Test: Ableton Live 10

Test: Ableton Live 10

Tests. 2. Juni 2018 | / 5,0

Geschrieben von:
Bastian Erath

Ableton Live gehört sicherlich zu den beliebtesten DAWs am Markt, allerdings mussten sich die Anwender lange gedulden und ganze fünf Jahre auf ein Major-Update warten. Langjährige User sind daher besonders gespannt was das kostenpflichtige Update zu bieten hat. Seit Februar diesen Jahres ist Ableton Live nun endlich in seiner zehnten Ausgabe erhältlich und bringt dabei nicht nur eine Vielzahl an Optimierungen zum Beispiel bei der Handhabung von Audio- und MIDI mit sich, sondern auch drei gänzlich neue Effekte und einen Wavetable-Synthesizer, der das Angebot an internen Klangerzeugern abrunden soll – Aber lohnt sich das Update wirklich?

Design

Beim ersten Öffnen der DAW fällt gleich auf, dass sich Ableton 10 in einem leicht überarbeiteten Erscheinungsbild präsentiert. Die unterschiedlichen Buttons der Transportleiste sowie die Start/Stop-Taster wirken durch den Verzicht einer Umrahmung noch aufgeräumter als es vorher schon der Fall war. Auch die Darstellung von Clips auf der Session- und Arrangement-Ansicht erscheint durch die reduzierte Gestaltung in meiner Wahrnehmung noch knackiger und frischer. Die Farbpalette zur Einfärbung von Events wurde um 15 neue Farben ergänzt, außerdem werden nun Audio- sowie MIDI-Spuren bei aufgeklappter Ansicht vollflächig in der jeweils festgelegten Farbe angezeigt, was ungemein hilft, sich einen besseren Überblick zu verschaffen. Zu guter Letzt wurde noch die Schriftart erneuert, die nun auch zu einem modernen und klareren Erscheinungsbild beiträgt. Im Kern hält die Berliner Softwareschmiede also am gewohnten "Look and Feel" fest.

Browser

Innerhalb des Browsers können nun favorisierte Samples, Plug-ins und Presets farblich getaggt werden und in sieben Ordnern, die man auf Wunsch selbst benennt, entsprechenden zusammengeführt werden. Diese kleine aber feine neue Funktion erleichtert die Organisation und Suche von häufig genutzten Werkzeugen und Klangquellen. Alternativ zur Kennzeichnung per rechten Mausklick kann das gewünschte Tool oder File auch via Drag-and-Drop in den dafür vorgesehenen Ordner gezogen werden.

Workflow

Außerdem gibt es ein paar nützliche Optimierungen bei der Handhabung von Audiomaterial. Sinnvoll wurde die Fade-Funktion angepasst: Das Feature ist jetzt direkt im jeweiligen Audio File zu erreichen ohne das Drop-down-Menü des jeweiligen Kanals innerhalb des Mixes bemühen zu müssen. Des Weiteren orientieren sich die Stützpunkte von Automationslinien – wie ich finde hilfreich – am voreingestellten Raster, diese lassen sich aber auch mit gedrückter cmd-Taste unabhängig feinjustieren. Auch die Panorama-Einstellung innerhalb des Mischpults weist eine Erneuerung auf: Mit einem Rechtsklick auf den entsprechenden Regler und der Auswahl des Split-Stereo-Pan-Modus können der rechte und linke Kanal unabhängig vom Stereo-Panorama bearbeitet werden. Außerdem wurde der kreative Arbeitsfluss mit Audiomaterial verbessert.

Mit dem Tastenfehl „R“ lassen sich ausgewählte One Shoots Samples, Audio Loops oder entsprechend ausgewählte Teilbereiche rückwärts drehen. Ebenso lässt sich gewarptes Audiomaterial nun ganz einfach strecken und stauchen. Zudem kann nun durch einen Teilbereich eines Loops gescrollt werden. Ingesamt sind dies keine bahnbrechenden Erneuerungen, aber sie bieten eine weitere Ebene beim kreativen Umgang von Audio und erleichtern zusätzlich den Arbeitsfluss. Auch in puncto Organisation von unterschiedlichen Spuren sammelt das Update Pluspunkte. Es ist nun möglich, mehrere Gruppen zusammenzufassen. Das macht nicht nur komplexe Arrangements wesentlich übersichtlicher, sondern erleichterte auch die Zusammenführung von Bussen und Layern.

Capture & Multi Clip Editor

Wer kennt es nicht? Da hat man etwas Interessantes auf seinem Keyboard performt und ärgert sich, dass man es nicht gleich aufgenommen hat, weil es sich nicht mehr reproduzieren lässt. Die Capture-Funktion ist in der Lage, gespielte Kompositionsideen aus der Vergangenheit zurückzuholen und verfügt sogar über eine Tempo-Erkennung. Sicherlich eine Anwendung, die nicht nur bei mir, sondern auch bei vielen anderen Nutzern eine bereichernde Verwendung findet. Allerdings ist dieses Feature keine gänzlich neue Innovation, beispielsweise verfügt die Konkurrenz wie bspw. Cubase schon seit Jahren über eine ähnliche Funktion.

Beim Testen der Capture-Funktion fiel mir allerdings auf, dass eine bis dato voreingestellte Funktion nicht mehr von Haus aus aktiviert ist. Ursprünglich konnte man nämlich, ohne weitere Einstellungen vornehmen zu müssen, die Computertastatur dazu nutzen, um MIDI-Noten einzuspielen. Nun muss vorab immer der Tastaturbefehl „M“ getätigt werden um diese Einsatzbereit zu machen.

Auch der neue Multi Clip Editor ist eine praktische Hilfe bei der Komposition von Musik. So lassen sich mehrere MIDI-Spuren in einer Piano-Roll darstellen und in Rhythmik sowie Tonalität bearbeiten. Das Sahnehäubchen wäre allerdings wenn man Zukünftig die einzelnen Spuren noch zusammen markieren könnte und entsprechend transponieren könnte.

Utility & EQ8

Das Utility Plug-in wurde überarbeitet und in diesem Zuge sinnvoll ergänzt. Mittels einer Grenzfrequenz, die zwischen 50 bis 500 Hz liegen kann, kann nun ein Stereosignal unterhalb der festgelegten Begrenzung in Mono zu wandeln. Außerdem ist der Gain-Regler nun endlich in der Lage, ein Signal bis minus unendlich zu regeln und kann so alternativ zum Lautstärkeregler des Mixers beim Arrangieren genutzt werden. Der EQ8 erhielt eine großzügigere Auflösung des Frequenzspektrums. Ursprünglich verlief dieser nämlich von 30 Hz bis 22 kHz, in Ableton 10 weist dieser jedoch einen Bereich von 10 Hz bis 22 kHz auf, was sich als sehr sinnvoll erweist um mehr Einfluss auf das Low-End zu haben. Ich hoffe, dass man dieses Frequenzspektrum zukünftig auch noch auf den Autofilter überträgt. Außerdem möchte ich in diesem Zusammenhang anmerken, dass der EQ8 leider immer noch keine Low-Cut-Funktion mit einer Flankensteilheit von 24 dB beinhaltet. Dieses kleine, aber sehr hilfreiche Feature wäre beim Producing und Mixing eine wirkliche Bereicherung.

Drum Buss

Mit an Bord sind auch drei komplett neue Effekt-Einheiten. Das erste neue Modul, welches den Namen „Drum Buss“ trägt, ist dafür gedacht, einer Drum- bzw. Beat-Gruppe, alternativ auch einzelnen Signalen, den gewissen Punch und Crunch zu verleihen bzw. die Bus-Gruppe zu verdichten. Mithilfe verschiedener Sektionen innerhalb des Plug-ins lassen sich daher Sättigungs- und Verzerrungsgrade erzeugen, Transienten bearbeiten und Frequenzen filtern. Was wirklich sinnvoll ist, ist die Möglichkeit, die Frequenz der „Boom-Sektion“ in Halbtonschritten regeln zu können, um so beispielsweise die Kick Drum frequenzgenau boosten zu können. Das leicht zugängliche Channelstrip-artige Modul ist eine Bereicherung, um rohes Ausgangsmaterial druckvoller, dreckiger sowie durchsetzungskräftiger zu gestalten. Der Effekt packt dabei ordentlich zu, mithilfe des Dry/Wet-Reglers lassen sich aber auch subtile Ergebnisse erzielen, die man dem Rohmaterial beimischen kann.

Pedal

Dieses neue Modul emuliert einen typischen Verzerrer-Effekte wie man ihn beispielsweise von Gitarristen kennt. Hiermit lassen sich vor allem sehr dreckige, aggressive und obertonreiche Ergebnisse realisieren, die man unter anderem auch auf Synth-Sounds anwenden kann. Für die Art der Verzerrung stehen dem Anwender die drei Modi Overdrive, Distortion und Fuzz zu Verfügung. Mithilfe des internen 3-Band-EQs lassen sich darüber hinaus bestimmte Bereiche frequenzabhängig anheben oder absenken.Die zusätzliche Sub-Funktion hebt den Frequenzbereich unterhalb von 250 Hz an, um einem möglichen Verlust des Bassbereichs entgegenzuwirken. Auch dieser FX Prozessor verfügt dankenswerterweise über einen Dry/Wet-Regler, sodass eine parallele Bearbeitung möglich ist. Der Versuch einen vielseitigen Verzerrer-Effekte mit unterschiedlichen Klangnuancen  anzubieten ist meiner Meinung gelungen. In der Praxis ist dieses Plugin in gewohnter Ableton-Manier sehr leicht zu handhaben und bietet durch die drei Charakteristika verschiedene Klangfacetten beim Sounddesign und Mixing.

Echo

Das neue Echo mit seinen entsprechenden Klangergebnissen erinnert mich, wahrscheinlich nicht zufällig, ein wenig an das legendäre Space Echo von Roland, dieses analoge Tape Delay ist in erster Linie für seinen lebendigen und charismatischen Vintage-Sound bekannt. Echo versucht diese Charakteristik auf unterschiedliche Art und Weise nachzuempfinden. Der neue Effekt besteht dabei aus zwei Delays und verfügt über die Modi Stereo, Ping Pong und Mid/Side. Beide Delays lassen sich verlinken oder unabhängig voneinander bearbeiten. Eine entsprechende grafische Darstellung im Zentrum des Effekts visualisiert die Einstellung der Delay-Zeit.

Um möglichst viel Tape Delay artige Färbung zu erzielen, gibt es allerhand Zusatzfunktionen. Mit der Aktivierung der Drive-Funktion lässt sich der Input-Regler in die Verzerrung fahren. Außerdem verfügt das Plug-in über einen eigenen Filter mit Low- und High-Pass-Funktion. Mit an Bord ist auch ein Reverb-Impuls mit der Möglichkeit, die Hall-Fahne einzustellen zu können. Zusätzlich beinhaltet das Plug-in auch ein LFO mit 6 Wellenformen, mit dem sich Delay-Zeiten und das Filter modulieren lassen. Zu guter Letzt gibt es noch den Reiter „Character“; hier finden sich vier weitere Funktionen (Gate, Ducking, Noise und Wobble), die sich wunderbar eignen, um das Klangbild zu modifizieren und lebendiger zu gestalten.

Mit dem Echo wurde der die Produktpalette an internen Effekten sinnvoll erweitert. Das Plugin bietet eine attraktive Alternativ zu Plugins von Drittanbietern, sowie zu den bereits vorhandenen Delay-Effekten (Simple Delay, Ping Pong Delay, Filter Delay) die in ihrer Klangcharakteristik eher für cleanere Ergebnisse sorgen. Jetzt, da man sich erfolgreich an ein neues Delay gewagt hat, würde ich mich zukünftig besonders über ein gänzlich neues Reverb mit einem entsprechenden Retro-Touch freuen.

Wavetable Synthesizer

Ableton ist in seiner neusten Ausgabe auch um einen vielseitigen Klangerzeuger reicher. Der neu integrierte 8-stiminge polyphone Synthesizer folgt dabei dem Konzept der Wavetable-Synthese. Hierbei wird auf kurz geloopte Samples zurückgegriffen, welche unterschiedliche Wellenformen beinhalten können. Um es direkt vorweg zu nehmen: Die Integration von eigenen Wavetables ist leider nicht möglich. Bei der Vielzahl an Optionen, die Abletons neuer Klangerzeuger bietet, ist dies aber auch nicht unbedingt nötig.

Der neue Software-Synthesizer besteht neben einem Sub-Oszillator, nämlich aus zwei identisch aufgebauten Oszillatoren, die eine sehr umfangreiche Auswahlmöglichkeit an Wavetables aufweisen. Es gibt 11 Kategorien, innerhalb der ausgewählten Gattung liegen entsprechende komplexe Samples vor, durch die sich stufenlos morphen lässt. Des Weiteren können die jeweiligen Wavetables mit drei Oszillator-Effekten (FM, Modern, Classic) versehen werden. Beide Oszillatoren können darüber hinaus sogar im Stereo-Panorama verteilt werden. Im Unison Modus lassen sich sechs verschiedene Algorithmen auswählen, mit denen sich das Klangbild durch eine Verstimmung der Oszillatoren im Stereobild verbreitern lässt. Dabei kommen in den verschiedenen Unison-Modi zusätzliche z.B. Hall-, Rausch, und verschiedene Phaser-artige Eigenschaften zu Tage die sich alle samt auf die Stereobreite des Signals auswirken.

Der Klangerzeuger verfügt daneben über zwei resonanzfähige Multimode-Filter mit sechs Filter-Typen in 12 und 24 dB Flankensteilheit sowie vier Drive-Typen, die man bereits auch aus dem Autofilter kennt. Darüber hinaus lassen sich beide Filter mit drei verschiedenen Verschaltungen (Serial, Parallel, Split) versehen. Um den Klang entsprechend im zeitlichen Verlauf zu formen, finden sich drei Hüllkurven zur Auswahl. Des Weiteren verfügt der Klangerzeuger über zwei unisono aufgebaute LFOs mit jeweils fünf Wellenformen.

Die interne Modulationsmatrix ist sehr logisch und intuitiv aufbaut was dem Anwender dadurch viel Freunde beim modulieren von Parametern bereiten wird. Die Quellen sind horizontal aufgeführt, die Ziele vertikal. Eine Bewegung eines beliebigen Parameters wird von der Matrix automatisch erkannt und als mögliches Ziel aufgeführt. Innerhalb der zehn festgelegten Sources findet sich übrigens auch das Parameter „Aftertouch“ welches sich mit einem entsprechenden MIDI-Keyboard auszulösen lässt.

Alles in allem also eine große Spielwiese an Features um mehr Lebendigkeit in den Sound zu tragen. Der neue Klangerzeuger bietet trotz vielseitiger Möglichkeiten auch ungeübten Usern einen leichten Zugang. Durch die unterschiedlichen und vielschichtigen Wavetables lassen sich mit diesem Instrument viele Aufgaben meistern. Das Instrument denkt von modernen über Retro-Sounds bis hin zu metallischen und FM-artigen Klängen eine große Bandbreite ab.

Ein weiterer Pluspunkt bei der Handhabung des Klangerzeugers ist außerdem, dass man sich das Plug-in über die gesamte GUI anzeigen lassen kann – ein einfacher Klick in die Titelzeile des Klangerzeugers genügt.

Max 4 Live

Auch in der Sektion der Max 4 Live Anwendungen, die eigentlich zur Erstellung eigener Gerätschaften dient, finden sich auch einige neue vorgefertigte Vertreter. So offenbart sich neben den sieben neuen Drum Synths (Clap, Cymbal, FM, HH, Kick, Snare und Tom) auch ein überarbeitetes LFO sowie ein Envelope- und Shaper-Modul. Jeweils mit der Neuerung, acht frei zuweisbare Parameter gleichzeitig mappen und entsprechend modulieren zu können.

Fazit

Mit zahlreichen kleineren Workflow-Optimierungen insbesondere bei der Handhabung von Audio und MIDI hat Ableton weiter daran gearbeitet, den Arbeitsfluss zu perfektionieren. Die neue Funktion Capture sowie den Multi Clip Editor kennt man zwar auch schon aus anderen DAWs, diese stellen aber eine klare Bereicherung bei der kreativen Kompositionsphase dar. Die drei gänzlichen neuen Effekt-Prozessoren sind in der Lage Signale beim Sounddesign und Mixing mit hervorragenden Klangeigenschaften zu veredeln. Insbesondere das neue Delay „Echo“ verfügt dabei über Tape-Delay-artige Merkmale die Sounds lebendiger modulieren. Das Plug-in „Drum Buss“ ist einer meiner persönlichen Favoriten, da es besonders Schlagzeuggruppen den nötigen Druck, Verdichtungsgrad und Charakter verpasst. Der neue Wavetable-Synthesizer lässt sich intuitiv bedienen und rundet die Palette an internen Klangerzeugern erfolgreich ab. Viele Punkte von meiner persönlichen Wunschliste hat das Major Update abgedeckt. Damit kann ich das Update nur empfehlen! Auch für Neu- und Umsteiger bietet Ableton eine leicht zugängliche Plattform, die besonders durch eine übersichtliche Nutzeroberfläche besticht.

Preis:

249,00 EUR

Weitere Informationen auf der Ableton-Website.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Ableton 10 , DAW , Producing

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