Test: Modal Electronics Cobalt5S / digitaler Synthesizer

Test: Modal Electronics Cobalt5S / digitaler Synthesizer

Tests. 29. Januar 2023 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Mit fortschreitender technologischer Entwicklung werden virtuell-analoge Synthesizer immer attraktiver, sowohl preislich als auch im Hinblick auf den Leistungsumfang. Die britische Firma Modal Electronics zeigte dies unter anderem mit den erschwinglichen Digitalsynths SKULPT und CRAFT 2.0. Die relativ neue Cobalt-Serie will das Arsenal des UK-basierten Unternehmens jetzt auch in der Mittelklasse ausbauen und kommt in verschiedenen Versionen. Dieser Test beschäftigt sich mit der günstigsten Variante, dem Cobalt5S.

Quick Facts

  • Virtuell-analoger Synthesizer mit zwei Oszillatoren und jeweils 40 Algorithmen
  • 37-Tasten Keyboard mit Aftertouch, fünfstimmige Polyphonie
  • Zwei LFOs, drei Hüllkurven, zwei unabhängige Effekte und ein Fünf-Achsen-Touchpad
  • Programmierbarer Arpeggiator sowie Echtzeit- und Stepsequencer mit vier Spuren
  • 16 Endlos-Encoder mit Push-Funktion

Verarbeitung und Haptik

Mit Abmessungen von 565 x 162 x 57 mm ist Cobalt5S ganz schön portabel. Dafür wiegt der Synthesizer stolze 2,36 kg, was an der soliden Verarbeitung samt metallener Bodenplatte liegen dürfte und dem Instrument einen überaus wertigen Gesamteindruck verleiht. Die Frontplatte scheint ebenfalls aus Metall gefertigt zu sein und ist passend zum Namen (dunkel-)kobaltblau. Der Rest des Gehäuses und die vielen Encoder, Buttons und Keys sind aus Kunststoff, wirken jedoch ebenfalls sehr stabil.

Das Premium FATAR 37-Tasten-Keyboard reagiert auf Anschlagsdynamik und Aftertouch, erntet allerdings Kritik für die geringe Tastengröße. Mit knapp 9 cm Länge sind die Keys zwar herkömmlichen Mini-Tasten eine Nase voraus, der leistungsstarken Soundengine des Cobalt5S werden sie aber trotzdem nicht gerecht. Ähnlich sieht es beim 5-Achsen-Touchpad für Pitchbend-, Modulationsrad- und weitere Modulationszuweisungen aus, weil es leider recht ungenau auf Berührungen reagiert und zu häufig ungewollt zur Mitte „zurückflitscht”.

Im Anbetracht des geringen Formfaktors des Cobalt5S ist es erstaunlich, dass Modal Electronics 16 Endlos-Encoder mit Push-Funktion integriert bekommen haben. Die Plastikkappen der Drehregler könnten zwar etwas griffiger sein, doch aufgrund zahlreicher Doppelbelegungen der verfügbaren Bedienelemente wären herkömmliche Potis ein ziemlicher Workflow-Killer. Für den nötigen Überblick beim Schrauben sorgt das kleine aber feine, ultrascharfe 1,54" OLED-Display.

Auf der Rückseite des Synths befinden sich 6,35mm-Klinkenbuchsen für Headphones, Left- und Right-Out sowie ein Sustain-In für zusätzliche Kontrolle. Pluspunkte gibt es für MIDI-In und -Out nach fünfpoliger DIN-Norm, als Alternative dienen Sync In und Sync Out im 3,5mm-Miniklinkenformat. Der USB-B-Slot kann ebenfalls MIDI-Signale verschicken und versorgt den Cobalt5S mit Strom – egal ob per angeschlossenem Rechner oder Powerbank. Der zusätzliche DC-In wirkt entsprechend überflüssig, zumal das passende Netzteil im Lieferumfang fehlt. Abgerundet wird die Anschlusssektion durch einen Power-Schalter und die klassische Kensington-Diebstahlsicherung.

Modal Cobalt5S Draufsicht.

Oszillatoren und Voice Modes

Cobalt5S beherbergt zwei unabhängige Oszillator Gruppen mit je 40 verschiedenen Algorithmen. Für alle Algorithmen gelten der Mix-Regler, der das Mischverhältnis beider Gruppen steuert bzw. mittels Shift-Kombination in Form von Oszillator-Drift fette Stereo-Sounds erzeugen kann. Wird statt Shift der Patch-Encoder gehalten, regelt das Mix-Poti den Glide-Anteil sukzessiver Noten. Bei Werten unter null arbeitet das Glide Feature des Cobalt5S nur bei legato gespielten Tönen, über null gleitet der Pitch auch, wenn Pausen zwischen den Eingaben sind (stakkato).

Wird der Mix-Regler gedrückt statt gedreht, während Patch gehalten wird, lässt sich durch die Voice Modes mono, poly, stack 2, unison 2 und unison 4 blättern. Während im Mono-Zustand zufällige Schwankungen im Tuning des Oszillators entstehen, sobald mit Drift gearbeitet wird, erzeugen die unison 2 und unison 4 Modi den klassisch fetten Detune-Sound von zwei bzw. vier virtuellen Oszillatoren pro Gruppe. Stack 2 ist praktisch duophon und im Voice Mode Poly kommt die insgesamt fünfstimmige Polyphonie des Cobalt5S zum Einsatz.

Die Algorithmen

Abgesehen von den obigen Global-Funktionen gibt es in Form der Regler A und B zwei Parameter, die sich je nach Algorithmus unterscheiden. Bei sage und schreibe 40 Algorithmen gibt es von komplexen, analogen Synthesetechniken über Crossmodulation à la Ringmod und Hard Sync sowie PWM, stufenlosen Morphings zwischen Wellenformen bis hin zu Bit Crushing und Noise eine Menge zu entdecken.

Beispielsweise ist Pulsweitenmodulation neben der klassischen Rechteck-Variante auch für diverse Mischwellen verfügbar, die verschiedenen Spread-Algorithmen erlauben neben Detune-Effekten bei niedrigen Regelwerten sogar intervallgetreues Stimmen in höheren Settings. Das Beste an der ganzen Sache: egal wie komplex die Wellenformen und deren Modulation am Ende sein mögen, das kleine OLED-Display bildet die aktuellen Schwingungsformen in Echtzeit ab.

Anschlüsse des Cobalt5S.

LFOs und Touchpad

Beide LFOs lassen sich gemäß der Parameter Rate inklusive Tempo Sync, Shape oder Depth justieren. Ferner verfügen beide über verschiedene Retrigger-Settings, die je nach Voice Modus mit jedem Tastendruck neustarten (Unison und Stack) oder nur dann, wenn nicht noch weitere Töne gehalten werden (Poly). Im Free-Modus wird gar nicht geretriggert und die verfügbaren LFO-Wellenformen sind Sinus, Dreieck, Rechteck, Ramp Up, Ramp Down, S+H sowie "Slewed" S+H. Letztere klingt etwas weicher, als die normale Sample-and-Hold-Variante.

Während LFO1 global greift, ist LFO2 polyphon, was besonders in Kombination mit Aftertouch für spannende Modulationen sorgt. Um den LFOs ein Modulationsziel zuzuweisen, muss lediglich der Mod-Taster betätigt und der zu modulierende Encoder bewegt werden. Das Routing des Touchpads erfolgt auf ähnliche Weise, wobei nach Betätigen des Mod Buttons noch der Encoder für die entsprechende Achse gepusht werden muss. Dann genügt jedoch wieder das simple Bewegen, des zu modulierenden Wertes. Insgesamt verfügt Cobalt5S eine umfassende Modulationsmatrix bestehend aus elf Quellen und 41 Zielen.

Hüllkurven und Filter

Cobalt5S verfügt über ein wandelbares 4-Pole Filter, dass den Ladder Filtern analoger Synthesizer von Moog und Co. nachempfunden ist. Zur Auswahl stehen die Modi Resonant Low Pass, Balanced Low Pass, Balanced High Pass und Balanced Phase. Der Cutoff reicht generell von 0 Hz bis 22 kHz und mittels Morph Poti wird von der 4-pole Variante über Bandpass zu 1-pole geblendet.

Die Ausnahme bildet die Balanced-Phase-Variante, hier lassen sich die Breite und Tiefe der beiden Notches morphen. Während Resonant Low Pass mit pfeifender Selbstoszillation punktet, überzeugen die Balanced-Modi mit geringerer Bassausdünnung und geringeren Resonanzwerten bei tieferen Cutoff-Settings. Erneut hilft das Display via grafischer Darstellung, beim Schrauben den Überblick zu behalten.

Zu guter Letzt haben Modal Electronics noch eine dedizierte Filterhüllkurve integriert, die vollwertig mit Attack, Decay, Sustain und Release arbeitet. Zum Justieren der Hüllkurve muss Shift aktiviert und mittels Push Encoder die Filter-Variante ausgewählt werden. Die Regler für ADSR gelten ebenfalls für die Amp- und Mod-EGs, wobei sich erneut mittels Push Encoder auswählen lässt, auf welche EG-Version sie zugreifen. Auch hier hilft das Display, indem es das Hörbare veranschaulicht, ein Buchstabe oben rechts in der Ecke (F, A oder M) sowie die LED unter dem jeweiligen Encoder geben Aufschluss, welche Hüllkurvenart aktiv ist.

Chorus- und Delay-FX

Die Effektsektion des Cobalt5S besteht aus einem Chorus- und einem Delay-Effekt. Ersterer kennt die Regelwerte Mod Depth, Rate, Feedback und Wet-/Dry-Mix. Das Delay lässt sich gemäß Time, Feedback, Filter, Mix, Delay-Typ und Clock Sync justieren. Wer bei Delay-Typen an Tape- oder Bucketbrigade-Emulationen denkt, sollte jedoch nicht zu viel erwarten, denn hier verbirgt sich lediglich die Option, zwischen Ping Pong und True Stereo zu wechseln.

Auch beim Filter handelt es sich nur um eine simple Lowpass-Variante, ein Multimode Filter mit Highpass-Funktion bei Werten über 63 wäre noch besser gewesen. Trotzdem sind die beiden Effekte eine solide Ergänzung der Klangpalette des Cobalt5S, besonders der Chorus punktet mit herrlichem, vibey Sound.

Arpeggiator und Sequenzer

Der Arpeggiator ist auf den ersten Blick überschaubar, mit Parametern wie Subdivision, Oktavreichweite, Laufrichtung, Gate und Swing oder Latch Mode. Weniger offensichtlich ist die Tatsache, dass der Arp des Cobalt5S auf bis zu 32 Schritte frei programmierbar ist, Pausen inklusive. Modal Electronics setzen sogar noch einen drauf und haben zusätzlich einen Sequenzer integriert, der wahlweise via Echtzeit-Recording oder Lauflichtprogrammierung beladen werden kann. Spätestens jetzt erschließt sich, warum Cobalt5S 16 Encoder mit jeweils eigener LED besitzt. Der Sequenzer hat eine Maximallänge von 64 Schritten mit maximal fünf Tönen pro Step sowie vier Automations Lanes.

Workflow und MODALapp

Es ist schon erstaunlich, wie viel Funktionalität Modal Electronics in nur 16 push-fähige Endlos-Encoder und vier Funktionstaster gequetscht bekommen haben. Während die Shift-Belegungen noch relativ nachvollziehbar sind, führt jedoch kein Weg am Blick ins Manual vorbei, sonst gehen wichtige Features durch die Lappen. Alternativ kann wie immer die MODALapp genutzt werden, um den Synthesizer vom Rechner, Tablet oder dem Handy aus zu bedienen. Besonders für Preset-Design und -Management kann das ein Segen sein, aber auch für Updates der Firmware.

Alternativen

  • ASM Hydrasynth Explorer (509 EUR)
  • Modal Cobalt 8M (544 EUR)
  • Korg Minilogue (439 EUR)

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Fazit

Das Beste am Cobalt5S von Modal Electronics ist der Sound. Die Emulationen verschiedenster, analoger Synthesevarianten sind nicht nur klanglich gelungen, sondern dermaßen vielseitig, dass es ein Weilchen dauern dürfte, „alle” Sounds des blauen Wunders einmal gehört zu haben. Während die Struktur aus Einsen und Nullen bei Digitalsynths in der Regel für hörbare Sprünge bei der Klangregelung sorgt, sind die manuellen Regelungen und Modulationen beim Cobalt5S überaus smooth geraten. Neben fetten Basssounds oder vibey Pads im Vintagestil kann der virtuell analoge Synthesizer aber auch ziemlich modern, klar und beinahe kühl klingen, besonders unter Zuhilfenahme pulsierender LFOs und Waveshaping. Der nächste große Pluspunkt ist der erstaunlich geringe Formfaktor des Cobalt5S, der das Instrument zusammen mit USB-Strom zum idealen Reisebegleiter macht. Demnach gilt es, die Kritik am doch sehr kleinen Keybed mit Vorsicht zu genießen, denn wer Portabel will, geht sowieso nicht von Fullsize-Tasten aus. Dennoch lässt der Spielspaß im Vergleich zur Klangregelung zu wünschen übrig. Wer sich davon oder dem doch ziemlich von Mehrfachbelegungen geplagten Workflow abschrecken lässt, sollte vielleicht den Cobalt 8M auschecken. Der bietet nämlich den Funktionsumfang des großen Bruders mit reichlich Hands-on-Kontrolle, kommt aber ohne integriertes Keyboard.

Gesamtwertung:
4,0 von 5,0

Pro

Gewaltiger und vielseitiger Sound
Ideal für unterwegs dank Größe und USB-Strom
Hochwertige und solide Verarbeitung

Kontra

Keybed zu klein für seriöses Spielgefühl
Touchpad relativ ungenau
Mehrfachbelegungen verschachteln den Workflow

Preis:

399,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Modal Electronics.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Arpeggiator , Cobalt5S , Modal Electronics , Real-Time-Sequenzer , step sequenzer , Synthesizer , virtual analog

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