Workshop: Techno produzieren mit 2pole – Teil I: Kick, Bass und Groove

Workshop: Techno produzieren mit 2pole – Teil I: Kick, Bass und Groove

Workshops. 13. August 2020 | 1,0 / 5,0

Geschrieben von:
2pole (Marcus)

2pole. Diesen Namen dürften Techno-Fans zuletzt immer häufiger gelesen haben, denn die beiden Musiker sorgen derzeit für mächtig Betrieb auf den Tanzflächen. Von Adam Beyer über Tale of Us bis zu Ida Engberg spielten sämtliche Größen der Szene ihre Tracks in den kleinen Clubs und auf den großen Floors der Festivals. Wir konnten Mitglied Marcus für eine Workshop-Serie gewinnen, in der er die Herangehensweise beim Techno-Produzieren nachvollziehbar erklärt: 

Techno produzieren: Heute startet unsere neue Workshop-Reihe direkt aus meinem Studio und mit Blick hinter die Kulissen meiner Techno-Produktionen. Das erste Projekt entsteht komplett im Rechner, also ohne externe Hardware zu nutzen. Die DAW auf meinem iMac ist Ableton Live 10. Live ist in den letzten Jahren stark verbessert worden und zählt mittlerweile zu den meistgenutzten DAWs weltweit. Ich nutze gerne Ableton Live, da ich meinen Workflow für die Entwicklung neuer Sounds sowie das Finden von Basis-Ideen und die Erstellung von Songstrukturen, sehr gut umsetzen kann. Außerdem ist die DIY-Schnittstelle Max for Live grandios gelöst und erweitert die Möglichkeiten für Klangbearbeitung, Modulationen und Sequencing ungemein.

Techno lebt von der richtigen Kick-Drum

Zu Beginn erzeuge ich in einem neuen Projekt eine MIDI-Spur für meine Kick Drum, die ich vorerst als Dummy einfüge, um eine Art Metronom für meine nächsten Schritte zu haben. Hierfür nehme ich das Plugin 'BazzISM2'. Für die Kick sollte ein kürzeres Decay (in diesem Beispiel ist das die Ausklangzeit der Wellenform) reichen, um den nachfolgenden Instrumenten mehr Freiraum zu lassen.

Das Bazzism Drum Synthesizer Plugin.
Der Kick-Synthesizer 'Bazzism'.

Die Volumeregler jeder neu erzeugten Spur stelle ich auf -6 dB, um meinem Mix von Anfang an genug Headroom zu lassen und nicht direkt den Master-Kanal digital zu übersteuern. Der Master-Kanal-Regler sollte bei 0 dB fixiert sein, sodass man hier immer im Blick hat, ob ein Sound und/oder der ganze Mix „clippt“, also digital übersteuert. Falls ihr Plugins auf den Master-Kanal legen würdet, wird so auch kein übersteuertes Signal in das Plugin geleitet. Das ist sehr wichtig für die interne Berechnung der Effekte.

 

Percussion-Sounds bringen den Groove

Als Inspiration nehme ich nun den Kontakt Synth 'Signal'. Dieser auf Samples basierende Synthesizer funktioniert auch sehr gut in dem kostenlosen Plugin Kontakt Player. Signal besitzt zwei „Engines“, in die man jeweils vorgegebene Samples (25 aufgenommene Instrumentensounds und 25 aufgenommene Synth-Sounds) als Oszillator-Sound, bzw. Basis-Ton laden kann. Jede „Engine“ hat zusätzlich zwei sogenannte „Pulse Engines“, die den Basis-Sound modulieren sollen, d. h. zum Beispiel Lautstärke-, Panorama-, interne Effekt- und Filterbewegungen erzeugen, aber auch diesen Sound rhythmisch anordnen. Es entsteht eine Melodie und/oder ein Groove.

Output Signal für den Kontakt Sampler.

Auch hier kann man zwischen vier Pulse-Typen wählen, Wave (eine Art LFO mit 15 verschiedenen Wellenformen), Step (Stepsequenzer mit 72 veränderbaren Pattern-Presets), Arp (ein Arpeggiator mit ebenfalls 72 veränderbaren Pattern-Presets) und Loop (die Sound-Wellenform kann ebenso rhythmisch geloopt werden). Im Paket sind etliche Presets für alle möglichen Musikgenres enthalten, die ihr sehr gut als Ausgangspunkt nehmen könnt. Der Browser ist im typischen NI-Stil aufgebaut. Durch Anklicken verschiedener Eigenschaften werden euch die passenden Presets angezeigt.

Natürlich kann man aber an dieser Stelle auch andere Synthesizer nutzen, der Ablauf ist dabei sehr ähnlich und kann übertragen werden. Das gilt im Übrigen für sämtliche hier verwendeten Instrumente, meine Auswahl soll nur als Orientierung gelten.

Ich will beim Techno-Produzieren bei null anfangen und nehme deshalb das „Init“-Preset. Für die linke Engine nehme ich als Soundgrundlage „Sine Pluck“. Um den Sound auch dann zu hören, ohne ständig die Keyboard-Taste anzuschlagen oder ein Controller-Pad zu drücken, setze ich in der Session View von Live einen eintaktigen Loop mit einer durchgehenden für mich von der Tonhöhe passenden Note. Rhythmische Patterns erzeuge ich nun in der „Main Rhythm“-Sektion und wähle hier einen „Arp“ mit einem passenden Sechzehntel-Pattern aus, das ich ein wenig nach rechts schiebe (über die Pfeile neben den Balken), bis es groovt. Den zweiten „Rhythmus“ nutze ich zur Modulation der Lautstärke und des Filters, um zusätzlich ein wenig Bewegung in den Groove zu bekommen.

Hierfür nehme ich eine simple Vierteltakt-Sinus-Schwingung (links oben in der Shapes Auswahl). Durch Klicken auf den „Advanced“-Button gelangt man in die Modulationseinstellungen. Dort werden die Einflussstärke der einzelnen Modulationsquellen (Rhythm-Engines) auf die jeweiligen Parameter (Volume, Pan, Filter, Tube, Bite) sowie die Volume- und Pitch-Hüllkurve für die Einzelsounds eingestellt.

Weiter geht es mit dem zweiten Sound. Hier gefällt mir „Detune Poly“ aus der Synth-Sektion, der auch gut mit der ersten Engine harmoniert. Auch hier wähle ich mir den passenden Sechzehntel-Arp-Groove aus, den ich ebenfalls verschiebe, sodass die beiden ausgewählten Sounds „gegeneinander“ spielen. Es entsteht so eine Art Frage-Antwort-Muster, das den Loop nicht langweilig werden lässt. Noch schnell die Modulationen für den zweiten Sound – hier könnt ihr die Geschwindigkeit der Modulation auf 1/4D stellen, sodass die Bewegung auch hier nicht gerade, sondern ein wenig triolisch moduliert wird – ein wenig die Effektsektion eingestellt und schon geht es weiter zur nächsten MIDI-Spur.

 

Synthesizer-Klänge für die Atmosphäre

Es fehlt ein Lead Synth, den ich mit dem Software Synth XILS 4 programmieren werde. Hierzu suche ich mir als Ausgangspunkt einen Chord-Sound aus den Presets. Um an dem Sound zu arbeiten, setze ich wieder einen eintaktigen MIDI-Loop mit einer Note, die ich einspiele und als MIDI-Sequenz aufnehme. Tonal sollte die Note zum „Signal"-Loop passen. XILS 4 ist ein auf den ersten Blick sehr komplexer Synthesizer, der sich aber nach ein wenig Einarbeitungszeit zu einem mächtigen und klanglich exzellenten Tool für Sounddesign im Studio entwickeln kann. Der Synth besteht aus drei Teilen: Teil eins und zwei sind identisch und beinhalten jeweils einen vollwertigen Synth mit drei Oszillatoren, Ring Modulator, Noise Generator, Filter- und Hüllkurven-Sektion, Reverb, Volume, sowie eine großartige Verschaltungsmatrix für alle möglichen Verbindungen sämtlicher Parameter untereinander, um extreme Modulationen erzeugen zu können. Der dritte Teil enthält einen Sequenzer, Master-Effekt-Sektion und zusätzliche Envelopes und LFOs, sowie Einstellungen für die Kontrolle über ein Keyboard.

Für meinen Sound benötige ich lediglich eine Synthesizer-Einheit mit drei Oszillatoren (eine Mischung aus Sägezahn und zwei Pulswellen), die gegenseitig um +3 und +9 Halbtöne verstimmt werden. Filter und Hüllkurve stelle ich so ein, dass ein kurzer und knackiger Chordsound abgespielt wird.

XILS Lab XILS4 Synthesizer Plugin
XILS Lab XILS4 Synthesizer.

Um später mit einem MIDI-Controller (in meinem Fall ein Ableton Push 2) auf den Sound zugreifen zu können, z. B. um Automationen aufzunehmen, lege ich mir die für mich wichtigsten Regler auf die Makro-Regler in Live, das macht beim Techno-Produzieren vieles einfacher. Hierzu muss man das Plugin per rechter Maustaste gruppieren. Auf der linken Seite erscheinen nun Symbole. Unter dem An-/Ausschalter des Plugins befindet sich das Symbol der Makros, das wir nun aktivieren. Jetzt klicke ich auf „Map“ und öffne das Software-Instrument, sodass ich die grafische Oberfläche des Synth sehe. Man muss nur noch auf den gewünschten Parameter (z. B. Filter) in dem Synthesizer klicken, danach auf „Map“ unterhalb eines Makro-Reglers und schon kann man diesen für die angeklickten Parameter benutzen.

Ein Vorteil der Makros ist, dass ich mehrere Parameter gleichzeitig auf einen Makro-Regler legen und diese gleichzeitig durch Bewegungen der Regler verändern kann. Diese acht Makro-Controller werden meist direkt mit den in Live eingebunden Hardware-Controllern verbunden und können direkt live verändert und bearbeitet werden. Um den Sound mehr in den Mix und breiter zu bekommen, lege ich ein Simple Delay (Live Plugin) mit den Delayzeiten L=3, R=6 und 40 % Feedback mit 28 % Dry/Wet in den Kanal.

 

Die Bassline

Jetzt fehlt ein wenig Fundament zusätzlich zur Kick Drum. Das erzeugen wir mit einer minimalen Bass-Linie. Hierzu nehme ich das Plugin 'Hive' und das Init Preset. Hive ist ein Plugin-Synth mit zwei Oszillator-Sektionen, die verschiedene Schwingungsformen beinhalten. Das Instrument ist ähnlich aufgebaut und ähnlich verschaltbar wie der XILS 4 Synth, hat aber durch die unterschiedlich klingenden Basis-Sounds andere Klangeigenschaften sowie eine vielseitigere Effekt-Sektion. Ich nutze für meinen Bass-Sound nur einen Oszillator mit einer Sinus-Schwingungsform und einen Sinus Sub Osc mit einer Verstimmung von -12 Halbtönen. Die Amp-Hüllkurve bekommt ein leichtes Attack und eine kurze Decay-Zeit mit wenig Release.

Techno produzieren mit dem Hive Synthesizer von U-He.
U-He Hive ist ein Alleskönner-Synth.

 

Der Mix muss sitzen

Mein Bassline-Pattern nehme ich über mehrere Takte in einen Slot der Session View auf und suche mir nachträglich den besten und für mich groovigsten Part heraus. Kick und Bass überlagern sich nun an einigen Stellen, was mixtechnisch zu Problemen führen wird. Löschen einzelner Noten könnte etwas bringen, raubt mir aber den gewollten Groove.

Hier hilft das Plugin 'LFO Tool', womit man sehr schnell eine Lautstärke-modulierende Kurve auf den Kanal legen kann, der z. B. (wie in meinem Fall) auf jeden Kick-Schlag die Lautstärke des Bass-Sounds nach unten regelt. Das hat Ähnlichkeiten mit der sogenannten Sidechain-Kompression oder dem Ducking. Hierzu müsstet ihr einen Kompressor auf die zu bearbeitende Spur legen und von der Kick über den Sidechain-Eingang  triggern lassen. Der Vorteil von LFO-Tool ist, dass das durchgeleitete Audiomaterial nicht komprimiert wird und somit an Dynamik verliert. Es ist lediglich eine sich wiederholende Volume-Hüllkurve für die Audiospur. Dazu ist das Tool sehr einfach und intuitiv zu bedienen. Natürlich ist es in Live möglich solche Kurven per Lautstärken-Automation oder Modulation einzuzeichnen. Aber für einen schnelleren Workflow beim Techno Produzieren und um mal schnell diesen Effekt zu deaktivieren empfehle ich dieses Tool.

Techno produzieren mit dem LFOtool.
Xfer Records LFO Tool hilft bei Ducking-Angelegenheiten.

Die Basis meines chordigen Techno-Tracks ist gebaut. Jetzt fehlen beim Techno Produzieren noch Hihats, Percussions, Effekt-Sounds, das Arrangement, Automationen, Mix und Mastering, das in den nächsten Folgen hier behandelt wird.

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