Roland TR-808: Fünf prägende Tracks zum Jahrestag der Kult-Drummachine

Roland TR-808: Fünf prägende Tracks zum Jahrestag der Kult-Drummachine

Features. 8. August 2022 | 3,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Am Anfang wollte sie niemand haben, später rissen sich die Leute um ihren Sound. Heute atmet jeder Trap-Track ihre DNA und die elektronische Musikgeschichte klänge ohne ihren Bums wie dünner Durchfall: Die Roland TR-808 rumpelt seit 40 Jahren mit Kicks, Snares und Kuhglocken über Pop-Platten. Sie lässt auf Techno-Tracks die Subwoofer atmen. Und sorgt im Hip-Hop dafür, dass man den Beton küsst wie Low-Rider die Bordsteinkante.

Unzählige Hits bauen ihr Fundament auf dem Groove der 808. Von Afrika Bambaataa bis Beyoncé, von Marvin Gaye bis Kanye West, von Destiny’s Child bis Haftbefehl. Quer durch alle musikalischen Genres verwenden Producer:innen bis heute ihren Sound. Einer, den ein paar Japaner vor über 40 Jahren zu einer blinkenden Knatterkiste zusammenschraubten und nach nur 12.000 verkauften Stück wieder absetzten, weil kaum jemand das Potenzial erkannte.

Dass der Sound der 808 heute trotzdem für Verrenkungen des Lendenwirbels sorgt, hat die Bassqueen ihrer Wandlungsfähigkeit zu verdanken. Die 808 ist wie eine Stratocaster von Fender im Rock – sie auf einem Track zu bändigen ist keine Option, sondern eine Frage der Hingabe. Auch deshalb wechseln Originale von Roland schon mal für 3000 Euro das Studio. Wer auf den Retro-Chic verzichten kann, findet unzählige Sample-Packs, aber auch günstige Nachbauten. Firmen wie Acidlab und Behringer kopieren den Klang der 808 wie Roland selbst. (Hier gibt's einen Überblick der besten Klone & Alternativen)

Wir haben fünf Stücke zusammengefasst, die es ohne 808 nie gegeben hätte. Sie zeigen, was in der Kiste von Roland steckt. Und wieso die Basstrommel nicht nur in House und Techno rührt, sondern von Dream Pop bis Deutschrap in den Groove grätscht.

808 State – Deepville (1988)

Sie gründen ihren Zustand auf der 808 und labeln sich nach der Maschine. 808 State (hier bei uns im Interview), ein Trio aus Nordengland, inhaliert Ende der 1980er Jahre den Düsentrieb-Dance aus Detroit. Gerald Simpson aka A Guy Called Gerald stellt den Drumcomputer von Roland ins Studio. Er wird zum Fundament für Acid, Ecstasy und Spaß auf der Insel.

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Die frühen Banger – ‘Deepville’ erscheint wie der ewige Acid-Abriss ‘Flow Coma’ 1988 – klingen, als hätten sich Cybotron mit sechs Pints im Pub angetschechert, um vor Drexciya auf Tauchstation zu gehen. Die Kick marschiert im Ausfallschritt, die Snare verschluckt sich beim Lachen, Claps verteilen Ohrfeigen bis Handflächen aufplatzen – trotzdem hält man die Wange hin. Weil im Hintergrund die Sirenen heulen und der Comedown noch drei Tage warten kann.

Ricardo Villalobos – 808 The Bassqueen (1999)

Ricardo Villalobos. Die 808. Eine Lovestory, die sich Bumble auch nicht hätte besser ausdenken können. 1999 krönt die menschgewordene Groovemaschine den Leierkasten aus Japan mit einem Track, der längst zum Alltime-Classic geworden ist. 1,3 Millionen Mal hat man die ‘Bassqueen’ inzwischen auf YouTube geklickt, nur der Bassgott weiß, wie viele Leute dazu in Kellern oder unter Palmen ihre Beine ausgestreckt haben. Wer sich die Kommentare unter dem Video gibt, checkt, was Villalobos angerichtet hat.

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„Tracks wie dieser geben einem einfach das Gefühl, dass alles gut wird.” „Neun Minuten lang fühlte ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt, an all die Strände der Welt und in all die verschwitzten Lagerhäuser.” „Der Track macht uns klar, dass Musik alle Emotionen in sich trägt und alles loslassen kann – wenn auch nur für ein paar Minuten.” Wem bei dieser Dedication kein Ecstasy-Tränchen über die Wange kullert, hat House nie geliebt, Villalobos nicht verdient und den Bass nie gespürt!

HTRK – Fascinator (2009)

Die 808 mag die perfekte Trip-Sitterin für Menschen sein, die den Viervierteltakt zum Glaubensbekenntnis erheben. Weil 128 Beats in der Minute selbst Enthusiasten für die Langstrecke irgendwann zum House-Hals raushängen, pitchen HTRK die Welt in eine Zeitlupen-Trance. Die australische Band verwendet den Drumcomputer, als hätte man bei der Benzo-Behandlung die falsche Dosis erwischt.

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Die Beats schlurfen, die Snares verwehen in der Nacht, der Vibe lässt sogar auf Flixbus-Fahrten wie im 5-Sterne-Nightliner pennen. Schließlich ist die 808 nicht nur Bassqueen, sondern auch Träumelinchen. Eine, die Dream Pop mit wehenden Hallfahnen genauso wegsteckt wie die TÜV-Abnahme für Subwoofer.

Ufo361 – 808 (2018)

Man muss nicht Hafti pumpen, um Deutschrap zu lieben. Ufo361, die Kreuzberger Quietschkugel zwischen Autotune und Adderall, veröffentlicht 2018 mit ‘808’ ein Album, das die Roland’sche Basstrommel bis in die Charts kickt. Klar, Yeezus hatte die Kiste mit ‘808 & Heartbreak’ schon Jahre früher zum Herzensbrecher umfunktioniert. Trotzdem war der Schmonzetten-Sound von Ufo361 eine unbezahlte Werbeeinschaltung für Magenbitter-Beats aus dem Sample-Baukasten für Trap-Producer:innen.

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Schließlich flext sich die 808 zwischen Features von Capi, Hurn oder Trettmann. Erst mit dem letzten Track der Platte bricht der Queen aber ein Zacken aus der Krone. Sonus030, Haus- und Hof-Produzent von Crews wie den Straßenkötern von 187 oder Bonez MC, übersteuert die Kick vom Bordstein bis zur Skyline – jeder Tritt wird zum K.o.-Schlag.

Missy Elliott – Lose Control (2005)

„Und wo sind jetzt eigentlich die echten Classics?” Haterz and Loverz – say no more! Mit ‘Lose Control’ von Missy Elliott frühstücken wir die halbe Techno-Geschichte in einer Vier-Minuten-Ekstase ab. Die US-amerikanische Rapperin sampelt die Datendiebe aus Detroit.

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Cybotron bedankt sich bei Kraftwerk, während Missy Elliott dank Disco-Dancing mit Hot Streak eine Spontanverrenkung im Beckenboden auslöst. Soll heißen: Wer sich bei der nächsten Homeparty in die Bluetoothverbindung hackt und diesen Song auflegt: Bäm, Flashback und Instant-Ausrastung!

Veröffentlicht in Features und getaggt mit 808 , 808 State , Drummachine , HTRK , Missy Elliott , Ricardo Villalobos , Roland , TR-808 , Ufo361

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