Test: Roland JD-08 / Boutique-Synthesizer

Test: Roland JD-08 / Boutique-Synthesizer

Tests. 2. Juli 2022 | 3,0 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Passend zum 30. Jubiläum von Rolands legendärem Digitalsynth JD-800 bringt der japanische Hersteller jetzt eine Neuauflage auf den Markt. Das gute Stück heißt JD-08, ist Teil von Rolands Boutique-Serie und zusammen mit dem JX-08 eine der ersten Reissues mit neuem Chip. Das Original JD-800 wurde erst kürzlich als Plugin veröffentlicht und war in emulierter Form bereits in anderen ZEN-Core-Instrumenten verfügbar. Mit der dedizierten Hardware-Version will Roland jetzt auch die Hands-on-Kontrolle des Originals neu aufleben lassen. Ob der Workflow am Ende überzeugt und was sich sonst noch in der kleinen Kiste verbirgt, zeigt dieser Test.

Verarbeitung, Haptik und technische Daten

Als offizielles Mitglied von Rolands Boutique-Familie misst auch der JD-08 300 x 128 x 49 mm und wiegt mit Batterien 840 g. Das Gehäuse ist komplett aus Kunststoff und weist die ebenfalls Boutique-typische, andockbare Unterseite auf, an die Rolands optionales Keyboard K-25m oder das Dock DK-01 angeschlossen werden können. Das Soundmodul funktioniert aber auch out of the box einwandfrei, sieht nur etwas unfertig aus.

Der Stabilität tut es jedenfalls keinen Abbruch und der JD-08 ist in Sachen Verarbeitung grundsolide sowie seinem Preis angemessen. Das ist auch gut so, denn der integrierte Minilautsprecher und die Stromzufuhr per Batterie oder Powerbank machen den JD-08 zum idealen Reisebegleiter.

Was die Langlebigkeit der vielen Fader, Potis und Buttons angeht, gibt es ebenfalls wenig zu meckern, nur das Spielgefühl der 20 mm kurzen Schieberegler erweist sich als überaus frickelig. Die PALETTE-Fader sind zwar 30 mm lang, können jeden beliebigen Parameter steuern und so die kürzeren Regler praktisch umgehen, sind aber lediglich zu viert. LFO-Rate oder Oszillator-Tune werden zum Glück per Poti geregelt, ansonsten darf die mittlerweile fast Industriestandard gewordene Kombination aus Display und Data-Dial natürlich auch nicht fehlen.

Roland JD-08 Anschlüsse.

Auf der rückseitigen Anschlusssektion des JD-08 ist die wohl größte Neuerung der USB-C-Anschluss. Dieser ist ein willkommenes Upgrade zum wackeligen Micro-USB und dient als primäre Stromquelle. In Verbindung mit einem Computer kann der Synthesizer außerdem als Audio- und MIDI-Interface verwendet werden, wobei die Nutzung des JD-08 als MIDI-Controller wegen der kurzen Fader wohl nur wenig Freude bereitet.

Ansonsten gibt es noch MIDI-In und -Out nach fünfpoliger DIN-Norm, Phones- und Stereo-Out sowie ein Mix-In als 3,5 mm Miniklinke, ein extra Volume-Poti sowie den Power-Schalter. Ein analoger Sync-Eingang befindet sich auf der Oberfläche des Synths und erlaubt die Kommunikation mit Volca- oder Vintage-Gear.

Abgesehen von Clock-Signalen kann hier auch ein Trigger-Out verbunden werden, um noch mehr Interdependenz ins Setup zu bringen. Unter der Haube wartet Rolands JD-08 mit sage und schreibe 128-stimmiger Polyphonie, 108 Wellenformen sowie 256 Presetspeicherplätzen auf, von denen bereits 64 mit „originalen“ JD-800 Patches und 21 mit gänzlich neuen Presets belegt sind.

Im Lieferumfang des JD-08 befinden sich ein Quickstart-Guide und vier AA Batterien, eine feste Stromversorgung muss anderweitig aufgetrieben werden und den detaillierten User-Guide gibt es wie immer auf der Homepage von Roland.

Klangerzeugung und Sound

Rolands JD-08 kombiniert pro Patch vier Layer bzw. Tones zu einem Gesamtklang. Ähnlich wie bei Wavetablesynths dienen kurze PCM-Samples als Klangerzeuger, wobei jeder Tone eine eigene Wellenform spielen kann. Das Lautstärkeverhältnis dieser Tones lässt sich über die vier Palette-Slider regeln und per LFO und Co. modulieren. Anhand der angeschrägten Taster oben links am Gerät wird das aktive Layer angezeigt bzw. ausgewählt und kann dann mit den vielen Bedienelementen des JD-08 justiert werden.

Unter den 108 Waves des JD-08, die übrigens vom originalen JD-800 übernommen wurden, gibt es klassisch „analoge“ Rechteck-, Sägezahn-, Sinus- oder Dreieckswellen, die übrigen Loops und Oneshots haben einen digitaleren Charakter: Keys, Bells und Brass in Keyboard-kalter 90er-Ästhetik. Updates oder Erweiterungen des Wavepools sind im Gegensatz zum Vorbild JD-800 bisher noch nicht geplant.

Roland JD-08 Draufsicht.

Der Clou des JD-08 ist ähnlich zu JX-08 die Multitimbralität, die es dem Synth erlaubt, zwei Patches gleichzeitig wiederzugeben. So können praktisch acht Layer bzw. Tones kombiniert werden und mittels Keyboard-Split-Funktion ist sogar paralleles Echtzeitspiel möglich. Davon abgesehen handelt es sich beim JD-08 um einen relativ klassischen, subtraktiven Synthesizer, nur eben digital. Für den Sound heißt das klarere Obertöne und weniger klangliches Eigenleben. Letzteres lässt sich dank der vielschichtigen Patch-Struktur mit zwei mal vier Tones jedoch im Handumdrehen kompensieren.

Die 64 Original-Presets des JD-800 zeugen von einer Zeit, in der digitale Synthsounds als modern und revolutionär galten, aus heutiger Sicht sind die klirrig pulsierenden Klänge der meisten Factorypresets leider ziemlich kitschig. Umso besser, dass die umfangreiche Klangregelung des JD-08 auch moderne und überzeugende Patches hervorbringen kann.

Am besten funktionieren Pads und Atmo-Klänge bzw. die Mischung aus beiden dank Multitimbralität. So lassen sich Klangflächen beispielsweise mit überraschend stimmungsvollen Windchimes untermalen, pfeifende Windböen inklusive. Wer es hingegen schafft, die verzerrten Gitarren-Synths stilvoll zu nutzen, bekommt einen Preis von der Redaktion.

Hüllkurven und LFO

Während die meisten Synthesizer mit ADSR-Hüllkurven arbeiten, bietet Rolands JD-08 drei Multistage-Envelopes mit jeweils acht regelbaren Parametern. Die drei Hüllkurven können den Pitch, Filter oder Amp steuern und das praktisch doppelt so detailliert wie herkömmliche ADSR-Varianten. Als besondere Schmankerl gibt es noch Key-Follow-Funktionen, die das Ansprechen der Hüllkurve relativ zur gedrückten Taste verändern. Beim Amp kann mittels Bias Point und Bias Level sogar die Richtung bzw. Intensität des Effekts geregelt werden – so weit, so interessant.

Das Problem mit den Hüllkurven des JD-08 ist, dass sie sich die Fader teilen müssen. Das erfordert nicht nur das Umschalten zwischen Pitch-, Filter- und Amp-Envelope, sondern multipliziert sich wegen der Multitimbraiität und den vier Tones pro Patch noch weiter. Auch die beiden LFOs müssen mit nur einem Satz an Bedienelementen auskommen und teilen sich Rate, Delay und Fade-Regler.

Die verfügbaren Wellenformen sind Dreieck, Sägezahn und Puls sowie Sample and Hold und Noise. Die möglichen Modulationsziele sind wieder Filter, Pitch und Amp, mit entsprechendem LFO-Fader in der jeweiligen Regler-Sektion. Abgerundet werden die LFOs mit einstellbarem Offset und Key-Trig-Feature.

Filter und FX

Das integrierte Multimode-Filter des JD-08 kann entweder als Highpass, Bandpass oder Lowpass fungieren und ist wie die Hüllkurven pro Tone, also in vierfacher Ausführung, vorhanden. Die regelbaren Parameter bestehen aus Slidern für Cutoff, Resonanz, Envelope und Key Follow sowie einem Mode-Schalter mit drei Status-LEDs, um zwischen den Filtertypen zu wechseln.

Auch hier gibt es nur ein physisches Set an Bedienelementen, dafür klingt das Filter erstaunlich „analog“, was natürlich gut ist. Abgesehen vom Filter haben Roland noch weitere FX spendiert: Bereits das Original JD-800 wartete mit einem ganzen Arsenal an integrierten Effekten auf und arbeitete mit einer zweistufigen Multieffektsektion für grundlegendes FX-Chaining.

Dieses zweistufige System wurde beim JD-08 nachgebaut und die Auswahl an Distortion-, Phaser-, EQ-, Compressor-, Reverb-, Chorus- und Delay-Effekten erweitert. Spätestens seit den ZEN-Core-Instrumenten MC-101 oder MC-707 dürfte klar sein, dass der Sound von Rolands digital emulierten Effekten zur Oberklasse zählt und einfach Spaß macht. Die Bedienung der FX erfolgt weitestgehend via Data Dial und Display, alternativ zum Scrollen per Encoder können aber auch die Step-Taster als Shortcut zum entsprechenden Menüpunkt dienen – sehr cool!

Sequenzer und Arpeggiator

Der neue Sequenzer des JD-08 kann bis zu 64 Steps loopen und ist dank der Multitimbralität des Synths in doppelter Ausführung vorhanden, sodass für jeden aktiven Patch eine eigene Sequenz wiedergegeben werden kann. Zusammen mit aufnehmbaren Automationen, diversen Laufrichtungen sowie Random-Pattern-Generator handelt es sich hier um ein mächtiges Werkzeug. Ähnlich wie bei den Effekten passiert auch die Steuerung des Sequenzers weitestgehend mittels Funktions- und Step-Taster sowie dem Data Dial. Im Gegensatz zum Mini-Slider-Workflow funktioniert das auch ganz gut, für Automationen muss jedoch wieder zu den Fadern gegriffen werden.

Wem Echtzeit-Recording oder Lauflichtprogrammierung zu viel Aufwand sind, sei der Arpeggiator ans Herz gelegt. Dieser verfügt über ähnlich detaillierte Einstellungsmöglichkeiten wie der Sequenzer, von diversen Laufrichtungen bis zu Random-Funktionen, und ist ebenfalls pro Patch, also zweigleisig nutzbar. Damit liefert der JD-08 eigentlich mehr als ausreichend Tools zum Patternbuilding, doch wenn das Sounddesign mit den kurzen Fadern so wenig Spaß macht, will man die Hände vielleicht gar nicht freihaben.

Bei all der Kritik am haptischen Umgang mit dem JD-08 sind die Velocity- und Aftertouch-Funktionen hingegen positiv aufgefallen. Das Eingreifen in den Sound via Aftertouch und dynamisches Spiel fühlen sich bei wenigen Synths so lebendig und intuitiv an.

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Fazit

Auf digitaler Ebene handelt es sich beim JD-08 um eine hochwertige und originalgetreue Emulation des Klassikers JD-800. Doch während der Sound und die regelbaren Parameter stimmen, erweist sich die haptische Bedienung des doch recht kleinen Instruments als problematisch. Die 20 mm kurzen Schieberegler machen an sich schon wenig Freude, noch nerviger wird’s aber, wenn die vielschichtige Klangarchitektur des Synth ausgenutzt werden soll. Dann heißt es für jede Hüllkurve, jeden LFO oder jedes Filter, multipliziert mit vier Tones und zwei Patch-Layern, umschalten und Reglerwerte suchen. Auch der zweigleisige Sequenzer fühlt sich durch das viele Menü-Switching eher mühselig und nicht so inspirierend an wie etwa beim JX-08 (link). Die 128 stimmige Polyphonie samt Velocity- und Aftertouch verlagert die Bedienung zwar erfreulicherweise weg von den Fadern auf die Tasten, doch Rolands JD-08 ist definitiv einer der schwächeren aus der Boutique-Reihe. Wer nicht gerade die Pads und Atmo-Sounds feiert oder ein Faible für 90er/00er Jahre hat, darf den JD-08 getrost ignorieren. Wenn es unbedingt ein Multitimbraler Synthesizer mit Rolands neuem Chip und aufgemotztem Sequenzer sein soll, ist der JX-08 vielleicht die besser Alternative.

Pro

Originalgetreue Emulation des JD-800
Vielschichtige Architektur für komplexe Klänge
USB-C-Anschluss für mehr Stabilität

Kontra

Fader sind zu kurz
Zu viele Parameter auf zu wenig Bedienelemente
Klassischer JD-800 Sound ist Geschmackssache

Preis:

330,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Roland.

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