Interview: Wasteless Open Air – ein umweltfreundliches Mini-Festival
© Gio Chavez

Interview: Wasteless Open Air – ein umweltfreundliches Mini-Festival

Features. 10. Oktober 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Ina Friebe

Festivals sind nicht gerade umweltfreundlich: Sie produzieren viel Müll, verbrauchen viel Strom und beschädigen das natürliche Umfeld. Dass das nicht so sein muss, beweist das Wasteless Open Air, eine jährlich in Berlin stattfindende Veranstaltung, die müllreduziert und CO2-neutral organisiert wird. Beim letzten Wasteless Open Air am Tag der Clubkultur haben wir Max vom Räuberherz Kollektiv getroffen, um über das emissionsfreie Open Air und Nachhaltigkeit in der Musikszene zu reden.

DJ LAB: Ihr veranstaltet seit 2016 das Wasteless Open Air als nachhaltiges Event. Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wie hat sich das Event entwickelt?

Räuberherz: 2012 oder 2013 gab es einen großen Peak an Free Open Airs in Berlin. Jedes Wochenende haben gefühlt 15 kleine Open Airs stattgefunden. Die Koordinaten wurden über verschiedene Gruppen ausgetauscht, man ist irgendwo in die Büsche gefahren und dort war dann ein kleiner Rave. Das war eine unglaublich geile Zeit – die Stadt hatte eine immense Strahlkraft! Allerdings sind jedes Mal riesige Müllberge zurückgeblieben, um die sich niemand gekümmert hat. Mit einer Freundin habe ich dann die Open Air Reihe gegründet. Wir haben uns gefragt: Wie kriegen wir es hin, ein auf allen Ebenen nachhaltiges Open Air zu veranstalten? Also mit weniger Müll, mit Getränken und Nahrungsmitteln, die aus der Region kommen, und entsprechender Kommunikation mit Anwohner*innen und den Behörden. Wir haben es dann einfach ausprobiert. Auf unserem ersten Free Open Air 2016 waren circa 150 Leute, beim vorletzten Mal in Spandau – da war es noch ein Free Open Air – kamen sogar 1500 Besucher*innen.

Max vom Räuberherz Kollektiv / @ Ina Friebe

DJ LAB: Nachhaltig und wasteless – was bedeutet das genau für euer Open Air?

Räuberherz: In erster Linie versuchen wir, Müll zu vermeiden. Wir können ihn natürlich nicht zu 100 Prozent vermeiden, das ist sehr schwierig – wir sind definitiv kein Zero Waste Festival. Aber wir vermeiden zum Beispiel Einwegplastik und achten auch bei unseren Food-Dienstleister*innen darauf, dass kein Plastikgeschirr verwendet wird und die Lebensmittel weitestgehend bio und vegetarisch sind. Dieses Jahr ist es in puncto Energie etwas schwieriger, da wir keinen Strom auf dem Gelände haben und daher auch keinen regenerativen Strom produzieren können. Die einzige Versorgungsmöglichkeit in unserer Größenordnung sind dann einfach Generatoren. Aber am Ende rechnen wir alle Logistikkosten zusammen, inklusive der durchschnittlichen Anreise der Mitarbeiter*innen und der Gäste und kompensieren diese Emissionen über CO2-Zertifikate, sodass wir zumindest auf dem Papier bei zero emissions rauskommen.

Räuberherz: Wir versuchen unseren Grundgedanken in allen Bereichen  weiterzudenken. Dieses Jahr haben wir mehrere Lichtanlagen, die mit Akkus betrieben werden, die wiederum mit grünem Strom geladen wurden. Und wir kommunizieren diesen Nachhaltigkeitsgedanken auch an unsere Gäste.

DJ LAB: Wie reagiert euer Publikum darauf? Hast du das Gefühl, es sind besonders umweltbewusste Leute, die zu euren Open Airs kommen?

Räuberherz: Nein. Wir möchten mit unserem Ansatz eher die Mitte der Gesellschaft erreichen. Die Leute, die schon bewusst leben, brauchen wir ja nicht mehr zu überzeugen. Wir sprechen ein ganz normales, jugendliches bis mittelaltes Publikum an, denen wir zeigen möchten, dass man super viel Spaß haben kann, ohne riesige Berge an Müll zu hinterlassen oder den Boden zu „verbrennen“. Wir wollen aber niemanden bekehren; wir versuchen es eher mit freundlicher Kommunikation.

DJ LAB: Eine große Nachhaltigkeitsfrage in der elektronischen Musikszene ist die Vielfliegerei von DJs. Wie steht ihr dazu?

Räuberherz: Wir buchen ausschließlich ortsansässige DJs. Wir würden niemals jemanden einfliegen lassen –  mal ganz davon abgesehen, dass wir natürlich auch nocht nicht so groß sind. Eine Ausnahme war Monkey Safari, die bei uns im letzten Jahr aufgelegt haben und die mit dem Zug angereist sind. Ich persönlich bin auch ein riesiger Fluggegner (lacht). Ich lege sehr viel Wert darauf, denn der Flugverkehr ist eine der größten Dreckschleudern, die es gibt.

© Gio Chavez

DJ LAB: In der Beschreibung eurer Event-Reihe heißt es, dass die Partyszene gewillt ist, sich den großen Problemen unserer Zeit zu stellen. Dabei nennt ihr nicht nur die Klimakrise, sondern auch Nationalismus. Inwieweit kann eine Party dem Nationalismus etwas entgegensetzen?

Räuberherz: Indem wir die Party extrem bunt gestalten. Unser Team ist sehr divers und vielfältig. Wir achten auch beim Line-up auf Geschlechterparität und darauf, dass die DJs unser Mindset vertreten. Leute, die hier mit rassistischen, antisemitischen oder kulturalistischen Äußerungen auffallen würden, die würden wir vielleicht nicht des Geländes verweisen, sondern eher darauf hinweisen, auf was für einer Art Veranstaltung sie sind und dass sie von sehr diversen Menschen umgeben sind. Wir arbeiten eher mit positiver Kommunikation statt mit Strafe. 

DJ LAB: Am heutigen Tag der Clubkultur wird in Berliner Clubs gefeiert, die spezielle Fördermittel erhalten. Wie steht ihr zu der Frage der Fördergelder?

Räuberherz: Wir wurden von der Clubcommission eingeladen, uns für den Tag der Clubkultur zu bewerben. Leider haben wir die Förderung nicht bekommen. Das ist schade, aber wir sind trotzdem zum ersten Mal so weit, dass wir bei der Finanzierung die Null erreichen. Grundsätzlich bin ich ein riesengroßer Fan von diesen Fördergeldern. Ich hoffe, dass wir es heute schaffen, zu beweisen, dass man auch mit den Corona-Auflagen einen guten Rave haben kann. Wir müssen dieses club-kulturelle Leben aufrechterhalten. Insbesondere eine Stadt wie Berlin kann man nicht downshutten. Ich habe während des Lockdowns erlebt, dass permanent Indoor-Partys und Raves stattgefunden haben. Ich selbst bin kein großer Freund davon, denn ich weiß, dass es respektlos ist. Aber wenn man Partys für mehrere Monate verbietet, lässt sich das schwer vermeiden. Die Art, die wir jetzt gefunden haben, mit dem Kultursenat und den Fördergeldern, ist eine Spitzengeschichte. Die Fördergelder werden ja auch für den finanziellen Mehraufwand benötigt, den die Corona-Auflagen bedeuten.

DJ LAB: Wie geht es jetzt für euch weiter?

Räuberherz: Je nachdem, wie der Winter wird, haben wir schon überlegt, ein Advents- oder Weihnachts-Open-Air zu veranstalten. Ansonsten findet dann im nächsten Jahr unser nächstes Event statt. Bisher gibt es das Wasteless Open Air einmal im Jahr, vielleicht auch bald zweimal. Es macht mega viel Spaß und für uns alle geht damit ein Traum in Erfüllung.

© Gio Chavez

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