Review: Isolée – Resort Island [Resort Island]

Review: Isolée – Resort Island [Resort Island]

Allgemein. 19. Mai 2023 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Wir suchen: guten House, ohne Brimborium, am besten hurtig, aber bitte nicht hastend! Wir finden: Isolée aus Hamburg. Der Mann hat bereits ein halbes Jahrhundert auf diesem Planeten hinter sich. Das heißt: Er teilt mit dem Alter das Leid, fast alle Trends der elektronischen Musik erlebt zu haben. Dass er manche prägte, nie aber bei ihnen mitwirkte, unterstützt seinen Realkeeper-Status. Isolée ist King. Jetzt veröffentlicht er mit ’Resort Island’ sein viertes Album.

Mit Anfang 50 gründet Isolée dafür sein eigenes Label. Es heißt wie die Platte. ’Resort Island’ klingt nach All-inclusive-Buffets und bunten Plastikschirmchen in Cocktailgläsern. Ein Name, in dem Sehnsucht mitschwingt. Vermutlich nach gedanklicher Ferne, weniger nach Urlaubsdestinationen wie Bönningstedt oder Wenzendorf. Das wäre zu nah, zu einfach, zu langweilig. Isolée veröffentlicht schließlich seit 25 Jahren musikalische Reiseführer. Er nannte sie bisher nur nicht so.

Für Isolée musste man nie in einen Flieger steigen, kein Auto betanken oder den Zug nehmen. Seine Tracks sind Lonely-Planet-Ausgaben für Zimmerreisende, die man nach dem Lesen zerreißt. Es darf sie nur ein einziges Mal geben. Nach der Erkundungstour innerhalb des eigenen Wohnzimmers müssen sie verschwinden, damit es Platz für das Betreten alter Räume mit neuen Augen gibt. Das ’Resort Island’ ist deshalb kein imaginärer Ort, keine Utopie. Es zeigt das Bekannte aus einem anderen Blickwinkel – hier, jetzt, gegenwärtig.

Man darf das nicht falsch verstehen. Isolée dreht sich nicht im Kreis. Er wärmt nichts auf. Ist niemand, der seit 30 Jahren dieselbe Pension am selben See im selben Kaff ansteuert, um dort für zwei Sommerwochen den letzten drei Jahrzehnten nachzuhängen. Isolée ist ein Erkunder im eigenen Wirkungsbereich. ‘Coco’s Vista’, ein Song wie eine Postkarte vom Sandstrand in Sardinien, lässt Leinenhosen flattern. Nicht, weil der Subwoofer in der Mittagshitze stünde, im Gegenteil: Man denkt an Schöller oder Langnese, grüne Wiesen, Gelati, Gelati!

Bei der Musik von Isolée denkt man sich oft: Sie ist nicht besonders kompliziert, es bumpert gemütlich dahin, vielleicht könnte man das auch. Das ist die Stärke seiner musikgewordenen Zimmerreisen: ihre Einfachheit. ‘Pardon My French’ wird von nur zwei Bässen getragen, die aus einem Pauschaltrip ein individuelles Abenteuer machen. ‘Modernation’ konzentriert in einer Clap mehr Groove als die Top 100 der Beatport-Charts. Und sogar die gar nicht zum Dancen animierende Nummer ‘Let’s Dance’ flüstert mit jeder Faser ihres Ambient-Körpers: Reise, Reise, Reise!

Isolée schreit uns nie an. Er streichelt. Über Kickdrums, über Bässe – sie sind ständige Reisebegleiter. Ohne sie hätten die kleinen, versteckten Details kein Dasein. Man braucht sie wie Leitpfosten auf einer Autobahn des Alltags. Vielleicht kommt das manchen Menschen zu pathetisch vor. Vielleicht wollen sie nicht die Wahrheit sehen, die manchmal nur aus Pathos spricht. Sie hätten aber sowieso längst aufgehört zu lesen, zu hören – oder zu suchen.

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