Review: Albrecht La'Brooy - Healesville [Apollo]
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Review: Albrecht La'Brooy - Healesville [Apollo]

Features. 11. August 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Man stelle sich eine Art öffentliches Audiotagebuch vor. So etwas wie Instagram und Co., aber nicht so prätentiös und verlogen. Etwas, was in eine entlegene Szenerie versetzen und aus konservierten Erinnerungen neue speisen kann. In etwa so fühlt sich 'Healesville' an, das zweite Studioalbum der Zusammenkunft zwischen Alex Albrecht und Sean La’Brooy. Üblicherweise auf Analogue Attic vertreten, stehen die Langspieler des Duos aber im Rampenlicht von Apollo, der Ambient-Abteilung von R&S Records. Mit dem Album perfektionieren sie ihre Formel, geerdete Katharsis durch atmosphärische Field Recordings zu erzeugen. Sie zeigen auch: Die Natur liefert immer noch das spannendste Samplematerial.

Etwa eine gute Autostunde nordöstlich von Melbourne entfernt liegt das 7.500-Seelen-Örtchen Healesville, eine kleine Kurgemeinde, die von Landwirtschaft und Tourismus lebt. Was zunächst als Kurzurlaub angelegt war, entwickelte sich schnell zu willkommener Arbeit. Aus einem Lehmziegelhäuschen am Rande einer Erdbeerplantage heraus begannen die Musiker Ende 2018, das friedvolle Geschehen des Ortes aufzusaugen, einerseits durch stationäre Mikrofonierung, andererseits durch lange Spaziergänge in den Wäldern des Yarra Valley. Das Ergebnis sind fünf improvisierte Stücke, die das entschleunigte Leben eines australischen Farmer-Dorfes porträtieren. Ein auditiver Kurzurlaub ins Grüne, der ohne spirituelle Verklärung auskommt.

Dabei geht es aber nicht grundsätzlich um das Einswerden mit der Natur, sondern vielmehr um die Erfahrung des Selbst. Albrecht und La’Brooy vertonen auf jeweils einem Waldorf- und einem Nord-Piano polaroidartige Schnappschüsse. Neben eindrücklichen Umgebungsgeräuschen der Fauna ist zeitweise auch ein Traktor aus der Ferne zu hören, der das Bild zunächst bricht, aber bald schon zugehörig wirkt. Während Erntehelfer pfeifen und lachen, scheint man unweigerlich zu glauben Teil der Szenerie zu werden, mit durch die Felder zu streifen und die klare Luft zu atmen. Es geht um das harmonische Koexistieren, dem An- und Innehalten in Momenten der Sorge und des Stresses. Einzig das letzte Stück der B-Seite, 'Sean’s Lullaby' bleibt dabei als leicht melancholische Relativierung des Vorigen zurück.

Grundsätzlich aber erhebt sich 'Apollo' von allem Weltschmerz und texturiert ein für den Moment nicht allzu fernes Idyll. Das sorgt zeitweise dafür, an eine eindringliche Unmittelbarkeit zu glauben. Denn nicht immer klingen Ambient-Alben so organisch, so rein und so natürlich wie dieses. Oft zwar können synthetische Pads und breite Flächen eine entspannende Wirkung erzeugen, Synthesizer erinnern aber trotzdem auch unweigerlich an das kalte Zusammenspiel zwischen Nullen und Einsen im Studio. Klar, auch für 'Healesville' hat man elektronisch nachpoliert. Bereits mit dem ersten Stück 'Afternoon Carafe' spielen Reverb-Filter eine zentrale Rolle, um Nähe und Distanzen zu unterstreichen.

Immer mal wieder wechselt das Spiel aus instrumenteller Untermalung und Geräuschkulissen zwischen Vorder- und Hintergrund. Unter die mitgebrachten Aufnahmen aus den Live-Sessions haben Percussionist Joseph Batrouney und die Gitarristen Oliver Paterson und Carla Oliver ihre dezenten Klänge gelegt und das Klangspektrum erweitert. So gelingt es, einen starren dokumentarischen Charakter zu vermeiden. Nur in Nuancen aber wandelt sich 'Healesville' vom 12-Inch-Format zum Studioalbum. Es sind nicht zuletzt auch die ineinanderfließenden Übergänge zwischen den Stücken, die das Album zum Gesamtkonzept zusammenführen. Albrecht und La’Brooy wirken alles andere als müde, ihre Heimat Australien weiter erkunden und vertonen zu wollen.

'Healesville' erschien am 26. Juli auf Apollo.

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Albrecht La'Brooy , Album , Alex Albrecht , Ambient , Apollo , Healesville , R&S Records , review , Sean La’Brooy

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