Review: Fatima Yamaha – Spontaneous Order [Magnetron Music]

Review: Fatima Yamaha – Spontaneous Order [Magnetron Music]

Features. 14. November 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Kristoffer Cornils

Mit ‘What’s a Girl to Do?’ landete Bas Bron mit elf Jahren Verspätung einen Welthit, legte zum passenden Zeitpunkt sein Debütalbum als Fatima Yamaha nach und ließ dem wenig folgen. Bis jetzt, heißt das. Denn nun meldet er sich mit der LP ‘Spontaneous Order’ zurück. Der Titel ist Programm: Der Niederländer schmeißt jede Menge Kitsch an die Wand und hofft darauf, dass das Endergebnis schon irgendwie seinen Sinn ergibt.

Das Konzept der spontanen Ordnung ist einfach zu erklären und schwer zu verdauen. Aus jedem Chaos erwächst irgendwann wie von selbst eine Ordnung, besagt es, und es sind weniger die Hoffnungen und Pläne der Menschen, sondern vielmehr ihre unbewussten Handlungen, die dazu beitragen, dass selbst aus der verworrensten Gemengelage irgendwann wieder ein Gleichgewicht entsteht. Die tröstende Interpretation dieses Gedanken: Alles wird wieder gut. Die fatale: Wir haben dabei so gar nicht mitzureden. Wenn Bas Bron sein zweites Album unter dem Namen Fatima Yamaha also diesem Konzept widmet und mit Tracktiteln bekannten Vertretern der Theorie Tribut zollt, dann ist das hintersinnig, weil seine eigene Karriere sich wie ein Beleg für sie liest.

Anfang der Nullerjahre ist der Niederländer unter einer Vielzahl von Pseudonymen aktiv und veröffentlicht auch die EP ‘A Girl Between Two Worlds’ mit vier Electro-Tracks, die sich einiges bei bekannten VordenkerInnen des Genres abgeschaut hatten. Darunter befindet sich auch ‘What’s a Girl to Do?’, ein Midtempo-Stück mit flirrenden, verspielten, freudig quietschenden Synthie-Lines und einem ‘Lost in Translation’-Sample, das ein interessantes Eigenleben entwickelt. Immer wieder wird das Stück von DJs aus der Versenkung geholt und ein latenter Hype entzündet sich, bis Dekmantel sich schließlich die Rechte an dem Stück sichert und es im Juli 2015 neu auflegt. Mit elf Jahren Verspätung wird es zur Festivalhymne der Saison. Ohne Brons Zutun kehrt plötzlich Ordnung in die Dinge ein.

Soweit die positive Auslegung dieser Geschichte, deren Negativaspekte der Produzent aber wohl selbst am eigenen Leib erfahren musste. Denn obwohl er kurzentschlossen das Projekt reaktiviert und parallel zum Reissue mit der LP ‘Imaginary Lines’ sowie zwei Jahre später mit der EP ‘Araya’ neues Material vorlegt, ist er als One-Hit-Wonder gebrandmarkt. Wo auch immer er live spielt, erwarten alle diesen einen Tune von ihm und wie freudig seine neuen Tracks auch aufgenommen werden, müssen sie sich doch immer an dem großen Smasher messen. Was also macht Bron? Fährt den Betrieb auf ein Mindestmaß herunter, lehnt sich zurück und wartet darauf, dass sich die Dinge wieder zum Positiven entwickeln.

‘Spontaneous Order’ ist nun schicksalsergeben und ambitioniert zugleich: Der achtzigerinspirierte, von Electro und Funk beeinflusste und allemal markante Sound ist derselbe geblieben, doch lehnt sich Fatima Yamaha damit umso weiter aus dem Fenster. Es wird, mit einem Wort, cheesy.

Eingerahmt wird das Album von den Stücken ‘Drops in the Ocean’ und ‘We Are Drops’. Der erste leitet es mit, na ja, Tropfgeräuschen ein und macht die, nun, Steter-Tropfen-höhlt-den-Stein-Interpretation der Stichwort gebenden Theorie mit grellen Synthie-Tönen und pathetischem Gesang hörbar, bevor ein bassgetriebener Electro-Funk-Beat loslegt. Der andere erinnert mit seinen verspielten, gewundenen Melodien doch glatt an den Wahnsinnserfolg von damals, wird aber auch von mit Autotune geöltem Gesang begleitet, mit dem uns Bron sinngemäß zu versprechen scheint, dass viele Tropfen gemeinsam schon ihren eigenen Ozean bilden können. Das ist die Klammer, die ‘Spontaneous Order’ zusammenhält: aufgeputschte Vorfreude zum Start, sanfte Versprechen zum Abschluss.

Was zwischen Aufbruch und Ankunft passiert, ist allerdings das eigentlich Interessante. Die Vorab-Single ‘Day We Met’ zeigt Bron als überdrehten Disco-Chanteur, der sein Faible für akzentuierte, eingängige Melodien keineswegs vergessen hat, dabei aber auch gerne über die Stränge schlägt. Das trägt sich im hochgeschwinden Hi-NRG-House-Hybrid ‘Bar Bodega “That’s It!”’ genauso wie in ‘Happy Hour at Hayek’s’ und im hyperaktiven Titeltrack fort. Alles an diesen Stücken ist zappelig und überzuckert, sie rauschen im Sauseschritt voran und halten sich nicht mit Feinheiten auf. Von wegen Tropfen im Ozean: Auf ‘Spontaneous Order’ wird herzlich wenig gekleckert, sondern hauptsächlich geklotzt.

Stärker wirken dagegen die ruhigeren Momente und gesitteteren Rhythmen wie auf der kosmisch angehauchten Neo-Disco-Nummer ‘Unwashed’ und dem letzten Drittel des Albums. ‘Daio (Alternate History)’ bietet mit schwebend-schwerelosen Tönen eine dringend notwendige Verschnaufpause, der rumorige Electro-Track ‘Master Zhuang’ mit seinen dumpfen Bass-Anschlägen bietet eine echte Abwechslung innerhalb einer Platte, die ansonsten alle Farben grell aufdreht. Bis dann schließlich doch das Finale in Form von ‘We Are Drops’ kommt und alles in Achtziger-Hymnen-Pathos ertränkt.

Schamlosigkeit war schon immer Brons größte Stärke. Seine Melodien sind deshalb Ohrwürmer, weil sie sich nicht zurückhalten, seine Rhythmen deshalb unwiderstehlich, weil sie aus einem Fundus von dezidiert unsubtiler Musikarten schöpften, die seine ZeitgenossInnen nicht ohne Weiteres anrühren würden: Funk, Disco, Electro, Synth-Pop – wo andere versuchen, diesen Genres ihre Feinheiten abzugewinnen, bedient sich Bron an ihren plakativsten Elementen. Das machte ‘What’s a Girl to Do?’ schon zu einem dermaßen nachhaltigen Spätzünder; das prägte auch seine weitere Musik und verleiht ihr einen unnachahmlichen Charakter und Sound.

Doch in ‘Spontaneous Order’ erhebt Fatima Yamaha das Chaos zum Stilprinzip, wirft jede Menge Kitsch an die Wand und hofft, dass etwas davon hängen bleibt. Das tut es zwar in jedem Fall. Doch nach den Gesetzen der Schwerkraft handelt es sich dabei vor allem um die klebrigen Reste, nicht jedoch um wirkliche Substanz.

'Spontaneous Order' erschien am 13.11.2020 via Magnetron Music.

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