Test: Roland SP-404MKII / Sampler

Test: Roland SP-404MKII / Sampler

Tests. 15. März 2023 | 4,7 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Das Kürzel MKII steht ja eigentlich für eine Neuauflage eines bestehenden Produkts, doch Roland hat mehr als 15 Jahre nach dem legendären Original beim neuen SP-404 derartig viele Verbesserungen vorgenommen, dass der SP-404MKII nun wie ein eigenständiges Instrument daherkommt. So verfügt der Sampler jetzt über ein OLED-Display zur Darstellung von Wellenformen und allgemeiner Verbesserung des Workflows, hinzu kommen 37 routbare Effekte mit vielen Einstellungsmöglichkeiten und erstklassigem Sound sowie überarbeitete Sequenzer- und Recording-Optionen – der Hype ist also groß. Was noch alles in der kleinen Kiste steckt und wie sich Rolands SP-404MKII in der Praxis schlägt, zeigt dieser Test.

Verarbeitung, Design und Haptik

Der SP-404MKII wiegt schlappe 1,1 kg und misst 177 x 276 x 70 mm. Mit seiner länglichen Form erinnert er an einen übergroßen Taschenrechner, ansonsten gibt es am Design jedoch wenig zu meckern: Das Gehäuse besteht zwar vorwiegend aus Kunststoff, wirkt aber überaus stabil, die solide Verarbeitung und die schicken, leuchtenden Taster erwecken den Eindruck eines hochwertigen sowie ernstzunehmenden Musikinstruments. Das Frontpanel ist sogar aus Metall und lässt sich wie bei älteren SPs customizen und austauschen. Auch die Potikappen der Echtzeitregler können leicht abgezogen und getauscht werden. Notwendig ist das jedoch nicht, denn die Regler des SP-404MKII sind wie die restlichen Bedienelemente bereits ab Werk sehr zufriedenstellend.

So erinnern die 17 anschlagsdynamischen RGB-Pads nicht nur optisch an die Konkurrenz à la Ableton Push oder Maschine, sondern fühlen sich ähnlich wertig an. Auch das vermeintlich runde Display sieht nicht nur cool aus, es ist angenehm hell und trotz der Pixeloptik gut lesbar. Außerdem spielt es nach längerer Inaktivität trippy Screensaver-Animationen mit komplexen geometrischen Formen ab – epic! Ein Endlos-Encoder mit Push-Funktion hilft zusätzlich bei der Navigation durch die Menüs des Samplers.

SP-404MKII von Roland im Test.

Anschlüsse und technische Daten

An der Rückseite des Geräts befinden sich zwei Line-Ausgänge sowie zwei Line-Eingänge, alle im 6,3mm-Klinkenformat. MIDI-In und -Out sind ebenfalls mit von der Partie, allerdings nur als 3,5mm-Miniklinkenbuchsen. Adapter für die Übersetzung auf 5-polige MIDI-Stecker sind im Lieferumfang leider nicht enthalten. Dank der USB-C-Buchse kann der SP-404MKII sogar via Powerbank mit Strom versorgt werden. Ansonsten lässt sich hier auch ein Computer anschließen, sodass man mit Rolands SP-404MKII App am Rechner Samples bearbeiten und verteilen kann. Als Kirsche auf der Sahnetorte kann der USB-Port des SP-404MKII sogar zum Capturen und Streamen von Audiomaterial genutzt werden.

Ein Power-Schalter, der Eingang fürs Netzteil und eine Kensington Diebstahlsicherung runden die rückseite Anschlusssektion ab. Zwei Kopfhörerausgänge – einmal 6,3 mm und einmal 3,5 mm – wurden zugunsten des Kabel-Managements an der Vorderseite des Geräts untergebracht. Direkt daneben befinden sich der 6,3mm-Klinkeneingang für externe Signale sowie ein Kippschalter für die Eingangsempfindlichkeit plus dediziertem Gain-Regler. Zu guter Letzt haben Roland noch einen SD-Kartenslot an der rechten Flanke des SP-404MKII integriert und ein Batteriefach für sechs AA-Batterien an der Unterseite verbaut.

Der Roland SP-404MKII unterstützt den Import der Dateiformate WAV, AIFF und MP3, verfügt über 16 GB internen Speicher und arbeitet mit einer Klangqualität von 16 bit/48 kHz. Insgesamt können 16 Projekte gespeichert werden, wobei sich pro Projekt 160 Samples und Patterns – je 16 pro Bank – unterbringen lassen. Der Factory Content des SP-404MKII befindet sich im ersten Projekt, wo bereits neun der zehn verfügbaren Bänke belegt sind.

Nennenswerte Features des SP-404MKII sind 32-stimmige Polyphonie, Mute- und Pad-Link-Gruppen, justierbare Hüllkurven, diverse Playback-Modi sowie Rolls pro Pad, Wellenformanzeige mit Zoom für die Sample-Bearbeitung, 37 Effekte, Skip Back Sampling und der neuartige DJ-Mode. Letzterer erlaubt das parallele Mischen und Bearbeiten zweier Audiosignale beziehungsweise virtueller Decks. Skip Back Sampling hingegen speichert die letzten 25 Sekunden des wiedergegebenen Audiomaterials, sodass spontane Jams und Ideen geresampelt werden können, auch wenn keine gezielte Aufnahme gestartet wurde – Hallelujah!

Anschlüsse des SP-404MKII.

Getting Started

Rechnet man den Factory Content zusammen, kommt Rolands SP-404MKII mit fast 150 Sounds daher, darunter kürzere Oneshots für Drums und Co. oder längere Samples für harmonische und melodische Elemente. Wer direkt loslegen will, kann sich an den neun Preset-Songs austoben, die jeweils 16 Sounds auf die RGB-Pads gemappt und auf Grundlage derer bereits mehrere Sequencer-Patterns einprogrammiert haben. Der Übergang von Echtzeit-Performance mit Fingerdrumming zum Abfeuern von vorgefertigten Patterns ist dabei relativ fließend, weil laufende Patterns problemlos von manuell getriggerten Samples begleitet werden können.

Problematisch wird es aber, wenn inmitten der Performance ein neues Pattern aufgenommen oder bestehende Patterns mit Overdubs versehen werden sollen. Das geht nämlich nicht, ohne das Playback zu stoppen und somit die Performance zu unterbrechen. Wer also live performen möchte, kommt nicht daran vorbei, sich Zeit für die Vorbereitung der Patterns und Samples zu nehmen. Apropos Vorbereitung: Neue Samples lassen sich über den seitlich verbauten SD-Kartenslot importieren und sogar im Browser des SP-404MKII vorhören. Wer mit den Factorysounds arbeiten will, muss sich diese aus den entsprechenden Bänken "klauen", also kopieren oder verschieben, eine interne Library für die Stocksamples gibt es nicht.

Die Effekte

Die Effektsektion des SP-404MKII zählt wahrscheinlich zu den größten Stärken des Instruments. Mit sage und schreibe 37 verschiedenen Effekttypen von Delays und Reverb über Modulation bis hin zu zahlreichen Kompressoren, Verzerrern sowie Lofi- und Stutter-Effekten lässt die Auswahl keine Wünsche offen. Auch der Sound weiß zu überzeugen und profitiert von Rolands langjähriger Erfahrung im Business. Zusätzlich gibt es für jeden Effekt eine Menge Einstellungsmöglichkeiten, die alle in Echtzeit über die Drehregler oberhalb des Displays verändert werden können. Einziger Nachteil ist, dass für alle Effekte in der Praxis nur zwei routbare Busse zur Verfügung stehen und die Routing-Optionen des SP-404MKII diplomatisch gesagt komplex ausfallen.

Ein Erklärungsversuch: Eigentlich gibt es insgesamt vier Busse, wobei die letzten beiden als Master-Effekte reserviert sind und entsprechend nicht frei zugewiesen werden können. Außerdem ist die Auswahl dieser Mastereffekte auf sieben vorgespeicherte Favoriten-Kombinationen begrenzt, wobei die verfügbaren Zusammenstellungen immerhin gut funktionieren und sich noch gemäß ihrer Parameter nachjustieren lassen. Die Busse eins und zwei werden wahlweise seriell oder parallel an die ausschließlich seriellen Busse drei und vier gespeist.

Das bedeutet, dass man entweder mit einer Effektkette aus maximal zwei der 37 Effekte arbeiten kann oder mit zwei unabhängigen Effekt-Sends – jeweils plus Master. Jedes Pad kann an Bus eins oder zwei gesendet oder gänzlich uneffektiert wiedergegeben werden. So ergibt sich zwar eine gesunde Menge an Routing-Möglichkeiten, nur sind diese irgendwie unintuitiv implementiert. Statt den gesamten Workflow am Routing zu orientieren empfiehlt es sich eher, effektierte Sounds so lange zu resampeln, bis das Sample "dry" funktioniert. Dann können die ersten beiden Busse für die Performance genutzt werden.

Sequenzer und Workflow

Der Sequenzer des Roland SP-404MKII funktioniert ausschließlich mit Realtime-Recording. Die Aufnahmen lassen sich zwar quantisieren oder mit Grooves versehen, aber es gibt keinen Stepsequencer oder gut erreichbare Mute- und Mixing-Optionen. Außerdem kann immer nur ein Pattern aktiv sein und es gibt keine besonderen Schmankerl wie Trig Probability oder aufnehmbare Automationen – für Letzteres können immerhin manuell gespielte Parameterfahrten samt des zugehörigen Patterns geresampelt werden. Beim Samplen von externen Quellen wird das laufende Pattern aber nicht mit aufgenommen – super! Das Stressige beim resampeln von Patterns ist, sie im Anschluss aufs Pattern zu synchronisieren, besonders als Sample Loop. Hinzu kommen nur rudimentäre Lösch- und Undo-Funktionen, sodass der Sequenzer zunehmend an Relevanz verliert, Pattern Chaining hin oder her.

Der Workflow des SP-404MKII zirkuliert vielmehr um die Verfremdung und Effektierung von Samples und das funktioniert an sich auch echt gut. In Windeseile lassen sich Parts aus längeren Samples isolieren, reversen, loopen oder mit einer Hüllkurve versehen, sodass sich schnell neue Sounds erzeugen lassen. Diese können dann auf mehrere Pads kopiert und gepitcht werden, um Melodien zu erzeugen – an sich ein super Feature, nur stellt es den Chromatic Mode gehörig in den Schatten. Dieser kann nämlich nicht vom Sequenzer aufgenommen werden und verblasst als Gimmick für schnelles Live-Gedudel. Der Fokus auf dem Sampler-Workflow gibt dem SP-404MKII einen spannenden Oldschool Vibe und verschafft dem Instrument eine ganz eigene Nische.

Das nervige bei diesem Workflow ist aber, dass das manuelle Resampling samt Nachjustierung der Start- und Endpunkte des neuen Samples unfassbar zeitintensiv und fehleranfällig ist. Eine gewisse Einarbeitungszeit beziehungsweise Frustrationstoleranz ist also nötig, um das Optimum aus dem SP-404MKII herauszukitzeln. Trotz der eher Hip-Hop- und LoFi-orientierten Vermarktung des SP-404MKII eignet sich der Sampling-Workflow erstaunlich gut für oldschoolige House und Techno Jams. Mit den vielen Effekten bieten sich außerdem dubbige und atmospährische Stile an und insgesamt ist die Abwechslung vom Sequenzer- oder DAW-fokussierten Arbeiten erfrischend.

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Fazit

Gesamte Produktionen kann der SP-404MKII wahrscheinlich nicht stemmen, aber für die Ideenfindung sehr sehr hochwertiger Demos und Jams eignet er sich hervorragend. Das kauzige Kerlchen kann echt viel und klingt hervorragend, vorausgesetzt man lässt sich auf den beinharten Workflow ein. Es ist eine Menge Kopfarbeit und Vorbereitung notwendig, um die vielen Resamplings zu planen, doch auf diese Weise eröffnen sich einige Optionen, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. Aber auch ohne Workarounds haben Roland beim SP-404MKII eine Menge richtig gemacht. Für den Preis von knapp 500 Euro wird auf jeden Fall einiges geboten und die Verarbeitung stimmt auch. Der SP-404MKII lohnt sich vor allem als Sampler und Multieffekt, der dank Batteriefach und Strom per USB auch ideal für unterwegs geeignet ist. Dazu noch ein passendes Mikrofon und die Soundjagd kann beginnen.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
4,5 von 5,0
Klang:  
5,0 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,5 von 5,0

Pro

Großer Sound zum fairen Preis
Üppige Effektsektion
Sequenzer und Patternchaining
Line Ins zum Samplen
Auch für unterwegs geeignet

Kontra

Gewöhnungsbedürftiger Sampler-Workflow
Chromatic Mode nicht aufnehmbar

Preis:

439,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Roland.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Multieffektgerät , Roland , Sampleplayer , Sampler , sequenzer , SP-404MKII

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