Up and Coming: Ostbam – "Ich war vorher noch nie im Berghain"

Up and Coming: Ostbam – "Ich war vorher noch nie im Berghain"

Features. 10. September 2022 | 4,0 / 5,0

Geschrieben von:
Nastassja von der Weiden

Leipzig, schon wieder Leipzig – hier formiert sich pre- und post-pandemisch eine Riege der derzeit gefragtesten DJs. Eine von ihnen ist Ostbam. Die Leipzigerin steht für einen ravigen, trotzdem darken Technosound, der (fast) ohne Edits, aber nicht ohne Gabber auskommt. Bestechend locker, wirkmächtig und schnell sind die Sets, die Ostbam als Resident des Institut fuer Zukunft bis ins Line-up des diesjährigen CTM Festivals und damit ins Berghain geführt haben. Wir haben die DJ und Labelhead von Unusual Suspects nach Feierabend getroffen und über ihre Anfänge in Dresden, ihren Daytime-Job, Stress beim Auflegen, 30 sein und – natürlich – Musik gesprochen.

DJ LAB: Ein paar Worte zu dir: Wer bist du, was machst du?

Ostbam: Ich bin Ostbam, lege seit sechs Jahren auf, bin seit kurzem IfZ-Resident und mache bei Hallo Radio in Hamburg meine eigene Radiosendung. Und ich bin bei einigen Kollektiven dabei, zum Beispiel ProZecco.

„Translator by day, DJ by night“ steht in deinem Insta-Profil. Passt der Job zum DJ-Lifestyle, passt DJing zu Übersetzung?

Eigentlich passt das gar nicht zusammen (lacht). Der Tagesablauf und die Leute, mit denen ich außerhalb des Clublebens zu tun habe, sind einfach komplett anders. Es ist wirklich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Sechs oder sieben Uhr morgens aufstehen, arbeiten, fokussiert sein – und am Wochenende übelst Party machen und feiern, das passt nicht so super zusammen. Häufig muss ich dann nach meinem Set direkt aus dem Club. Manchmal fragen sich die Leute dann: Wie kann sie DJ sein, wenn sie nicht mitfeiert? Aber es geht meistens nicht anders, sonst schaffe ich es auf Dauer nicht, beides zu kombinieren. Mit mittlerweile 30 noch zweimal am Wochenende durchzuraven und montags mit Hirn zu arbeiten – das klappt leider nicht.

Wärst du manchmal lieber ausschließlich DJ?

Nein, denn ich mag meinen Job und arbeite super gerne mit Sprachen. Wenn ich etwas für meine Kollektive oder andere DJs auf Deutsch, Englisch oder Polnisch schreibe, macht mir das sehr viel Spaß. Irgendwie ist es also doch verflochten.

Wann, wie und wo hast du mit dem Auflegen angefangen?

Ich bin von Polen nach Dresden gezogen und meine damalige Mitbewohnerin meinte zu mir, dass es im AZ Conni einen FLINTA-DJ-Workshop gibt, das war vor sechs Jahren. Damals haben wir um die Ecke vom AZ Conni gewohnt und ich bin einfach mitgegangen. Ich habe mir da gar nicht viel drunter vorgestellt und auch nicht viel erwartet – ich war zwar immer viel auf Partys, aber ich bin nie auf den Gedanken gekommen, dass ich auch auflegen könnte. Denn es waren immer Typen, die das gemacht haben und auch auf Afterhours haben immer nur Männer gezockt. Bei dem DJ-Workshop waren nur FLINTAs und alle hatten total Bock, auch wenn wir noch nichts konnten (lacht). Wir waren eben alle Anfänger:innen. Nach dem zweiten Workshop hatte sich eine Kerngruppe herauskristallisiert – wir konnten zwar alle noch nicht wirklich auflegen, hatten aber Lust, ein Kollektiv zu starten und Partys zu machen. Die damalige Workshopgeberin hat uns dann ein bisschen begleitet und wir haben ProZecco gegründet.

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Hast du einen Tipp für alle, die es auch gerne lernen würden, denen es aber vorkommt wie eine Raketenwissenschaft?

Einfach machen. Das klingt vielleicht komisch, aber ich hatte die ersten drei, vier Jahre keine Anlage und kein Equipment zu Hause. Ich hatte nur eine Traktor-Lizenz für den Computer – und nicht mal einen Controller. Irgendwann wurde ich von einem Promoter aufgefordert, mit CDJs zu spielen, ohne Traktor und Controller. Da habe ich mir dann bei YouTube einfach ein paar Tutorials angeschaut, was zwar nicht so gut lief – aber irgendwie hat es geklappt. Ansonsten: Leute fragen, die Technik haben und jede Gelegenheit zum Üben nutzen. Ich muss aber dazu sagen, ich bin auch nicht so super social – dann lieber einen Workshop besuchen oder in Proberäumen üben.

Du hast während des CTM Festivals im Berghain aufgelegt. Ich war auch da und war begeistert von deinem Closing. Wie war der Auftritt für dich?

Ich war vorher noch nie im Berghain. Ich bin also rein und wollte mir erstmal den Laden anschauen. Ich war sehr aufgeregt, schon die Tage davor war ich übelst auf Adrenalin. Von der Aufregung her war es wirklich eine andere Welt. Nach einer halben Stunde, als ich dann alles abgecheckt hatte, hatte ich dann doch das Gefühl, dass alles passt – ich hatte es mir noch größer und majestätischer vorgestellt. Als ich dann wusste, wo was ist und wo ich spielen werde, war ich beruhigt. Ich hatte dann Zeit, mich am Pult zurechtzufinden und der Spot ist ja auch etwas versteckt. Ich mag nämlich bis heute nicht, dass ich vor 500 Leuten stehe, auflege und alle gucken auf mich – ich wäre lieber unsichtbar in diesem Moment, damit man mich nicht beobachten kann. Auch, weil ich bei jedem Fehler eine Fresse ziehe (lacht). Anfangs hatte ich dann ausgerechnet dort auch noch technische Probleme mit den CDJs und bin super durchgedreht – aber nach einer halben Stunde habe ich den Techniker geholt und die CDJs gewechselt, da standen ja genug.

Und wie hast du dich vorbereitet?

Dieses Mal wollte ich sicher gehen und nicht hunderte neue Tracks kaufen, die ich nicht gut kenne, sondern das spielen, was in anderen Clubs gut funktioniert hat. Da war es gut, dass ich vorher recht viele Gigs hatte. Das CTM Festival ist auch nicht so typisch Berghainsound, deshalb wollte ich am Ende meines Sets auf jeden Fall Gabber spielen. Ich habe einfach mein Ding gemacht – denn wie das Publikum reagiert, weiß ich nie. Ich versuche es mit aufzunehmen, aber gleichzeitig möchte ich mein Set auch so spielen, wie ich will.

Und danach? Das obligatorische Foto vorm Berghain hast du sicher gemacht.

Als ich fertig war, ging die Veranstaltung nur noch eine Stunde. Und klar, meine Freundinnen und ich haben noch ein Foto gemacht. Wir sind danach zurück ins Airbnb. Am nächsten Tag haben wir dann aber noch richtig gefeiert, bei DJ Assault in der Paloma Bar.

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Du bist 30. Ein super Alter, finde ich (lacht). Ich ganz persönlich finde es toll, wenn ich DJs verschiedenen Alters auf Bühnen sehe. Denn trotzdem haftet dem Clubleben entweder Jugend oder Kurzlebigkeit an. Das ist auf Publikumsseite natürlich stärker der Fall als auf Künstler:innenseite, but still – beeinflusst dein Alter deine Sicht auf die Szene?

Eine sehr gute Frage. Ich würde sagen, dass ich nicht mehr so viel feiern und trinken kann wie früher. Ich habe viele Freunde, die sich jetzt nach der Pandemie aufregen, dass nur neue und jüngere Leute im Club sind. Für mich ist es aber voll gut, ein neues Publikum vor mir zu haben. Und das geilste finde ich, dass die Jüngeren meinen Namen als Anspielung auf Westbam nicht verstehen. Wenn ich sage „Ostbam wie Westbam“, fragen sie mich: Wer ist Westbam? (lacht). Und ich finde es sowieso am schönsten, wenn 50-Jährige mit 20-Jährigen feiern und alle einfach Spaß haben.

Du hast mit einer weiteren DJ ein Label gegründet: Unusual Suspects. Wie habt ihr euch formiert, was sind eure Ziele? Was passiert als Nächstes bei euch?

Das Label habe ich mit Caro aka Crline gegründet, wir kennen uns von ProZecco. Wir sind beide Orga-Freaks und wollten einfach noch mehr machen. Wir haben das Label gegründet, aber uns war klar, dass wir beide viel arbeiten und auflegen – also wollen wir uns hier keinen Stress machen. Deshalb wird nur ein Release pro Jahr erscheinen. Der Gedanke bei dem Label ist, dass wir kleine Künstler:innen fördern wollen, die normalerweise nicht auf den großen Bühnen und Clubs gespielt werden. Und bei jedem Release gibt es einen roten Faden. Bei unserem ersten Release waren es trancige Melodien, die in allen Tracks vorkamen. Trotzdem waren es vier komplett unterschiedliche Tracks.

Und wie findet ihr eure Künstler:innen? Sucht ihr bei Soundcloud und Co.?

Genau. Wir suchen die Leute bewusst aus und schauen uns dafür zum Beispiel in FLINTA-Telegram-Gruppen oder beim female pressure-Netzwerk um. Es kommen auch manchmal Anfragen, aber da merkt man schon, dass das meistens Producer:innen sind, die irgendwo releasen wollen – also ob das bei uns ist, ist letztlich egal. Wir schauen uns lieber selbst um.

Dann kommen wir nochmal aufs DJing zurück. Wie konzipierst du als Ostbam deine Sets, verfolgst du eine Dramaturgie, ein Narrativ, wenn du auflegst?

Früher habe ich mich kaum vorbereitet. Vor ein paar Monaten habe ich erst darüber nachgedacht, dass ich gerne dieses Stadium wieder erreichen wollen würde, einfach ohne viel Vorbereitung und Konzept zu einem Auftritt zu gehen – dass nur die ersten Tracks ausgewählt sind und ich dann ohne Stress spielen kann. Aber mittlerweile bekomme ich eben auch Geld fürs Auflegen und es sind viel mehr Menschen als früher, die da vor mir stehen und tanzen. Ich fühle mich dann doch verantwortlich, dass alles Sinn ergibt. Die Musikauswahl vorher zu planen und mich damit zu beschäftigen, macht mir ja auch Spaß. Und wenn ich bei einem Gig am Ende keinen Plan für den letzten, eindrucksvollen Track des Sets hätte, würde mich das richtig fertig machen. Ich bereite immer mindestens ein paar Tracks vor, von denen ich weiß, dass sie gut zueinander passen. Oder sogar manchmal eine ganze Playliste. Und dann weiche ich davon ab. Am Ende ist es dann aber doch meine persönliche Story, die wohl nur ich verstehe – für andere ist es eventuell nur zwei Stunden Geballer (lacht).

Von Ostbam werden wir in den kommenden Monaten noch viel hören und sehen, so viel steht fest. Sie ist bekannt für die krassen Closingmomente, das Aufklaren nach einer durchtanzten Nacht, um den Abschluss kollektiv und gemeinsam zu fühlen – und genau das dürfen wir auch in ihrem Mix erfahren:

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