Hinter den Kulissen: Eddie Hale – die gewisse Stille und Magie der Musik

Hinter den Kulissen: Eddie Hale – die gewisse Stille und Magie der Musik

Features. 18. Dezember 2022 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Marius Pritzl

Eddie Hale begeisterte zuletzt mit einem introspektiven Album, das besonders durch einen extrem detailreichen, unmittelbaren, fast schon ASMR-artigen Sound auffiel. Der gebürtige Australier ist dabei kein Newcomer, schon seit 2013 veröffentlicht er in regelmäßigen Abständen und schlug seine Brücken bereits über den halben Erdball bis nach Berlin. Wir wollen wissen, wie Hale seinen eigenständigen Vibe produziert, welche Werkzeuge er dazu benutzt und was ihn motiviert.

DJ LAB: Wie bist du zum Produzieren gekommen? Was waren dabei prägende Einflüsse und Orte für dich?

Eddie Hale: Solang ich mich erinnern kann, interessiere ich mich für Musik. Meine Mutter erzählt immer, dass sie Tschaikowsky auf der Stereoanlage spielte, als ich ein Baby war, und ich dabei aufrecht saß und erstarrte, bis die Musik aufhörte zu spielen. Nach der Highschool zog ich zum Studium nach Melbourne, und ein Freund veranstaltete zu dieser Zeit einige Lagerhaus-Raves. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich zu meinem ersten Rave ging, und irgendwie kam dann eins zum anderen.

Das war ungefähr zu der Zeit, als ich mir das Auflegen beibrachte und mich mit Produktionssoftware beschäftigte. Ich habe im Laufe der Jahre auch viel Zeit in Europa verbracht. Ich kann mit Stolz sagen, dass Berlin meine zweite Heimat ist und mich musikalisch stark geprägt hat. So sehr, dass ich dieses Jahr damit verbracht habe, wieder Deutsch zu lernen. Ich spüre, dass mich etwas dorthin zurückzieht.

Was reizt dich am Musikmachen? Und drückst du dich auch über andere Formen als über die Musik aus?

Das Musizieren hat eine gewisse Stille und Magie. Es hat die Fähigkeit, unser Bewusstsein an einen anderen Ort zu transportieren. Für mich ist es sehr natürlich, meditativ und therapeutisch, ich fühle ein enormes Gefühl der Sinnhaftigkeit, wenn ich Musik mache oder performe.

Beruflich bin ich Grafikdesigner, das ist mein Tagesjob. Das ist so nah an einem normalen Job, wie es für mich geht, und ein ausgezeichneter kreativer Output, wenn ich mit meiner Musik mal nicht weiterkomme. Ich finde, dass sich das sehr gut mit der Musik verträgt – eine besonders nützliche Fähigkeit, auch wenn man ein eigenes Plattenlabel betreibt.

Wie würdest du deinen Sound beschreiben? Welche Stimmungen sprechen dich an?

Ich bin als Farmersohn aufgewachsen, daher mag die Art von Musik, die ich produziere und höre, zunächst ungewöhnlich erscheinen. Schwarze Musik war schon immer sehr wichtig für mich, ich habe eine starke Resonanz für gefühlvolle Dinge, für Soul. Große Kunst kommt ja oft aus Leid. Ich interessiere mich am meisten für Genres wie Jazz, Klassik, (Detroit) Techno, Reggae und Dub, Ambient, IDM, Jungle, Breaks und so weiter. Ich würde den Sound meiner Musik als tiefgründig, gefühlvoll und introspektiv beschreiben, und ich war schon immer daran interessiert, Stücke zu schaffen, die sich futuristisch anfühlen – Reisen also, für den Geist und die Seele.

Erzähl uns etwas über deinen Workflow – wie fängst du an, wenn du an einem Track arbeitest und wie machst du weiter? Verfolgst du dabei von Anfang an eine Idee oder entwickelt sich diese im Laufe des Prozesses?

Ich habe keine feste Methode, und das ist wahrscheinlich der einzige beständige Teil meines Prozesses. Die gewisse Offenheit für das Experimentieren führt mich zu ansprechenden Ergebnissen. Oft beginnt ein Track damit, dass ich ein Gerät in meinem Studio anschalte und einfach herumspiele, bis ich etwas finde, das mich in seinen Bann zieht. Sei es ein interessanter Sound, eine Melodie, ein Akkord oder vielleicht ein rhythmisches Muster.

Oft jamme oder skizziere ich etwas in einer primitiven Form und komme dann in mehreren Sessions über Monate hinweg darauf zurück, wenn meine Energie es zulässt, und verfeinere oder entwickle es zu etwas, das sich richtig anfühlt. Es kommt selten vor, dass ich einen Track in einer einzigen Sitzung fertigstelle, aber das gibt es auch und ist dann definitiv ein besonderer Moment.

Der Arbeitsplatz von Hale.

Wie gehst du beim Arrangieren eines Tracks vor? Hast du ein eigenes, wenn auch je nach Track abwandelbares Rezept entwickelt oder denkst du dir jedes Mal eine komplett neue Struktur aus?

Ich bin ein sehr visueller Mensch und habe eine enge Beziehung zum Arrangementprozess und dazu, wie der Track auf einer Zeitachse aussieht. Ein gutes Arrangement schafft eine dynamische Geschichte und erlaubt es allen Elementen, miteinander zu sprechen und zu tanzen. Bestimmten Elementen muss Zeit gegeben werden, um präsenter zu sein oder in den Hintergrund zu treten. Es muss genügend Raum vorhanden sein, um Stimmungen, Dramatik oder Zerbrechlichkeit zu erzeugen. Man muss auch sehr wählerisch sein und das Selbstvertrauen haben, ein Element auch mal zu entfernen, wenn es nicht funktioniert, selbst wenn man daran hängt.

Mit welchem Equipment arbeitest du?

In den letzten Jahren habe ich einen Großteil meiner Hardware verkauft und nur eine kleine Gruppe verschiedener Instrumente behalten. Mein Workflow umfasst sowohl Hardware als auch Software, und ich finde, dass die Kombination aus beidem für mich am besten funktioniert. Ich mag die Möglichkeit, das, was ich aufgenommen habe, zu bearbeiten und zu manipulieren, und nicht nur einen Live-Ansatz zu haben. Zu meinem wichtigsten Equipment gehören ein kleines analoges Eurorack-Gehäuse, das ich selbst aus Bauteilen zusammengelötet habe, ein modifizierter Korg MonoPoly und eine Roland TR-8S Drum Machine. Bearbeitungen und Effekte führe ich dann am Computer durch.

Welche Instrumente, Tools oder Signature-Moves sind charakteristisch für deinen Sound?

Es gibt eine gewisse düstere und tiefgründige Ästhetik, die ich immer zu erreichen versuche. Von sauberen und digitalen Sounds halte ich mich also definitiv fern. Deshalb fühle ich mich auch zu analogen Vintage-Instrumenten hingezogen, da sie für meinen Geschmack die richtige Charakteristik haben. Die Plugins, die ich verwende, sind immer berühmten Geräten nachempfunden, die ja genau diesen Charme versprühen. Ähnlich wie bei meiner Liebe zu Vinyl gibt es eine Synergie zwischen all diesen Elementen in den erzielten Ergebnissen. Jemand hat einmal gesagt, dass das Leben Schmutz und Kratzer hat, genau wie Vinyl.

Wie gehst du vor, wenn du neue Hardware oder Software kaufst und wie integrierst du sie in deinen Workflow?

Sowohl die Hardware als auch die Software, die ich mir anschaffe, müssen einem Zweck dienen. Sie müssen eine Lücke in meinem Prozess füllen, einen bestimmten Klang erzeugen, den ich vorher noch nicht hatte. Die Begrenzung der Anzahl der zur Verfügung stehenden Tools ist für meinen Workflow sehr wichtig, da sich dadurch Ideen und Ergebnisse besser konzentrieren. Ich habe ein paar Freunde, die viel Equipment haben oder im Musikgeschäft arbeiten, und die frage ich immer nach ihrer Meinung, wenn es um potenzielle Käufe geht.

Die TR-8S von Eddie Hale.
Die TR-8S nutzt Hale als Grundlage für Drum-Patterns und Live-Performances.

Auf welche Weise eignest du dir neues Wissen zur Musikproduktion an?

Ich habe mir größtenteils alles selbst beigebracht und mit allem experimentiert, was ich in die Finger bekam. Eine Ausbildung in Jazz-Performance und Musiktheorie war als Grundlage auch unglaublich nützlich. Ich lerne auch dadurch, dass ich Zeit mit Freunden verbringe, die ebenfalls Musik machen. Es ist unglaublich hilfreich, den Prozess von jemandem mit mehr Erfahrung zu beobachten und zu sehen, wie er an verschiedene Aufgaben herangeht. Das gibt mir das nötige Selbstvertrauen, meine eigenen Ideen dann zu verwirklichen.

Wenn du dir einen bestimmten Skill beim Produzieren wünschen könntest – welcher wäre das?

Ich interessiere mich sehr für Mastering und habe mir nach und nach ein paar Techniken angeeignet. Eines Tages würde ich gerne mal in ein großes Studio gehen, wo ich Zugang zu den besten Mastering- und Aufnahmegeräten habe, um mich ein bisschen in die Materie einzuarbeiten. Schauen wir mal.

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In welchem Verhältnis stehen bei dir das Auflegen und das Produzieren?

Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einem Promoter: Er fragte mich, warum ich nicht damit zufrieden bin, einfach nur ein Produzent zu sein. Naja, die Antwort ist, dass ich es einfach genieße, durch die Musik mit Menschen in Kontakt zu treten. Es gibt nichts besseres. DJing schafft genau diese besonderen Momente. Gute Musik zu verstehen und live zu erleben ist wichtig, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man selbst einen großartigen Track macht. Und genau das lernt man, wenn man die Platten anderer Leute spielt, Musik sammelt und dabei seinen Geschmack verfeinert.

Ab wann fühlt sich ein Track für dich fertig an? Wie lange brauchst du from start to finish für einen Track?

Das hat viel mit meiner Energie und Stimmung zu tun. Ich sitze nie zu lange an einem Track und grüble darüber nach. Wenn etwas nicht funktioniert, lasse ich es liegen und komme darauf zurück, wenn ich in der richtigen Stimmung dafür bin. Ich mag diese Herangehensweise, weil sie sich frei und natürlich anfühlt und am kreativsten für mich ist. Ich habe kein Problem damit, zwölf Monate an einem Track zu sitzen, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um ihn fertigzustellen. Ich habe keine Eile und muss nicht nach Fristen oder nach dem Geschmack anderer arbeiten. In der Musik brauche ich absolute Freiheit, deshalb habe ich auch mein eigenes Label gegründet.

Eddie Hale Euro-Rack.
Das Euro-Rack.
Eddie Hale mit dem Korg MonoPoly.
Eddie's Korg MonoPoly.

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Welche Tipps und Tricks würdest du Newcomer-Produzent:innen geben?

Arbeite hart, leidenschaftlich und konsequent. Der einzige Unterschied zwischen mir und der anderen Person ist, wie viel Zeit und Mühe in die Perfektionierung des Handwerks investiert wurde. Kümmere dich nicht zu sehr darum, was andere tun, sondern sei offen für Neues und treibe dich selbst voran – weiter, als du es für möglich gehalten hast.

Wie bekommst du Releases auf Labels? Gehst du auf sie zu, fragen sie dich?

Früher war es einfacher, Demos an Labels zu schicken, zu denen ich keine direkte Verbindung hatte. Heutzutage gibt es so viele Leute, die Musik machen, dass es schwer ist, mit unaufgeforderten Einsendungen sich Gehör zu verschaffen und bei einem renommierten Label zu veröffentlichen. Unter anderem aus diesem Grund habe ich auch mein eigenes Label gegründet. Ich bin zwar schon öfter von Labels auch angesprochen worden, aber es muss einfach passen, damit ich mit ihnen zusammenarbeiten kann. Sie müssen dann wirklich an meine Vision glauben und sehr viel Liebe in ihre Arbeit stecken.

Woran arbeitest du derzeit als Produzent und DJ? Steht etwas in der Zukunft an, auf das du dich besonders freust?

Ich bin im Januar Vater geworden und habe daher in diesem Jahr weniger Zeit und Energie, um ins Studio zu gehen. Ich habe eine ganze Reihe von Skizzen, die ich gerne bald fertigstellen würde, es gibt da einige Diamanten im Rohzustand. Ansonsten ist eine neue EP in Sicht, die Anfang 2023 auf Andre Kronerts Label Odd/Even erscheinen wird, auf dem ich schon einmal veröffentlicht habe. Es ist eine tanzflächenorientierte Platte und ich fühle mich geehrt, Ken Ishii als Remixer dabei zu haben.

Nach einer sehr langen Pause in den Jahren 2020 und 2021 kommen die Auftritte auch langsam wieder zurück, was mich wirklich inspiriert. Jetzt, wo mein Album endlich rausgekommen ist, freue ich mich darauf, nächstes Jahr wieder mehr zu touren und wieder vor die Leute zu treten. Derzeit arbeite ich daran, ein Performance-Rig für Live-Shows zu entwickeln, das heißt, ich suche nach Tools, mit denen ich meine Produktionen am besten aufführen kann und genug Flexibilität für Improvisationen habe.

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