender Meilenstein in deiner Karriere. Welche anderen besonderen Momente in deiner Karriere würdest du nennen? Welche Momente und Einflüsse haben deinen Sound dahin gebracht, wo er jetzt ist?

Ich habe vorhin schon darüber nachgedacht, was ich hier am besten sagen soll. Letztlich ist es ein Mix aus vielen kleinen, unterschiedlichen Dingen, die passiert sind – wenn Sachen mal nicht so gut liefen, wenn sie gut liefen oder auch Enttäuschungen – das ergibt ja schließlich das große Ganze. Gerade Mexiko und das Spielen auf dem Burning Man Festival haben mich für die Zeit nach dem Album musikalisch krass geprägt. Danach habe ich Musik nochmal ganz anders verstehen können. Aber woran ich gerade komischerweise denken muss, ist, als ich mal in Tiflis gespielt habe. Die Party an sich war jetzt nicht so super, aber ich war dort etwas länger, bin mit den Party-Veranstaltenden in einem Hostel gelandet und wir haben dort paar Tage zusammen abgehangen. Das hat mir jetzt vielleicht musikalisch nicht so viel gebracht, aber für mich persönlich war das eine richtig gute Zeit. Und sowas ist auch eine große Motivation: mit der Musik einfach weiterzumachen, weil man solche Dinge erleben darf. Von solchen Momentan gibt es sehr viele.

Von Tiflis nach Leipzig: Wieviel Leipzig steckt in diesem Album? Glaubst du, dein Wohn- und Schaffensort hat sich auf das Album ausgewirkt?

Ja, definitiv, 100 Prozent. Es steckt extrem viel Leipzig in diesem Album. Einerseits das musikalische Umfeld, der Sound, den ich hier auf Partys höre, das spiegelt sich automatisch wider. Auch weil ich mich in Leipzig echt wohl fühle, viele Freunde hier habe und auch die „Abgeschiedenheit“ hier mag. Also dass es nicht nur wie in Großstädten pulsiert, sondern man hier auch so ein bisschen den dörflichen Charakter spürt, zum Beispiel wenn man über die Straße läuft und Leute kennt, sowas. Und dann geht hier halt auch manchmal nichts und man entkommt dem nicht – und die schönen letzten Sommer, die ich hier hatte. Leipzig ist so mein Safe Place. Ich muss hier keine übertriebene Pose einnehmen, ich muss nicht extra arty oder extra dystopisch sein. Ich gehe hier zum Beispiel einfach in Badehose ins Studio und bin glaube ich in Leipzig sehr nah an mir.

© Sandra Ludewig

Was passiert bei dir in der nahen Zukunft? Wo sehen und hören wir dich bald?

Ich spiele demnächst in Budapest, dann mal wieder in Erfurt, im about blank in Berlin, dann geht es von dort aus nach Vietnam zum Epizode Festival. Und für nächstes Jahr stehen noch ein paar Gigs an, wahrscheinlich geht es auch nochmal nach Mexiko. Und natürlich bin ich auch weiterhin am Musikmachen, wie sagt man so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.

Hast du einen DJ- bzw. Producer-Traum? Wo sollte dein Album unbedingt mal laufen oder wo willst du selbst unbedingt mal (wieder) spielen?

Mein Producer-Traum war lange Zeit, mal etwas mit Manfred Krug zusammen zu machen. Ich bin mit seinen Platten groß geworden und mag die Musik. Das hatte ich immer mal als Vorstellung, aber das geht ja nun nicht mehr (Krug ist im Oktober 2016 verstorben, Anm. d. Red.). Seit Längerem denke ich auch darüber nach, etwas von House-Musik wegzukommen und mehr zu singen beziehungsweise mit meiner Stimme zu arbeiten. Zu Hause höre ich auch viel mehr Songs und keine Clubmusik. Mein Producer-Traum wäre also, mich zu trauen, das zu machen. Bei Orten, wo meine Musik mal laufen sollte, fällt mir ein, dass ich mir eigentlich immer mal vorgestellt hatte, wie meine Musik sonntagmorgens beim Nachtdigital läuft – aber das kann ich jetzt auch abhaken (lacht). Ansonsten klar, Panorama Bar und nach Mexiko möchte ich auch gerne nochmal. Ich fände es aber auch cool, einfach überrascht zu werden. Irgendwo hinzukommen, wo man nicht weiß, was einen erwartet.

 

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