Porträt: Alex Albrecht – Freiheiten der Improvisation

Porträt: Alex Albrecht – Freiheiten der Improvisation

Features. 31. August 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Es ist Freitagabend mitten im Juli. Draußen sind es weit über 20 Grad und in Berlin erwacht langsam das Leben. Die Straßen füllen sich und vor den Clubs bilden sich die ersten Schlangen.

Es ist der Startschuss für ein weiteres Wochenende energetischer Clubmusik und langer Nächte. Das OHM öffnet an diesem Freitag seine Türen allerdings für einen ganz anderen Ansatz der House- und Techno-Musik. Zu Gast ist dort der Australier Alex Albrecht mitsamt seines Labels Analogue Attic. Es ist eine Nacht des Kontrasts, in der sphärische Elemente des Ambients mit dem Fokus der Tanzfläche verbunden werden. Ein Widerspruch möchte man meinen. Doch gerade aus diesen konträren Ansätzen entsteht bei Alex Albrecht ein ganz eigener Stil, der sich in einem hypnotischen Sog entfaltet.

Elektronische Musik im Einklang mit der Freiheit der Improvisation

2014 gründete der in Melbourne ansässige Musiker gemeinsam mit Sean La’Brooy das Label Analogue Attic und unter dem Pseudonym Albrecht La’Brooy folgt ihre erste EP 'Good Morning Passengers'. Bruchstückhafte Soundcollagen und Fieldrecordings prägen den Beginn, die sich dann gegen Mitte der EP zu melancholischem Deep House verbinden. Es ist die musikalische Dokumentation einer Zugreise durch Australien. An jeder Station fingen Alex und Sean die Atmosphäre und Sounds ein und verknüpften diese später mit sphärischen Synthies und Deep House Grooves. Organisches im Verbund mit Elektronischem, Natur im Gegensatz zum technoiden Klang.

Der konstante Puls der elektronischen Musik wird in den Einklang gebracht mit dem freien Spiel aus dem Jazz, ein Einfluss, der Alex schon in seiner frühen Jugend geprägt hat. “Mein Vater hat früher bei uns zu Hause immer Jazz gehört, das habe ich also schon früh aufgenommen. Mit 16 ungefähr habe ich dann angefangen mich für IDM zu interessieren. Square Pusher, Aphex Twin aber auch viel Deep House wie DJ Sprinkles oder Francis Harris.” Aus diesen Einflüssen heraus formte Alex über die Jahre seinen eigenen Stil, dessen oberstes Credo die Improvisation ist.

Auch im OHM spielt Alex an diesem Abend ein improvisiertes Liveset. Auf der dunklen Tanzfläche des Clubs breiten sich lange Pads aus, brüchige Klavierklänge schwirren durch den Raum und kleinteilige Soundfragmente deuten einen ersten Rhythmus an. Es ist eine seltsam ruhige Atmosphäre, die einen doch schnell vereinnahmt und spätestens wenn sich die ersten Beats aus dem Klangdickicht herauskristallisieren, in den Bann zieht. Seine ersten Auftritte hatte Alex zusammen mit Sean in einer Bar in Melbourne. Dort improvisierten sie teilweise bis zu fünf Stunden am Stück. “Bei meinen Clubshows spiele ich allerdings nur ein bis zwei Stunden. Da ist alles viel fokussierter und die Aufmerksamkeitsspanne ist eine ganz andere.

Die Energie aufrecht zu halten ist dann auch für mich mental anstrengender.” Die Improvisation ist also nicht nur Bestandteil des Sounds, sie bietet auch die Freiheit, seine Musik an Raum und Zeit anzupassen. Als Albrecht La’Brooy etwa ist die Prämisse deutlich organischer. Zusammen mit weiteren MusikerInnen, die Gitarrenparts, Saxofon und Percussions beisteuern, liegt hier der Fokus auf Ambient im Bandkontext. Zuletzt konnte man dies bei dem kürzlich erschienen Album Healesville erfahren.

Der Klang der australischen Landschaft in den Clubs der Großstadt

Im OHM dagegen hört man eine andere Seite von Alex’ musikalischem Output. Mittlerweile sind wir in der Mitte seines Sets angekommen und die anfängliche Zerbrechlichkeit weicht einem düsteren, technoiden Sound. Die druckvolle Kick wird umspielt von vereinzelten Strings und hier und da deuten sich kleine Acid-Klänge an. Die Melancholie bleibt bestehen, doch wird durch energetischen Techno erweitert. Peaktime der Marke Alex Albrecht, der sich dem Live-Spiel verschrieben hat. Zwar spielt er gelegentlich auch DJ-Sets, doch seine wahre Leidenschaft zeigt sich in der Improvisation.

“Wenn ich ein Set starte, suche ich erst einmal verschiedene Drum- und Rhythmuselemente raus, die ich benutzen möchte. Bevor ich dann anfange, lege ich mich auf eine Tonart fest, über die ich dann mit verschiedenen Harmonien und Modi improvisiere. Dabei besteht immer ein gewisses Risiko Fehler zu machen, was allerdings einen besonderen Reiz hat. Dafür kommen aber auch immer wieder Momente zustande, in denen ich mir denke: Ach verdammt, hättest du das jetzt mal aufgenommen. Aber diese Art Musik nur für den Moment zu machen. mag ich sehr.”

Seine Leidenschaft findet auch Ausdruck in dem Label Analouge Attic. Die MusikerInnen auf dem Label sind wie Alex alle aus Australien; Perth, Sydney, Melbourne. Die Szene dort ist klein doch dafür agiert sie als Einheit und setzt auf Synergien. Verbunden sind auf Analouge Attic alle durch ein gemeinsames Narrativ. “Die EPs und Alben auf dem Label erzählen alle eine eigene Geschichte und befassen sich mit bestimmten Orten und Zeitpunkten. Es sind immer Fieldrecordings zu hören und die Musik ist, so wie bei mir, größtenteils improvisiert.”

Wird elektronische Clubmusik normalerweise mit urbanen Themen und Großstädten verbunden, erzählen Alex und Analouge Attic von der Abgeschiedenheit, Ruhe und Natur Australiens. Diese Ruhe durchströmt auch das OHM, als Alex zum Ende seines Sets kommt. Die Melancholie wandelt sich in Zufriedenheit und auch die kleinen Soundfragmente stoßen wieder in den Vordergrund. Fragmente die von Australien erzählen. Sounds die Alex, geboren in Perth, "one of the most isolated city in the world", in die Großstadt Berlin bringt.

 

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