Test: Behringer VC340 – Vocoder Synthesizer

Test: Behringer VC340 – Vocoder Synthesizer

Tests. 13. Oktober 2019 | 4,0 / 5,0

Geschrieben von:
Niko Giortsios

Ende der 1970er Jahre, als polyfone Analogsynthesizer noch für Normalsterbliche unbezahlbar waren und in geringen Stückzahlen gebaut wurden, gab es eine spezielle Gattung an Tasteninstrumenten, die zwar nicht die Einstellmöglichkeiten herkömmlicher Synths besaßen, dafür aber aufgrund der verbauten Oktavteilertechnik mehrstimmig gespielt werden konnten und erschwinglich waren. Diese Keyboards spezialisierten sich meist auf orchestrale Streicher- und Chorklänge und wurden deshalb als „String Machines“ bezeichnet. Aus dieser Zeit stammt der Roland VP-330, der das Konzept um einen mittlerweile legendären Vocoder ergänzt und bis heute immer wieder in Produktionen verwendet wird. Als kostengünstige Alternative zu den teuren Vintage-Exemplaren bringt Behringer nun eine eigene Version des Klassikers heraus. Aber kann das etwas archaisch anmutende Konzept des VC340 auch modernen Soundansprüchen gerecht werden? Finden wir’s heraus …

Technische Daten und Anschlüsse

Mit seinen knapp 60 Zentimetern Breite kommt der VC340 schon um einiges imposanter daher als die bisherigen Desktopmodule von Behringer, während das Metallgehäuse, Holzseitenteile und eine halbgewichtete Tastatur für einen wertigen und robusten Eindruck sorgen. Letztere bietet mit 37 Tasten eine Oktave weniger als das Vorbild von Roland. Zwar lässt sich dieser Umstand mithilfe eines Oktavwahlschalters sowie des Pitch-Faders umgehen, die fehlende Range kann sich aber gerade bei einer orchestralen Spielweise bemerkbar machen.

Die Fader und Potis zum Einstellen des gewünschten Sounds fühlen sich wertig an, die Knöpfe haben allerdings einen etwas billig wirkenden Druckpunkt. Dafür sehen die bunten Taster aber absolut großartig aus und passen perfekt zum 70er-Jahre-Charme des Instruments.

Die Rückseite beherbergt neben dem Netzteilschalter eine umfangreiche Anschlusssektion. So finden sich hier zunächst die üblichen Verdächtigen wie MIDI (über USB sowie als DIN-Trio), ein Mono- Stereo- und Kopfhörerausgang sowie der obligatorische Audioeingang für den Vocoder, wahlweise als XLR- oder 6,3mm-Klinkenanschluss. Man ist also nicht nur auf den Einsatz eines Mikrofons limitiert, es lassen sich alle möglichen Signale, zum Beispiel Drum Computer, verwenden. Das lädt zum Experimentieren ein und führt zu interessanten Sounds abseits des altbekannten ‚Robot Voice‘-Effekts.

Mithilfe von CV-Signalen lässt sich die Tonhöhe extern modulieren, eine Hold-Funktion ist ebenfalls möglich. Zu guter Letzt gibt es noch einen Audioeingang. Durch diesen lässt sich jeder beliebige Synthesizer zum Vocoder umfunktionieren, indem das interne Trägersignal des VC340 umgangen wird.

Die Rückseite des Behringer VC340.

Klangerzeugung

Die Klangerzeugung des Behringer ist bauartbedingt relativ einfach aufgebaut. Wie bereits eingangs erwähnt erzeugen String Machines wie der VC340 ihre Polyphonie durch Oktavteilertechnik, ähnlich wie bei alten elektronischen Orgeln. Dadurch wird ein Großteil der Bauteile eingespart, die ansonsten für mehrstimmiges Spiel notwendig wären. Man spricht hierbei auch von Paraphonie. Als Gegenzug sind die Einstellmöglichkeiten stark beschränkt, trotzdem bietet der VC340 eine überraschend vielseitige Auswahl an Klangfarben. 

Der Sound besteht aus drei verschiedenen Elementen: Human Voice, Strings und Vocoder. Diese bieten für sich genommen mehr oder weniger rudimentäre Einstellmöglichkeiten und lassen sich jeweils auf den oberen oder unteren Bereich der Tastatur anwenden. Per Mixersektion lassen sich die einzelnen Klangerzeuger beliebig mischen. 

Bei Human Voice handelt es sich um einen simulierten Chor, wobei man natürlich nicht die Realität von modernen Samplepacks erwarten darf. Stattdessen finden wir einen charakteristischen, nasalen Klang, der entfernt an Mellotron-Chöre erinnert, allerdings wesentlich synthetischer. Es stehen jeweils zwei Oktaven für das „Upper“ und „Lower“ Keyboard sowie ein als ‚Ensemble‘ bezeichneter Chorus-Effekt zur Verfügung, welche durch Tasten ein- und ausgeschaltet werden können. 

Detailansicht des Behringer VC340.

Die String-Sektion basiert auf Sägezahnwellen, die leicht gegeneinander verstimmt sind und auch ohne Ensemble-Effekt schöne Schwebungen erzeugen. Verschiedene Oktavlagen sucht man hier vergebens, stattdessen gibt es einen Tone-Fader, mit dem sich die Klangfarbe ein wenig verändern lässt. Des Weiteren lässt sich die Attack-Zeit von Voice und Strings getrennt voneinander einstellen. Dies beeinflusst aufgrund der paraphonen Klangerzeugung allerdings nur den ersten gespielten Ton. 

Zu guter Letzt kommen wir zu dem wohl wichtigsten Teil, der dem Instrument schließlich seinen Namen gibt. Die Vocoder-Sektion kommt mit Schaltern für Upper, Lower und Ensemble sowie jeweils einem Fader für Eingangspegel und Tone daher. Mehr braucht es nicht, um den bekannten Sound von unzähligen Hits zu erzeugen. Die Verständlichkeit der Stimme kommt vielleicht nicht an moderne digitale Varianten heran, aber gerade dieser Oldschool-Sound gibt dem VC340 seinen ganz eigenen Charme. Beim Benutzen des externen Synth-Eingangs befindet sich zur linken des Bedienfeldes noch ein extra Fader für den Eingangspegel, außerdem lässt sich das direkte Signal des Mikrofons per Mixersektion beimischen, was sich für subtilere Sounds oder zum Beispiel den Einsatz von Drumbeats eignet. 

Allgemein kann man den Sound zweifellos als „analog“ bezeichnen – mit allen Vor- und Nachteilen. Dazu gehört auch eine Rauschfahne, die je nach Einstellung mehr oder weniger stark wahrzunehmen ist. Generell muss man vor allem beim Vocoder erst ein wenig mit den Pegeln herumprobieren, um zum besten Ergebnis zu kommen. Das liegt aber in der Natur der Sache und sollte potenzielle Interessenten vor nicht allzu große Schwierigkeiten stellen.

Spielhilfen, Modulation

Um expressives Spiel zu ermöglichen, hat der VC340 ein paar kleine Features an Bord, die etwas Abwechslung in den Klang bringen. Da wäre zunächst die ungewöhnliche Pitch-Shift-Funktion. Anstelle eines Wheels, das wieder von allein in die Ausgangsposition geht, haben wir hier nämlich einen feststehenden Fader, der darüber hinaus nur einen Pitch-Bend nach unten erlaubt. Das klingt erst mal sehr limitierend, stellt sich aber schnell als äußerst nützlich heraus. Die Intensität der Tonhöhenveränderung wird über einen Drehregler eingestellt und reicht bis zu einer Oktave.

Somit lassen sich zum Beispiel die fehlenden 12 Tasten des Keyboards umgehen, aber auch dramatische Effekte während des Spiels sind kein Problem. Im automatischen Modus gleitet der Ton stattdessen beim Anschlag auf die richtige Höhe, Intensität und Geschwindigkeit sind variabel. Die dritte Option ist eine externe Steuerung mittels CV-Signalen. Der Anschluss dafür befindet sich auf der Rückseite. 

Vibrato erzeugt der VC340 mithilfe eines rudimentären LFOs. Dieser ist fest mit der Tonhöhe der Chor- und Vocoder-Sektionen verdrahtet und lässt sich in Geschwindigkeit, Tiefe und Verzögerungszeit regeln. Die Einstellmöglichkeiten sind eher konservativ und auch verschiedene Wellenformen sucht man vergebens. Der Effekt ist vielmehr dazu da, das natürliche Vibrato von Sänger/innen zu simulieren, und diese Aufgabe erfüllt er einwandfrei.

Der Behringer VC340 von oben.

Fazit

Vocoder sind schon eine eigenartige Gattung unter den elektronischen Musikinstrumenten. Man könnte meinen, dass sich ein so prägnanter und spezieller Sound schnell abnutzt, ein kleines Gimmick, an dem man sich nach kurzer Zeit sattgehört hat. Aber dennoch hat sich genau dieser Sound über Jahrzehnte hinweg in den verschiedensten Genres bewiesen. Ob Disco-Gruppen, Pioniere der elektronischen Musik, zeitgenössische EDM-Produzenten oder Indie-Songwriter: Vocoder lassen sich universell einsetzen und besitzen durch ihre Mischung aus menschlicher Natürlichkeit und elektronischer Verfremdung einen ganz eigenen Appeal. Umso verwunderlicher, dass es bis zum Erscheinen des VC340 keine erschwingliche analoge Alternative auf dem Markt gab.

Vintage-Exemplare sind mittlerweile kaum noch zu bezahlen und haben ihre altersbedingten Zuverlässigkeitsprobleme, während digitale Nachbildungen oft verständlicher und cleaner klingen, dabei aber die Wärme und das analoge Feeling vermissen lassen. Behringer hat diese Marktlücke erkannt und mit dem VC340 ein leicht zu bedienendes Instrument auf den Markt gebracht, mit dem sich ohne stundenlanges Einstellen schnell die bekannten Sounds kreieren lassen. In Verbindung mit der String- und Chorsektion sowie dem Ensemble-Effekt ergibt sich so ein nettes Komplettpaket mit einem ziemlich üppigen Klang.

Der einzige Wermutstropfen könnte für einige die fehlende Oktave im Vergleich zum Original sein, orchestrale Klangwände mit großer Range lassen sich damit schwieriger realisieren. Für solche Fälle kann man aber immer per MIDI-Keyboard nachhelfen, außerdem kommt das dem Platzfaktor zugute. Wer sich für Retro-Electronica interessiert, seinen modernen Produktionen einen Hauch von Oldschool-Atmosphäre verleihen möchte oder einfach nur auf der Suche nach interessanten, organischen Klangtexturen ist, sollte sich den VC340 unbedingt mal genauer anschauen.

Pro

Schöner Retro-Sound
Solide Bauweise mit Metallgehäuse und Holzseitenteilen
Externer Eingang, um andere Synths als Vocoder-Träger zu nutzen

Kontra

3-Oktaven-Tastatur reicht in einigen Situationen nicht aus
Je nach Einstellung mehr oder weniger starkes Rauschen

Preis:

515,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Behringer.

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