Test: Arturia Pigments 3 / Software-Synthesizer

Test: Arturia Pigments 3 / Software-Synthesizer

Tests. 17. August 2021 | / 5,0

Geschrieben von:
Jan Jankowski

Der französische Hersteller Arturia hat sich im Laufe der letzten Jahre einen beachtlichen Produktkatalog aufgebaut und ist aus der Synthesizer- & Recording-Szene kaum wegzudenken. Das großzügige Line-up des Herstellers umfasst sowohl MIDI-Controller und Audio-Interfaces als auch Synthesizer. Neben all der Hardware ist Arturia jedoch auch für seine Software-Synthesizer, wie beispielsweise die hoch gelobte V-Collection, bekannt und stellt mit Pigments 3 sein jüngstes Release vor. Welche Neuerungen uns zum erst 2020 erschienenen Vorgänger erwarten und ob der renommierte Hersteller seinem Namen auch diesmal gerecht wird, checken wir für euch!

User Interface & Preset Browser

Nach dem Starten der Software fallen der cleane Look und der sehr logische Aufbau des Soft-Synths äußerst positiv auf. Grob erklärt ordnen sich alle Elemente der Klangerzeugung, also die sog. Engines und die FX-Sektion in der oberen Hälfte und alle Quellen zur Modulation und dem Einstellen eben dieser in der unteren Hälfte wieder. In der oberen Leiste finden sich, wie üblich, die Menüleiste samt Settings, Master-Output-Regler und Preset-Browser. Über 1200 Presets aller Couleur werden entweder klassisch über ein Drop-down-Menü in entsprechenden Kategorien (Lead, Bass, Keys, Pad etc.) oder über den erweiterten Presst-Browser angewählt.

Im Preset-Browser schlägt die Software Keywords zum Sound des Presets, beispielsweise “Sub Bass“, sowie den Style (Atmospheric, Complex, Hard etc.) oder ein Musikgenre vor und empfiehlt anhand dieser Kriterien passende Presets. Insgesamt klingen die mitgelieferten Presets im schlimmsten Fall nur “brauchbar“, sind überwiegend jedoch als gut bis sehr gut einzustufen.

Nach kurzem Eingewöhnen erklärt sich der Synthesizer quasi von selbst; nur selten musste ich hier explizit nach speziellen Buttons bzw. Menüs suchen, was in Anbetracht des gewaltigen Funktionsumfangs der Software sehr zu loben ist. Einsteiger:innen in die Welt der Klangerzeugung bietet Pigments 3 zudem ein sehr umfangreiches Tutorial an und erklärt sowohl alle Features des Synthesizers als auch deren praktische Nutzung beim Kreieren eigener Sounds.

 Arturia Pigments 3 Test Preset Browser.
Preset Browser.

Engines

Kern des Synthesizers sind die zwei Engines, die uns ganze vier Typen der synthetischen Klangerzeugung an die Hand geben und sich frei kombinieren lassen. Zur Auswahl stehen hier eine klassische virtuell analoge Synth-Engine, eine samplebasierte Engine, eine Wavetable-Engine sowie die neue Harmonic-Engine, die auf additiver Synthese basiert. Außerdem neu in Pigments 3 ist die dritte, etwas abgespeckte “Utility Engine“, die als eine Art Suboszillator dient und den Sound bei Bedarf mit zwei Noise-Generatoren sowie einem einzelnen digital-analogen Oszillator mit Sinus-, Sägezahn-, Dreieck- und Viereck-Wellenformen unterstützt.

Mit insgesamt vier grundverschiedenen Arten der Synthese bietet Pigments eine Vielzahl an Kombinationen und Möglichkeiten, überfordert bei der Bedienung aber nie. Auch hier punktet das klare, praxisorientierte User-Interface und frustriert Anwender:innen trotz enorm vieler Funktionen der verschiedenen Engines nie mit nervigen Untermenüs und langem Suchen spezieller Features. Blitzschnell lassen sich so beispielsweise die drei Oszillatoren der üppig ausgestatteten, gut klingenden Analog-Engine justieren und Samples (seit Version 3 übrigens auch eigene Samples) der beinahe selbsterklärenden Sample-Engine zurechtstutzen, pitchen und modulieren.

Etwas mehr Einarbeitung bzw. Erfahrung erfordern die Wavetable- und die neue Harmonic-Engine. Zwar ist Wavetable- bzw. Additive-Synthese (Harmonic Engine) meiner Meinung nach etwas komplexer als die “klassische“ subtraktive Art der Synthese, doch schafft Pigments 3 auch hier ein logisches, schnell greifbares Layout und dürfte auch Neulingen nach etwas Einarbeitung (oder wildem Herumprobieren) nach kurzer Zeit brauchbare Ergebnisse liefern.

Ohne den Rahmen sprengen zu wollen (wir wollen schließlich leserlich bleiben) und auf jedes Feature der vier großzügig ausgestatteten Klangerzeuger eingehen zu müssen: Alle vier Engines gefallen mir sehr gut und erfüllen ihren Zweck zu vollster Zufriedenheit. Besonders der jüngste Zuwachs, die Harmonic-Engine, lädt zum Experimentieren ein und ermöglicht, besonders in Kombination mit den anderen Engines, spannende Sounds und ließ mich oft stundenlang in Pigments 3 abtauchen.

Arturia Pigments 3 Test Utility Engine.
Utility Engine.

Filter & Effekte

Der Software-Synthesizer gibt uns zwei separate Filter an die Hand, die sich wahlweise an- und abschalten lassen. Interessant hierbei ist, dass sich vorab für ein Filter-Type entschieden wird. Neben authentisch emulierten Filter-Klassikern wie dem des Jupiter-6 oder das SEM-Filter der Prophet-Serie finden sich auch hauseigene, teils untypische Modelle wie “Formant“ und “Comb“. Seit Pigments 3 ist das Routing beider Filter außerdem etwas vielseitiger gestaltet worden. So lassen sich mit der neusten Version der Software beide Filter pre-FX splitten, wobei hier frei entschieden werden kann welche Effektkette Filter A bzw. B zugewiesen wird.

A propos Effekte: Der französische Hersteller ist neben seiner Hardware auch für seine hervorragenden Effekt- und EQ-Plugins bekannt. So wundert es nicht, dass auch Pigments 3 mit einer üppigen Anzahl gut klingender, sehr vielseitiger Effekte aufwartet. Unter insgesamt 18 Effekt-Typen finden sich eine Handvoll EQ- und Filter-basierte, Delay-, Reverb- und Modulations-Effekte, wie beispielsweise der neue “Chorus JUN-6“ der auf dem Chorus des Roland Klassikers basiert. Wie zu erwarten war, klingen alle Effekte gut bis sehr gut und lassen sich absolut praxistauglich bedienen.

Organisiert bzw. geroutet werden die einzelnen Effekte in zwei voneinander unabhängigen FX-Chains (also FX A und FX B), wo bis zu drei Effekte, nach Belieben angeordnet, in Reihe gesetzt werden. Sinnvoll abgerundet wird das FX-Routing mit einem Aux-Bus, mit dem sich einzelne Effekte subtiler hinzumischen lassen. So lässt uns Pigments 3 viel Freiheiten in der Effekt-Sektion und ermöglicht, neben riesigen Hall-Ketten und dezenten Chorus-Spielereien, auch experimentellere Ansätze beim Gestalten von Sounds.

Arturia Pigments 3 Test Effekte.
Effekt-Sektion.

Modulation

Um unsere Sounds lebhafter und dynamischer zu gestalten, stellt uns Pigments 3 eine wirklich gewaltige, tiefgreifende Mod-Matrix zur Verfügung: Jeweils drei Envelopes und LFOs, drei sogenannte Function-Modulatoren (eine Art LFO/Envelope mit benutzerdefinierter Hüllkurve), drei Randomizer sowie drei Combinator zum kontrollierten ”Re-shapen“ bestehender Modulationsquellen. Selbstverständlich lassen sich auch expressives Spiel dank Velocity, (polyphonem) Aftertouch, Modwheel, Keyboard und Expression als Modulationsquelle nutzen. Zudem ist Pigments 3 nach einigen vorzunehmenden Einstellungen in den MIDI-Settings auch MPE-fähig.

Möchte man ein Ziel der Modulation und die Mod-Source bestimmen, bedarf es genau zwei Klicks: Neben jedem (wirklich jedem!) Parameter der Synth-, FX- oder Sequenzer-Sektion blitzt beim Herüberfahren mit dem Mauszeiger ein kleines “+“ auf. Ein Klick auf das Symbol versetzt das User-Interface in eine Art “Routing-Modus“ und möchte, dass wir den eben bestimmten Parameter einer Modulationsquelle zuweisen und gleich den Wert bzw. die Intensität ebenjener definieren. Alternativ kann auch erst gewünschte Mod-Quelle angewählt und anschließend der Ziel-Parameter via Drag-and-drop in die Mod-Leiste eingefügt werden.

Einfache Modulationen – wie LFO auf Formant der Wavetable-Engine oder Cutoff des Filters mit Aftertouch öffnen – dauern nur wenige Sekunden und fügen sich natürlich in den Workflow des Soft-Synths ein. Etwas kniffliger gestaltet sich die Arbeit mit den Functions- und Combinate-Funktionen. Hier sollte man sich definitiv das interaktive Tutorial ansehen, um Frust und wirre Klangeskapaden zu vermeiden. Ein kleiner Deep-Dive in beide Features lohnt sich allemal, da sich besonders für passionierte Sound-Designer:innen spannende und kreative Welten auftun.

Sequencer & Apreggiator

Auf den ersten Blick wirken Sequencer und Apreggiator vertraut und klassisch. Erst nach ein wenig Herumprobieren und einem Blick ins Tutorial erschließen sich die zahlreichen Möglichkeiten, die uns Pigments hier an die Hand gibt. Auf 16 Steps werden einzelne Noten (nur im Sequencer), Velocity, Octave (also gespielte Oktave innerhalb der Note von +2 bis -2), Trigger-Probability sowie Gate Length und Slide-Werte bestimmt. Zudem ist jede “Trigger-Spur“ mit einem Randomizer versehen, mit dem sich prozentual bestimmen lässt, wie sehr voreingestellte Trigger-Wert per Step auslöst werden. Noch lebhafter lassen sich die Sequenzen allerdings gestalten, indem man polyrhythmische Elemente einbaut und einzelne Trigger-Events unabhängig voneinander bzw. gegeneinander spielen lässt. Alles in Allem ist die Seq-Section des Synthesizers eine nette, anregende Spielwiese die immer wieder – und besonders bei polyrhythmischen Sequenzen – aufregende “Lucky Mistakes“ verspricht.

Arturia Pigments 3 Test Sequencer.
Sequencer.

Fazit

Pigments 3 von Arturia ist ein wirklich gelungener, eigenständiger Soft Synth mit unglaublich viel Potenzial. Einsteiger:innen wie auch erfahrenen Anwender:innen bietet Pigments unzählige Möglichkeiten zur Gestaltung eigener Sounds, die von klassischen Pads und Leads bis hin zu abgedrehten und experimentellen Klängen reichen. Mit über 1200 Presets, dem aufgeräumten User-Interface und dem großartig eingearbeiteten Tutorial ist Pigments 3 zum aktuellen Verkaufspreis von 99 Euro auf jeden Fall einen Blick wert und eine gute Ergänzung zur bestehenden Plugin-Sammlung. Für Unentschlossene bietet Arturia eine kostenlose 30-tägige Demo an. Volle Empfehlung!

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
4,5 von 5,0
Klang:  
5,0 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,0 von 5,0

Pro

Vier unterschiedliche, vielseitige Engines
Sehr gute, flexible FX-Sektion
Vielseitiges FX- & Filter-Routing
Riesige Modulations-Matrix
Übersichtliches, userfreundliches Layout
Große Preset-Library
Kreativer, polyrhythmischer Sequencer & Apreggiator
gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

Kontra

Nichts

Preis:

95,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Arturia.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit arturia , Pigment 3 , Software , Synthesizer , Test , VST-Plugin

Deine
Meinung:
Test: Arturia Pigments 3 / Software-Synthesizer

Wie findest Du den Artikel?

ø: