Roland TR-909: Fünf prägende Tracks der Kult-Drummachine

Roland TR-909: Fünf prägende Tracks der Kult-Drummachine

Features. 9. September 2022 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Anfang der 1980er sollte das Schlagzeug aus dem Studio verschwinden. Beats kämen nur noch aus der Box, versprach die japanische Firma Roland. Eine Ansage, schließlich landete Roland wenige Jahre zuvor mit der 808 auf dem eigenen Beckenboden – nur wenige Tausend Stück verkauften sich vom Drumcomputer. Doch es kam noch schlimmer. Als die TR-909 im Jahr 1983 auf den Markt brettert, spricht sich in Musiker:innenkreisen schnell herum: Wie ein Drumkit klingt der viereinhalb Kilo schwere Kasten nicht. Im Gegenteil: Basstrommel, Hi-Hat oder Snare scheppern, als hätte sich Phil Collins das Schlagzeugfell über die Ohren gezogen.

Die 909 wird zum Flop. Keine 10.000 Stück verkauft Roland im ersten Jahr. Manche meinen sogar, die Firma habe heimlich Container voller Drumcomputer auf Mülldeponien entsorgt. Wie oft die Roland-Verantwortlichen dafür ihren Kopf auf Tischplatten geprügelt haben, ist nicht überliefert. Einige Jahre später entdecken schließlich ein paar Kids zwischen Detroit und Chicago das Teil und loten seine Möglichkeiten neu aus. Der Rest ist Musikgeschichte. Wer heute eines der wenigen Originale der TR-909 durch Ableton schleifen möchte, verscherbelt eine Niere am Schwarzmarkt. Unter 5000 Euro gehen die Dinger selten weg.

„Wenn du sie spürst, umhüllt sie dich”, hat Frankie Knuckles einmal gesagt. Die Grooves der Chicago-House-Legende swingten fast immer aus der 909 – für Knuckles und viele andere Pioniere der House- und Technomusik ein „heiliges Gerät”, das man „tatsächlich spielen und nicht nur programmieren kann”, wie Jeff Mills betont. Dass der Roland-Drumcomputer in den späten 80er ins Studio von Techno-Producer:innen gehörte wie die Ecstasy-Pille in den Rachen des Ravers, hatte aber auch mit dem Kontostand zu tun. Weil fast niemand den Kasten kaufte, kam man billig an ihn ran. Juan Atkins soll sich seine 909 für keine 50 Dollar in einem Pfandhaus gecheckt haben.

Heute schrauben nur noch Purist:innen am Original. Wer weder die Aura des Vergangen spüren noch eine Lebensversicherung auflösen will, verkabelt Nachbauten von Behringer oder Roland. (LINK zu Artikel: https://www.dj-lab.de/roland-tr-909-die-besten-909-alternativen-und-klone-der-drummachine) Außerdem kommt man leichter an einen Samplepack der 909 als an einem Freitagabend ins Sisyphos. Soll heißen: Um eine Bassdrum zu bauen, die zur Peaktime den Betonmischer anwirft, muss man sich schon länger keinen silbergrauen Staubfänger ins Wohnzimmer stellen. Weil die 909 am 9. September ihren Jahrestag feiert, haben wir trotzdem fünf Originale rausgesucht – klickt euch hier durch die besten Tracks und Videos zur Roland TR-909.

Underworld – Born Slippy

Der Track sei der „Heartbeat” des Films gewesen, sagt Danny Boyle über ‘Born Slippy’ von Underworld. In den 90ern dreht der Regisseur ‘Trainspotting’. Am Ende des Streifens vertschüsst sich Renton zur härtesten Kickdrum des Jahrzehnts. „Ohne der Hartnäckigkeit von Danny wäre es nie dazu gekommen“, sagt Underworld-Hälfte Karl Hyde Jahre später. Mehrere Male habe der Filmemacher bei ihnen für den Track angefragt.

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„Wir haben immer abgelehnt, weil wir dachten, dass es sich um einen drogenverherrlichenden Film handle. Dann haben wir das Buch gelesen – und beim dritten Anruf doch zugesagt“, so Hyde. Inzwischen sind Streifen und Song im Kanon für moderne Klassiker. Bei ‘Born Slippy’ grölen alle „Lager Lager”. Und die 909 drückt noch immer.

Frankie Knuckles – The Whistle Song

Nein, das ist kein Sommermärchen von Bob Sinclair, sondern ein Classic vom „Godfather of House Music”. Frankie Knuckles flötet sich Anfang der 90er durch die Subwoofer der New Yorker Sound Factory. Der ‘Whistle Song’ wird zur Clubhymne. Die Chicagoer Mafia – sie hatte Knuckles Jahre zuvor aus der Windy City verbannt – gießt sich selbst Betonfüße.

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Egal ob man den Track zum Sunrise im Club oder bei der After in einem verrauchten Wohnzimmer hört – siebeneinhalb Minuten verstreichen, als hätte man sich gerade den Trip des Lebens geschmissen. Das Geflöte zischelt über Kicks, Snares und Hats wie eine Demo, die Knuckles extra für die 909 programmiert hat. So basic konnte House sein. So easy hämmert man sich einen Ohrwurm in den Frontallappen.

Gorillaz – Garage Palace

Silberrücken Damon Albarn muss niemandem mehr etwas beweisen. Mit Blur hat er in den 90ern die Gallaghers gecrasht, für die Gorillaz klampft er seit Jahren zwischen Bravo-Hits und Hologramm-Gigs. Dass er das Potenzial der britischen Musikerin Little Simz erkannt hatte, als sie die Festivalbühnen noch nicht als Headliner auseinander schraubte, ist also keine Überraschung.

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Mit ‘Garage Palace’ hat Albarn ihr einen Grime-Track auf den Nordlondoner Akzent geschrieben, für den die 909 zwar keine Überstunden leistet, aber mit Minimalaufwand von einem Bein aufs andere klabautert. Menschen ohne Drang zur Bewegung in den Beinen beginnen nervös mit dem großen Zehen zu zucken. Alle anderen legen mit den Gorillaz die Champagnerbar trocken.

Circuit Breaker – Trac-X

Techno-DJs hassen dich für diesen Trick! Wer den frühen Richie Hawtin aus der Rekordbox zwirbelt, steckt den Hardcore von heute in die linke Plattentasche. Nix mit Segelschuhparty auf Ibiza! Als Circuit Breaker produzierte Hawtin in den frühen 90ern Platten, die ganze Dark Rooms in ihre Einzelteile zerfickten. Mit ‘Trac-X’ blies er die Kickdrum über ihre Belastungsgrenze auf.

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Das Teil spannt – 30 Jahre nach dem Release – noch immer wie ein Kiefer nach fünf bunten Smarties. Kein Wunder, dass der Track damals wie heute zur Peaktime rotiert. Die Eskalation ging seinen Releases als Plastikman voraus. Ein Bänger, der von Minimal kündet. Nie klang die 909 kompromissloser. Nie pushte man sie härter an ihre Limits wie bei ‘Trac-X’ von Richie Hawtin.

Diese Crowd beim Closing von Jeff Mills

Italien, irgendwo in den frühen Morgenstunden. Die Sonne blinzelt durch kleine Fenster, eine Party will nicht enden. Hinter dem Pult steht Jeff Mills und rackert sich an der 909 ab. Seine Finger huschen wie ferngesteuert über die Knöpfe, er nickt – das Publikum flippt aus. Niemand beherrscht die Maschine wie der Wizard aus Detroit. In seinen Exhibitionist-Mixes hat er uns in den White Cube gesteckt und wie ein Professor im Labor erforscht, was sich mit dem Teil anstellen lässt.

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Man könnte von ‘The Bells’ bis zu ‘Metropolis’ jeden einzelnen Release anführen, die der Mann in den letzten 25 Jahren produziert hat: Die 909 stünde im Mittelpunkt. Sogar während seiner Livesets kann er – wie in diesem Clip aus einem italienischen Club – die Finger nicht von der Maschine lassen. Dass die 909 dabei noch nicht in Flammen aufging wie die Stratocaster von Hendrix – ein Wunder!

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