Test: Soundtoys 5 / Plugin Bundle mit analogem Charakter

Test: Soundtoys 5 / Plugin Bundle mit analogem Charakter

Tests. 22. Juli 2023 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Das viel gehypte Plugin Bundle Soundtoys 5 hat mal wieder ein Update erhalten und steht jetzt bei Version 5.4.1. (Juli 2023) Die amerikanische Softwarefirma um Gründer Ken Bogdanowicz ist für ihre charakterstarken Plugins mit analogem Vibe und solidem Preis-Leistungs-Verhältnis bekannt. Kein Wunder also, dass die VSTs so beliebt sind. Das Bundle besteht mittlerweile aus 20 verschiedenen Effekten, von Delays und Reverb über Pitch Correction bis hin zu Modulation, EQ und Saturation. Ob Soundtoys V5 auch knapp sieben Jahre nach Veröffentlichung noch überzeugt, zeigt dieser Test.

Quick Facts

  • erhältlich für Windows (ab 7) und Mac OS (ab 10.12)
  • unterstützt AAX native, AU, VST2 und VST3 mit jeweils 64-Bit
  • 20 Effekte für kreatives Mixing und Musikproduktion
  • Effekt-Rack für speicherbare Effektketten
  • Auch ohne Dongle via iLok erhältlich

Überblick und Hintergrund

Ken Bogdanowicz war Teil des Teams, das den Algorithmus für Eventides legendären H3000 entwickelte und gilt seitdem als einer der detailverliebtesten Softwareengineers, wenn es um Audio geht. Das erste Plugin von Bogdanowicz war PurePitch, ein Pitch Correction Tool, das anfangs noch unter dem Namen Wave Mechanics lief. 1996 wurde das Unternehmen zu Soundtoys umbenannt und seit 2003 gibt es den FilterBoy, ein Plugin, das auch heute noch im Bundle enthalten ist. Zu den bekanntesten VSTs der Boutique-Schmiede zählen EchoBoy, ein Delay Plugin mit hochwertigsten Emulationen verschiedenster Analog- und Vintage-Echos, der Voice Modulator Little AlterBoy sowie das Saturation Tool Decapitator.

Seit Juni 2022 wird übrigens kein iLok-Account mehr benötigt, um Soundtoys 5 zu installieren, es sei denn, es sollen mehrere Geräte für die Nutzung der VSTs registriert werden. Die Installationsdatei umfasst 2,5 GB und es gibt umfangreiche PDF-Manuals im Netz. Nachlesen lohnt sich, um bei den vielen Einstellungsmöglichkeiten der VSTs nichts zu übersehen oder um nützliche Tricks zu lernen. Beispielsweise können Parameter der Plugins gefreezt werden, sodass sich deren Wert beim Ausprobieren von Presets nicht verändert.

Das Soundtoys 5 Bundle gibt es seit Oktober 2016 und kommt mit 20 Plugins: Devil-Loc, Devil-Loc Deluxe, Decapitator, Radiator und Little Radiator liefern Saturation und Kompression. Neuzugang der 5er-Version ist der Sie-Q, ein Equalizer auf Grundlage des legendären W295b von Siemens. FilterFreak, PhaseMistress, PanMan und Tremolator sorgen für Modulation, PrimalTap Little PrimalTap, EchoBoy, EchoBoy Jr. und Little Plate sind für Delays und Reverbs zuständig. Zu guter Letzt gibt es noch MicroShift, Little AlterBoy und Crystallizer für Pitch Modulation sowie das Effect Rack.

Das Effect Rack erlaubt es, aus den Plugins des Bundles eigene Ketten zu erstellen, die sich als Preset abspeichern lassen und kommt mit einem Sync Tool, das die Tempo-basierten Parameter verschiedener Plugins synchronisiert. Bei den “doppelten” Little- und Junior- Varianten der VSTs handelt es sich um abgespeckte Versionen, die in der Vergangenheit als limitierte und vergünstigte Promodeals erhältlich waren. In der Praxis halten sie die CPU-Auslastung gering und fördern den Workflow durch die vereinfachte Übersicht.

Effect Rack

Das Effect Rack der Soundtoys 5 erlaubt es, bis zu sechs verschiedene Plugins zu einer Kette zu kombinieren. Jedoch stehen nicht alle 20 VSTs des Bundles zur Auswahl, es fehlen Little AlterBoy, Devil-Loc Deluxe, Little Plate, Little Radiator und Little MicroShift. Mit 14 verfügbaren Effekten lässt sich allerdings eine Menge anstellen und bis zu fünf der sechs Slots können mit bis zu 128 Automationen versehen werden.

Ein Vorteil des Racks ist, dass die Effektketten nicht den Mixer-Channel der DAW überladen, was die Übersicht verbessert. Außerdem kommt das Rack mit einer üppigen und gut strukturierten Preset Library daher und erlaubt zusätzlich das Abspeichern eigener Ketten. Das beschleunigt den Workflow enorm und liefert im Rahmen der Factory Presets reichlich Inspiration. An oberster Stelle des Racks befindet sich eine Einheit, die beispielsweise das Tempo der zeitbasierten Parameter aus der Kette verwaltet.

Per Default richtet sich der Wert nach dem Tempo des DAW-Projekts, es lässt sich aber auch tappen, per MIDI steuern oder manuell eingeben. Hinzu kommen dedizierte Regler für Input und Output Gain, was eine enorme Hilfe beim Gain Staging darstellt. Zu guter Letzt gibt es noch ein Recycle Feature, welches das Output-Signal der Kette wie ein globaler Feedback-Regler zurück ins Rack speist. Das ist nützlich, um mehrere Effekte mit nur einer Reglerbewegung zu intensivieren und Automationsslots zu sparen.

Soundtoys Effektrack.

Little AlterBoy

Das einleitend erwähnte PurePitch Plugin bildet die Grundlage des Pitch und Formant Tools Little AlterBoy. Mit einer Reichweite von 12 Halbtönen rauf oder runter kann das Plugin Eingangssignale verschieben, im Quantize-Modus korrigiert es die Tonhöhe im Autotune-Style. Im Robot Mode werden alle Pitches des Drysignals auf den eingestellten Wert geschoben. Besonders musikalisch ist Little AlterBoy, weil der Pitch-Regler auf MIDI reagiert und sich beispielsweise per Keyboard spielen lässt. Abgerundet wird der Effekt mit einem Dry-/Wet-Regler und einem Drive Knob, der stark an die Röhrensättigung des Decapitators erinnert.

Mit nur vier Reglern ist Little AlterBoy erstaunlich überschaubar gehalten, dennoch zählt das Plugin zu einem der beliebtesten aus dem Bundle. Vermutlich hängt das mit der zunehmenden Menge an Cloudrap-Produzierenden zusammen, aber auch der überaus fette Sound verhilft Little AlterBoy zu seinem Ruhm als eines der meistverkauften Autotune VSTs. Wichtig ist jedoch, das Plugin am Anfang der Effektkette einzusetzen, weil es am besten mit trockenen, monofonen Vocals trackt. Andere Instrumente lassen sich leider nur mit mäßigem Erfolg durch das VST jagen.

Soundtoys Little ALterboy.

Crystallizer und Modulation

Soundtoys’ Händchen für Pitch-Shifting zeigt sich auch im Crystallizer Plugin. Dieses kombiniert die andere große Leidenschaft des Unternehmens, nämlich Delay bzw. Echo, mit Reverse und Pitch, was für herrlich schimmernde Klangwolken sorgt. Wie beim Crystal Echos von Eventides H3000 werden beim Crystallizer Teile des Eingangssignals gesampelt, bis zu vier Oktaven rauf oder runter gepitcht sowie vorwärts und rückwärts abgespielt, um den Effekt zu erzeugen. Mittels Splice Regler lässt sich die Länge der Samples justieren und bei moderateren Settings eignet sich der Crystallizer, übrigens genau wie MicroShift, zum künstlichen Erzeugen von Dopplungen oder zum Anreichern des Stereospektrums.

Ken Bogdanowiczs langjährige Erfahrung im Effektbusiness zeigt sich auch bei den zahlreichen Modulationseffekten der Soundtoys: Egal ob PhaseMistress, FilterFreak, Tremolator oder PanMan, die Algorithmen dieser Plugins haben einen fetten Sound, der einfach Spaß bringt. Hinzu kommen unzählige Einstellungsmöglichkeiten wie z. B. integrierte Sequenzer für die Modulations-LFOs von Phaser und Co.

Soundtoys Crystallizer.

Sie-Q

Das neueste Plugin aus dem Bundle ist der Dreiband-Equalizer Sie-Q, welcher wie gesagt auf dem Siemens W295b aus den 60ern basiert. Während EQs eigentlich eher zum Absenken unerwünschter Frequenzen gedacht sind, eignet sich Sie-Q hervorragend für additives Arbeiten, weil die verschiedenen Bänder mit ihrer charaktervollen Färbung den Sound bereichern. Die High- und Lowshelves sitzen bei 40 Hz und 15 kHz und lassen sich bis zu 15 dB boosten oder absenken. Der Lowshelf setzt bei etwa 3 kHz an und beeinflusst Pultec-mäßig die Mitten: Wird geboostet, passiert eine leichte Absenkung bei ca. 600 Hz und beim Cutten werden die Mitten leicht betont.

Der Highshelf setzt bei ungefähr 700 Hz an und funktioniert bei negativen dB-Werten relativ erwartungsgemäß, beim Anheben des Bandes zeichnet sich der Klang durch eine Glockencharakteristik aus, die den Frequenzbereich über 15 kHz absenkt. Die Mitten haben einen Regelbereich von +/- 8 dB und können bei 0,7, 1,0, 1,5, 2,3, 3,5 oder 5,6 kHz ansetzen. Die Flankensteilheit ist hier abhängig vom dB-Wert und wird schmaler, je extremer geboostet bzw. gecuttet wird. Abgerundet wird auch dieses Plugin von einem Drive Regler. Als einziger EQ des Bundles wird klar: Soundtoys wollen vor allem färben und das können sie sehr gut!

Sie-Q

Decapitator, Radiator und Devil-Loc

Apropos Drive: Der Radiator basiert ebenfalls auf 60s Gear und ist dem Altec 1567A Röhrenmixer nachempfunden .Abgesehen von den Shelving EQs für tiefe und hohe Frequenzen genügen dem Radiator Regler für Input und Output Gain sowie Dry-/Wet-Mix. Wer will, kann das Grundrauschen des Vorbilds zuschalten, und dank dem ebenfalls originalgetreuen VU-Meter ist die Sättigung auch fürs Auge erkennbar. Etwas differenzierter gehts beim Decapitator zur Sache. Dieser kommt mit fünf Algorithmen für verschiedene Sättigungscharakteristika daher und hat einige Tricks auf Lager. Zum Beispiel kann mittels Thump ein Bassboost zugeschaltet oder per Steep die Flankensteilheit der EQs variiert werden.

Mit dem Auto Button passt der Decapitator das Ausgangssignal automatisch an das Inputlevel an, was beim Gainstaging eine enorme Hilfe darstellt. Nicht zuletzt dank des Punish Features, welches den Input Drive nochmal um 20 dB verstärkt, eignet sich der Decapitator auch hervorragend für extreme Verzerrungen. Der “Audio Destroyer” Devil-Loc ist eigentlich ein Limiter, der ebenfalls mit Drive und Sättigung zu verzieren weiß. Besonders als Parallel Effekt für Drums ist dieses Plugin auf zahlreichen Aufnahmen zu hören.

Soundtoys Decapitator.

EchoBoy

Soundtoys EchoBoy ist vermutlich das meistverbreitete Plugin aus dem Bundle. Das liegt vor allem an den absolut überragenden Emulationen von ikonischem Vintage Gear wie dem RE-201 Space Echo oder EP-3 Echpolex. Die 16 Styles des EchoBoy decken von Bucket Brigade über Tape bis hin zu Röhren-Delays einfach alles ab und klingen so analog wie ein VST-Plugin nur klingen kann. Via Style Edit öffnet sich außerdem ein umfassendes Drop-down-Menü, in dem sich die Frequenzansprache verteilt auf Höhen, Parametrischen Mitten und Tiefen regeln lässt und der Sound mit Diffusion, Wobble und Saturation angereichert werden kann.

Ansonsten ist EchoBoy relativ überschaubar gehalten: Mix-Feedback und Time bilden die Kernparameter, es gibt Tap Tempo mit Swing und Feel-Reglern sowie separate High- und Lowcuts für die Feedbackschleife. Neben einfachen Single Echos können auch Dual- und Ping-Pong-Varianten ausgewählt werden und im Rhythm-Modus lassen sich bis zu 16 Repeats mit variabler Lautstärke sequenzieren. Dabei hilft ein Display, in dem sich die gewünschten Wiederholungen in Sachen Abstand und Lautstärke frei einzeichnen lassen.

Soundtoys Echoboy.

Fazit

Was den Sound betrifft, sind die Soundtoys Plugins absolute Oberklasse. Die Emulationen analoger Schaltkreise sind derart gelungen, dass wohl nur der Real Deal, also tatsächlich analoges Outboard Gear, noch klangliche Verbesserungen liefern würde. Dass der amerikanische Hersteller auch Vintage-digital-Sounds hervorragend umsetzen kann, ist angesichts der Firmenhistorie keine Überraschung und beschert dem Klang des Bundles aus 20 Effekten zuverlässig die Höchstwertung samt Titel “best of both worlds”. Trotz der großen Anzahl an VSTs gibt es jedoch einige Überschneidungen, beispielsweise in Form der Junior-Versionen von EchoBoy und Co. Außerdem deckt das Bundle nicht jede Anforderung des Producing-Alltags ab und ist nicht wirklich als Rundum-sorglos-Paket zu verstehen. Die Plugins bestechen eher mit ihrem speziellen Charakter und stimulieren dank der vielen Einstellungsmöglichkeiten und der intuitiven Bedienbarkeit die kreativen Juices. Hinzu kommt der absolut faire Preis von umgerechnet knapp 25 Euro pro VST und die Kaufempfehlung steht.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
4,5 von 5,0
Klang:  
4,5 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,5 von 5,0

Pro

Verlockendes Preis-Leistungs-Verhältnis
Schöne Analog-Emulationen mit Liebe zum Detail
Zahlreiche Features und Einstellungsmöglichkeiten
Intuitive Bedienung

Kontra

Überschneidungen zwischen manchen Plugins

Preis:

499,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Soundtoys.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Decapitator , EchoBoy , Little AlterBoy , Soundtoys 5

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