Fundamentals Of Groove II: Snare

Fundamentals Of Groove II: Snare

Workshops. 28. Juli 2019 | 2,0 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Nicht nur bei der Bassdrum, auch bei Hihats, Claps, Sidesticks und Co. gibt es gewisse Patterns, die immer wieder auftauchen. Wie zuvor sind es relativ einfache Arrangements: Gemeint sind die klassische Offbeat Hihat auf den Und-Zählzeiten sowie die Snare auf den Zählzeiten Zwei und Vier. Beide Patterns sind ähnlich simpel wie die in Teil 1 besprochene Four-to-the-Floor-Kick und dennoch ergeben alle drei zusammen ein relativ komplexes rhythmisches Geflecht. In diesem Artikel widmen wir uns daher dem Backbeat, also den Zählzeiten Zwei und Vier.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Earl Young zeigt im Video, wie sein Beat aufgebaut ist und demonstriert einige spannende Variationen. Was Earl Young nicht erklärt, ist, warum der Rhythmus so gut funktioniert. Insbesondere für Techno und House ist das aber durchaus wissenswert, da sich viele Prinzipien, die für die Produktion dieser Stile relevant sind, bereits im Disco Beat verstecken: Durch die Schichtung simpler Patterns multipliziert sich deren Komplexität, da sich die einzelnen Sounds gegenseitig umdeuten und umspielen. Gleichzeitig sorgt deren einfache Struktur für die ideale Arrangement-Grundlage, weil Platz für kommende Sounds gelassen wird.

In Teil 1 haben wir uns bereits die wichtigsten Gründe für das konsequente Kick-Pattern angeschaut. Diese lassen sich auf fast alle minimalistischen Arrangements übertragen. So wie die Einzelteile einer Maschine für sich betrachtet simpel wirken, vervielfacht sich das Potenzial durch raffinierte Zusammenarbeit. Dieses Zusammenspiel zeigt sich auch in der Notation des Disco Beats.

Noten: Kick und Snare

Die Kick wiederholt sich im Abstand von Viertelnoten, während die Snare erst nach einer halben Note erneut klingt. Das wird leicht übersehen, weil die Snare nicht auf der Zählzeit eins beginnt und streng genommen über den Taktstrich hinaus klingt. Dennoch sind beide Snares genau eine halbe Note voneinander entfernt. Dadurch wird der 4/4 Bassdrum Beat parallel von einer sich ständig wiederholenden Viertelnotensequenz in eine halbtaktige Sequenz umgedeutet, weil jede zweite Kick jetzt mit einer Snare gespielt wird.

Durch Ein- und Aussetzen der einzelnen Elemente verschiebt sich der Fokus dann wieder auf das übrige Layer. Die Schichtung von Patterns mit unterschiedlicher Ereignisdichte – etwa Viertelnoten und halbe Noten – erzeugt so häufig eine Mehrdeutigkeit, während das bei Elementen derselben Komplexität schwieriger ist. Das liegt daran, dass sich zu ähnliche Patterns eher im negativen Sinne überschneiden, anstatt sich zu ergänzen.

Der Backbeat und das Metronom

Doch die Snare auf die Zählzeiten Zwei und Vier zu setzen, hat noch einen ganz besonderen Effekt: Wenn Kick und Snare gleichzeitig erklingen, verschmelzen sie zu einem auralen Ereignis und bilden den Gegenpol zu den Bassdrums, die einzeln stehen. Die rhythmische Symmetrie erzeugt dann eine Art Pendelbewegung im Beat, wobei immer zwischen Kick und Kick mit Snare gependelt wird. Weil die Snares in der Pendel-Metapher immer auf die Rückbewegung des Pendels fallen, wird diese rhythmische Konstellation auch Backbeat genannt. Tatsächlich besitzen die Backbeats bei entsprechender Betonung eine spezielle, rhythmische Wirkung, weil sie streng genommen gegen den Viervierteltakt arbeiten.

Disco Beats in Ableton: Kick und Snare

Um den Backbeat in einer gewohnten Umgebung analysieren zu können, empfiehlt es sich, in der DAW einen eigenen Disco Beat zu bauen. Der Chronologie dieser Reihe folgend fangen wird mit der Kick an. Im letzten Artikel wurde der Four-to-the-Floor-Beat auf der Bassdrum vorgestellt, der in Abletons Piano Roll folgendermaßen aussieht:

Viertel-Kick in Ableton Live.

Eine Bassdrum pro Viertelnote ergibt in einem Viervierteltakt vier Kicks pro Takt – deshalb Four-to-the-Floor. Bemerkenswert ist die Zeitleiste oberhalb der Clip-Ansicht: 1, 1.2, 1.3 sowie 1.4 sind die Grid-Koordinaten bzw. Zählzeiten der einzelnen Kicks. Die erste Zahl zeigt an, in welchem Takt man sich gerade befindet. Zählzeiten jenseits der eins werden um einen Nachtrag ergänzt – z. B. 1.2 für die Zählzeit Zwei im ersten Takt. Passend zu den starken und schwachen Zählzeiten des Metrums sind die Viertel sogar in unterschiedlichen Grautönen hinterlegt.

Wenn man nicht gerade bis vier mitzählt, ist weder Anfang noch Ende des Taktes hörbar zu erkennen. Das Ohr nimmt streng genommen nur den ostinaten Viertel-Loop aus einer einzelnen Kick wahr, auch wenn der Aufnahme ein eintaktiger Loop mit vier Bassdrums zugrunde liegt. Besonders bei stetig gleich klingenden Samples ist dieser Effekt zu beobachten. Fängt man an synchron zu den Kicks bis vier zu zählen, nimmt man jede erste Bassdrum psychoakustisch lauter wahr. Witzig ist, dass das gleiche passiert, auch wenn beispielsweise bis drei oder fünf gezählt wird. Für den Einstieg empfiehlt es sich aber, beim Viervierteltakt zu bleiben – die Leute sollen ja auch noch tanzen können.

Die psychoakustische Ungleichgewichtung der praktisch gleich lauten Bassdrums ist das, was Metrum genannt wird. Ähnlich wie in der Literaturwissenschaft wird durch die Betonung einiger Silben bzw. Zählzeiten ein Rhythmus erzeugt. Für den Viervierteltakt gilt, dass die Eins besonders betont ist, Zwei unbetont, Drei relativ betont und Vier am wenigsten betont. Eine Snare auf Zwei und Vier betont also Zählzeiten, die eigentlich unbetont sein sollten. Dadurch wird die Snare zur Synkope und erzeugt einen treibenden, wenn auch recht simplen Groove.

Backbeat-Variationen: Für jeden Style den richtigen Sound

Auch ohne 4/4-Kick oder andere Begleitung ist der synkopierte Backbeat bereits nur durch das Metrum rhythmisch deutbar. Wie bereits erwähnt erzeugt die Betonung der eigentlich unbetonten Zählzeiten Zwei und Vier einen gewissen Drive, der übrigens die rhythmische Grundlage der Rock-Musik ist. Wer nicht gerade spielen kann wie Earl Young, wird es deshalb wohl schwer haben, den Disco Beat nicht zu rockig klingen zu lassen – egal ob am Drumset oder in der DAW. Wahrscheinlich ist das sogar der Grund, warum zum Beispiel im Techno relativ wenig Snare Samples als Backbeat verwendet werden.

In diesem Genre wird der Backbeat in der Regel von Claps oder Sidesticks gespielt. Im House findet man Snares hingegen häufiger, was damit zusammenhängen könnte, dass House vom organischen Groove gesampleter Drum Loops profitiert. Insgesamt ist es erstaunlich zu beobachten, wie viele verschiedene Sounds als Backbeat funktionieren. Das liegt zum einen an der bisher vorgestellten Wirkung des Backbeats. Zum anderen können aber auch die Sounds selbst mit ihren tonalen Eigenschaften den Groove verstärken und beinahe melodisch klingen:

Um komplexere Sounds zu erzeugen oder Spannung ins Arrangement zu bringen, ohne von der Backbeat-Struktur abzuweichen, können die verschiedenen Samples auch gelayert werden. Die rhythmische Wirkung des Backbeats beschränkt sich jedoch keineswegs auf Percussion-Klänge. Auch Synth-Sounds können diese Rolle erfüllen, vorausgesetzt sie sind melodisch simpel genug. Beim Track 'Osa' von Recondite taucht ab 1:50 Min. ein Synthesizer auf, der die Zählzeiten Zwei und Vier mit zwei verschiedenen Tönen spielt und teilweise durch ein Clap- bzw. Snare-Sample unterstützt wird. Auch ohne Percussion-Layer erzeugt der Synth den Backbeat-Drive und deutet durch seine kleine Melodie jeden zweiten Clap um, wodurch ein noch komplexerer Rhythmus entsteht.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Youtube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Backbeat Trouble

Das erstaunliche am Metrum ist, dass es durch geschicktes rhythmisches Arrangement vielseitig interpretiert werden kann. So wie die Bassdrum zu Beginn lediglich als simpler Viertel-Loop zu hören war, kann die Snare isoliert betrachtet als Loop mit der Länge einer halben Note gesehen werden. Sobald beide Layer gemeinsam erklingen, wird es schwer, die Kick wieder als Viertel-Loop zu hören, weil der Snare-Loop die Kick ebenfalls zur Länge einer halben Note umdeutet. Dadurch kann es jedoch auch dazu kommen, dass der Backbeat keinen Drive hinzufügt, sondern ihn nimmt.

Das mag natürlich mit dem grundsätzlichen Vibe des Tracks zu tun haben – nicht jede Produktion braucht einen Backbeat. Manchmal ist es dann aber schwer, die Bassdrum und den Backbeat getrennt zu hören, sodass man nicht mehr in der Lage ist, den Viertel Loop aus den einzelnen Kicks zu erkennen. In der Folge klingt der Track gefühlt nur noch halb so dynamisch. Auch der richtige Sound im richtigen Mix spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, den Backbeat grooven und nicht zu kitschig klingen zu lassen.

Ausblick: Fundamentals Of Groove III

Im kommenden Artikel wird die Offbeat Hihat als Doubletime-Synkope entlarvt und anhand der hier genannten Mechanismen analysiert. Außerdem werden wir an die bisherige Rhythmusanalyse anknüpfen, die Konzepte Realtime und Halftime erklären und damit in das Thema Polyrhythmik einsteigen. Auch der Backbeat wird in diesem Kontext weiter erläutert. Es wird gezeigt, wie bereits Backbeat und Offbeat mit einer Viertelkick zusammen einen riesigen Facettenreichtum an Grooves bedienen können, wenn Sounds bei gleichbleibendem Arrangement gelayert werden.

Veröffentlicht in Workshops und getaggt mit Backbeat , Beat Tutorial , Clap , Disco Beat , Fundamentals Of Groove , Groove Tutorial , Kick , metronom , Snare

Deine
Meinung:
Fundamentals Of Groove II: Snare

Wie findest Du den Artikel?

ø: