Review: Map.ache – Vom Ende Bis Zum Anfang [Giegling]

Review: Map.ache – Vom Ende Bis Zum Anfang [Giegling]

Features. 22. November 2018 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Es ist gut und wichtig zu sehen, wie Festival- und Club-Communities auf die Kritik an Giegling-Mitbegründer Konstantin reagiert haben. Durch seine problematischen Ansichten gegenüber Frauen im Musik- und Kulturbetrieb (als auch im Allgemeinen), ist das Weimarer Label als Kollektiv in Ungnade gefallen. Einige boykottieren das Label konsequent, andere berufen sich auf den qualitativ gut gebliebenen Output. Dass sich der gesamte Rest von Giegling allerdings strikt von Konstantins Ansichten distanziert, wird dabei oft vergessen. Auch der aus Leipzig stammende Jan Barich will mit den Äußerungen nichts zu tun haben. Er nutzt die verbliebene Plattform für sein zweites Studioalbum 'Vom Ende Bis Zum Anfang'.

Sechs Jahre nach dem Release von 'Ulfo', das über Barichs eigenes Label KANN veröffentlicht wurde, steht Map.ache vor großen persönlichen und damit auch kreativen Veränderungen. Das Album ist durchdrungen von einer teils euphorischen, teils schmerzerfüllten Melancholie. 'Vom Ende Bis Zum Anfang' erzählt vom Verlust des Vaters und der gleichzeitigen Geburt des Sohnes. Nicht allzu oft sind auf Giegling-Veröffentlichungen Fotografien abgebildet und in diesem Fall macht das durchaus Sinn. Zu sehen ist Barich im Kindesalter auf dem Rücken seines Vaters. Die zwölf Tracks beschreiben ein Gefühl der seligen Ruhe, während eine tiefe Traurigkeit im Hinterkopf alles Glück zu relativieren scheint.

Das Album beginnt mit dem Stück 'Seis', ein durch und durch emotionaler Opener, der während der Parlamentsproteste im Mai bereits in der georgischen Hauptstadt Tiflis zu hören war. Das treibende Gefühl nach Aufbruch und Befreiung ist während der Spielzeit des Albums ohnehin sehr präsent. 'Dream / Awake', das zweite Stück der Platte, komplementiert diese Gangart. Das entsprechende Video dazu zeigt in einem Hauch von Kitsch diverse Frühlingsblüten. Insbesondere mit dieser Platte scheint Barich Gefallen an der Ästhetik von Klanghölzern gefunden zu haben. In verschiedenen Schichten baut sich in 'Loosing Is Not An Option' ein zaghafter Beat um traditionelle Percussion-Instrumente auf.

'Errante' zitiert den gleichnamigen DJ-Kollegen Emanuele Errante aus Italien und bedient sich dafür an dem Stück 'Counterclockwise' von 2011. Dort, wo die Vorlage merklich schwermütiger klingt, verliert die Interpretation von Map.ache durch das erhöhte Tempo und die Kickdrum ihre Traurigkeit. Die C-Seite ist eine der stärksten der Platte. Während das Stück 'Friden' ein genügsam entspannter House-Track der Marke ''Kann man nichts mit falsch machen'' zu sein scheint, wirkt 'Birthday 2.0' durch die tiefen Synths zunächst fast wie ein alter Kraftwerk-Track. Der allmählich stärker werdende Ultraschall-Herzschlag eines Kindes lässt es dann schon erahnen. Wenn sich jede Geburt so euphorisierend und gut anfühlt, wie es hier dargestellt ist, dann los: Macht mehr Kinder!

'Homerun' ist ein Kernstück des Albums. Der sehr monotone Beginn wirkt zunächst noch sehr konzeptlos. Das repetitive Vocal-Schnipsel ''You get home'' ertönt für die ersten zweieinhalb Minuten ununterbrochen. Erst dann setzt eine warme Synthie-Fläche im Hintergrund ein. Barich hat hierfür den Song 'Be Without You' von Mary J. Blige auseinandergenommen und aus der 2000er Ballade einen möglichen Peaktime-Hit für 2018 gezaubert. Auch 'Copy Love' und 'You Need The Devil' dürften für gefüllte Tanzflächen sorgen.

Mit der F-Seite bietet Map.ache gleich zwei Closer an. 'Salus' nimmt das Tempo der vorigen Stücke deutlich heraus. Hintergründig soliert noch eine Geige, die mal eine E-Gitarre werden wollte. Kathartisch klingt mit 'Arruve' dann ein großes Album aus, das sich zu keiner Sekunde in Bedeutungslosigkeit verliert. Hier hat alles Hand und Fuß, weiß wo es hin will, aber auch wo es herkommt. Barich ist damit ein großes Stück introspektiver Sentimentalitäten geglückt und kann zu den besten Arbeiten seiner Karriere gezählt werden.

'Vom Ende Bis Zum Anfang' erschien am 10. November auf Giegling.

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