Up and Coming: Janein und SEELEN.-Records
© Nils Holgerson

Up and Coming: Janein und SEELEN.-Records

Features. 17. November 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Nastassja von der Weiden

Unsere Autorin Antoinette Blume traf den Leipziger DJ, Labelbetreiber und Producer Janein zum Interview – zwischen Jetset, Instagram und seinem Debut in der Säule im Berghain.

Janein ist kein ganz so unbeschriebenes Blatt mehr – in Leipzig wird Jan Götze, wie er wirklich heißt, als der nächste Shooting-Star der Technoszene gehandelt. Den großen Schub nach vorne brachten ihm nicht nur Auftritte im Bassiani in Tiflis, dem Sub-Club in Melbourne und der Säule in Berlin, sondern auch und vor allem sein Label SEELEN., das er gemeinsam mit seinem Partner in Crime Stigmatique betreibt. Berühmt-berüchtigt sind die Partys des Labels im About Blank in Berlin, dem objekt klein a in Dresden und die vierteljährlich stattfindenden Events im Institut fuer Zukunft in Leipzig. Kürzlich erschien die 5. Scheibe des Labels, eine EP mit zwei Tracks und zwei Remixen. Es sind nicht die ersten Tracks von Janein, die auf Vinyl erscheinen, aber die erste eigene EP. Wir haben den in Halle lebenden Künstler zwischen zwei Auftritten abgepasst und ihn zu ‚Techno-Punk‘, seinem Label und seinen Zielen befragt:

 

DJ LAB: Deine erste eigene EP ist gerade auf deinem Label Seelen mit zwei Remixen von Fiedel und Inhalt der Nacht erschienen. Wie fühlt sich das an? 

Janein: Wie fühlt sich das an … ich produziere seit sechs Jahren Musik und bin nie wirklich zu dem Punkt gekommen, dass ich wirklich zwei passende Gegenstücke für eine EP hatte – denn eine EP beinhaltet eben mehr als einen Track. Das war für mich irgendwie schwierig, sich so darauf zu fokussieren. Irgendwann ist der Knoten geplatzt. Das hat aber auch ein halbes Jahr gedauert, in der Zeit habe ich immer wieder an der EP gearbeitet – also die Tracks umgeworfen, alles gelöscht, nochmal von vorne angefangen. Irgendwann muss man dann mal ein Ende finden und das habe ich dann endlich geschafft. Jetzt ist es draußen und ich bin ziemlich zufrieden, eigentlich sehr zufrieden. Von 200 Pressungen sind 130 weg.  

 

Auch erleichternd, oder?

Ja, erleichternd schon. Man lernt eben immer, wenn man etwas abgeschlossen hat, etwas Neues dazu. Das ist für mich wie ein Kapitel, das abgeschlossen ist. Danach setze ich mich quasi ans nächste Buch. 

 

Lief einer der Tracks schon im Berghain? Das ist immer so eine typische Frage, ich stelle sie dir trotzdem.

Ja, er lief schon im Berghain, vor der offiziellen Veröffentlichung sogar. In so einem Raum wie im Berghain, wenn man dann dort steht und dann wird dein eigener Song gespielt, das ist schon ein „Aha-Erlebnis“.

 

Wer hat den Track gespielt?

Fiedel war das. 

 

Du spielst jedes Wochenende in einem anderen Club. Welche Auftritte sind dir dabei besonders in Erinnerung geblieben?

Ich spiele nicht jedes Wochenende, ich versuche mir mindestens ein Wochenende frei zu halten. Ich will auch Qualität bringen. Und das kann man nicht, wenn man zehn Gigs pro Monat hat, finde ich. In Erinnerung geblieben ist mir der Auftritt im Bassiani. Das hat alles getoppt, was ich bis dahin kannte. Auch weil ich dort mit jemandem back-to-back gespielt habe, den ich überhaupt nicht kannte (Zitto, Anm. d. Red.) und wir uns nur auf Englisch unterhalten konnten. Aus unserem Soundcheck über die Club-Anlage wurden dann schnell zwei Stunden und dann haben wir noch ein Closing von 6 bis 14 Uhr zusammen gespielt. Ich denke, das spricht für sich. Mein Debüt in der Säule im Berghain war natürlich auch etwas Besonderes, wobei ich da weniger aufgeregt war als meine Freunde, die mit dabei waren. Gucken wir mal, was noch so passiert. 

 

Du bist seit Kurzem bei einer bekannten Agentur. Man bekommt als Außenstehende das Gefühl, dass es jetzt so richtig kracht und die Gigs, vor allem im Ausland, immer mehr werden. Wie wichtig ist es als DJ, bei einer Agentur zu sein? Geht es überhaupt ohne? 

Ja, es geht ohne. Ich habe die fünf Jahre, bevor ich zu meiner Agentur kam, das Booking komplett alleine gemacht. Ich habe mich alleine ins Bassiani gebucht, um mal so ein Verhältnis zu haben. Man kann es schaffen, aber man muss natürlich seinen eigenen Weg finden. Wie man sich ausdrückt, ist echt entscheidend. Ich glaube, es gibt nichts Schlimmeres, als jemanden, der 20 Mails schreibt und nervt. Man sollte wissen, wer man selbst ist, was man kann und sich verkaufen können – dann funktioniert es auch ohne Booking-Agentur. Manche Veranstalter schreckt eine Agentur sogar ab, gerade wenn es junge Künstler sind, weil sie dann gleich mit horrenden Preisen rechnen. Aber, ganz klar, eine Booking-Agentur öffnet dir nochmal ganz andere Türen.

 

© Nils Holgerson

 

Wie kamst du zu deiner Agentur, wie kann man sich das vorstellen? Wird man entdeckt, bewirbt man sich?

Wir haben eine unserer Label-Nächte im Institut fuer Zukunft in Leipzig veranstaltet, das war unsere 1-Jahr-Seelen-Party, und eine Bookerin von Apelago kam zu der Party. Dort habe ich anscheinend alles soweit abgeräumt und daraufhin kam sie auf mich zu. Sie hat mich dann nach Berlin eingeladen. Wir haben uns zweimal getroffen und uns ausgetauscht – darüber, was meine Erwartungen sind und was die andere Seite von mir erwartet. Ist eben ein Geben und Nehmen. Ich bin echt zufrieden damit und bin mittlerweile mit meiner Bookerin befreundet, kann man sagen. Der persönliche Aspekt ist mir natürlich wichtig, damit ich nicht das Gefühl bekomme, ich bin ein Produkt.

 

„Die Leute sind nun mal interessiert an diesem Leben, was da passiert … ob ich einen Zug nehme, wo ich ankomme oder ins Flugzeug steige – das ist halt so.“

 

Du benutzt deinen Instagram-Account ausschließlich für Selbstwerbezwecke. Welche Bedeutung würdest du Instagram für DJs zuschreiben? Ist ein aktiver Instagram-Account mittlerweile wichtiger als SoundCloud?

Wichtiger als SoundCloud nicht. Wichtiger als Facebook vielleicht. Die Tendenz, dass Instagram immer mehr Bedeutung bekommt, das ist auf jeden Fall spürbar. Am liebsten würde ich dem Ganzen eigentlich gar keine Bedeutung geben wollen, weil es eben unheimlich viel Zeit frisst, täglich vorm Handy zu sitzen und ständig zu gucken, was geht. Ich nehme mir die Zeit aber, weil mir bewusst ist, dass das auch irgendwo wichtig ist, um einen Namen zu kreieren und mit Leuten in Kontakt zu kommen. Die Leute sind nun mal interessiert an diesem Leben, was da passiert … ob ich einen Zug nehme, wo ich ankomme oder ins Flugzeug steige – das ist halt so. 

 

Es gibt einige DJs, die immer wieder in den Stories auftauchen und auch bei den Label-Nächten dabei sind. Aus welchen DJs besteht die Seelen-Crew mittlerweile?

Wir haben einen festen Kreis, der aus Shaleen, Narciss, Verschwender, Inhalt der Nacht, Stigmatique und Karapapak, der jetzt ganz neu mit dabei ist, besteht. Wir sind so der feste Kern. Bei uns passiert einfach gerade viel, wir sind alle befreundet und wissen, an welchem Punkt wir sind und tauschen uns darüber aus. Nächstes Jahr kommen wohl noch zwei neue Künstler dazu. Ich würde gerne noch mehr Leute aufnehmen, das Problem ist bei einem Vinyl-only-Label aber, dass ich die Musik von den Künstlern, die bei uns releasen, nicht zwei Jahre liegen lassen möchte. 

 

Apropos Releases – was passiert da als Nächstes?

Gerade läuft es gut, wir sind schon bis Mitte/Ende 2020 durchgeplant. Im Januar gibt es unsere 2-Jahres-Party mit Freddy K. und Tobias vom Berghain, wieder im IfZ in Leipzig. Und an Releases kommen jetzt EPs von Narciss (Seelen006), Stigmatique (Seelen007), Shaleen (008) und dann kommt noch mal eine EP von mir, mit Remixen von Somewhen und Peryl. Also da ist schon alles fertig, meine Tracks sind jetzt gerade bei den Jungs zum Remixen. 

 

Und was macht den darken, eingängigen Seelen-Sound aus? 

Wir sind zwar düster, aber breit gefächert. Na gut, was den Seelen-Sound ausmacht, das entscheiden Marcus (aka Stigmatique, Anm.d.Red.) und ich (lacht). Bei uns muss es nicht immer der düstere Industrial-Sound sein. Schwierige Frage. Ich würde sagen, unser Sound ist modern. Was eben ein Spiel mit dem Feuer ist, denn was heute in der Szene modern ist, kann morgen schon wieder out sein. Wir haben EBM, breakige Sounds, manchmal ist es sogar poppig. Trotzdem könnte man die Tracks gut in einem Set spielen. Aber es ist super schwierig, das zu definieren. Nennen wir es einfach das Seelen-Genre, den Seelen-Sound (lacht). 

 

„Seelen is Punk“ ist euer Slogan, den du sogar auf dem Bein tätowiert hast. Was hat es damit auf sich? Die Beschreibung der Musikrichtung ist es ja nun nicht.

Marcus und ich kommen aus der Hardcore-, Punk-, Metal-Ecke. Ich bin mit 15 dauernd ins Conne Island gegangen, bin meinen Lieblingsbands hinterhergereist, von Bühnen gesprungen. Ich hab das schon sehr gelebt. Und dann kam der Techno. Ich bin ziemlich sicher, dass die Zeit sehr inspirierend für mich war und deshalb ist unser Techno auch Punk, Techno-Punk. Und ansonsten spielt der Slogan auch auf unsere politische Einstellung an. Wir haben zum Beispiel bei einer Aktion des IfZ für Geflüchtete in Leipzig gespendet und wollen mit dem Geld, das wir verdienen, auch weiterhin solche Projekte unterstützen. Es gibt momentan genügend Künstler, die am Wochenende ihre 5.000, 10.000 Euro verdienen, nicht wissen, wo oben und unten ist. Wieso kann man nicht was von den Gagen an Projekte spenden.

 

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Live-Set oder DJ-Set – was liegt dir mehr? Findest du, es ist notwendig, als Producer auch live zu spielen?

Nicht wirklich, die Notwendigkeit sehe ich nicht, dass man als Producer auch Live-Act in irgendeiner Weise sein muss. Das Produzieren, also dieses Auseinandersetzen mit der Musik, beeinflusst mich beim Auflegen, da ich weiß, wie Tracks aufgebaut sind. Ich selbst würde nie live auftreten, glaube ich. Ich finde es so viel geiler Musik von anderen KünstlerInnen zu spielen, da habe ich einfach viel mehr Möglichkeiten. Live-Sets sind auch meistens nur eine Stunde. Es ist schön, das anzuschauen, wenn das jemand kann, aber für mich ist es nichts. 

 

Gibt es KünstlerInnen, die eine Art Vorbild für dich sind? Oder andere Inspirationsquellen?

Hm, hier und da gibt es Tracks, wo ich das Gefühl habe, die Person verstehen oder emotional nachvollziehen zu können. Die meiste Inspiration hole ich mir aber aus dem Alltag und aus dem Weltall, das finde ich sehr interessant. 

 

Weltall? Du gehst also gerne ins Planetarium?

Nein, nicht ins Planetarium. Ich gucke sehr gerne Dokumentationen darüber und finde das alles sehr inspirierend, wenn man sich vorstellt, wie so ein Komet durch den Weltraum fliegt und man sich fragt: Wie könnte das klingen? Ansonsten respektiere ich Künstler, die schon seit Ewigkeiten dabei sind, zum Beispiel Fiedel. Und natürlich meine eigenen Leute, die bei unserem Label mit dabei sind. Von denen habe ich in den vergangenen anderthalb Jahren mehr gelernt, durch das gemeinsame Jammen und über Musik sprechen, als in den fünf Jahren davor. Sonst bin ich eben auch von Bands inspiriert, meine damaligen Lieblingsbands waren zum Beispiel Your Demise und Power Trip.

 

Wo werden wir dich demnächst auflegen sehen und hören?

Es geht erstmal nach Bielefeld (lacht). Dann nach Südkorea, nach Australien und Neuseeland. Wir schauen jetzt noch in Vietnam, Japan oder China, ob die Agentur da was reinkriegt. Und nächstes Jahr hoffentlich eine Südamerika- und USA-Tour. 

 

Okay, krass. Bei den Aussichten – was ist eigentlich dein Traum, als DJ?

Puh, keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Manchmal ist es mir jetzt schon zu viel, dann aber auch wieder nicht. Ich will einfach möglichst lange Musik spielen. Dass Leute die besten Nächte bei meiner Musik und den Seelen-Partys erleben, über die sie noch mit 80 mit ihren Freunden reden, wenn sie zusammensitzen (lacht). Und ich hoffe, ich habe einfach selbst noch lange Spaß daran.

 

Du hast keinen Plan B, oder?

Ich habe mal eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gemacht, die habe ich abgeschlossen. Da könnte ich sicher irgendwo arbeiten. Aber eigentlich habe ich keinen Plan B, ich habe einen Plan A und auf den konzentriere ich mich. Es kommen auch gefühlt jeden Tag neue Anfragen rein, es geht weiter. 

 

Es bleibt also spannend.

Ja, auf jeden Fall, hoffentlich. 

 

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