Test: Behringer Edge / Analoger Percussion Synthesizer

Test: Behringer Edge / Analoger Percussion Synthesizer

Tests. 29. Oktober 2023 | / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Nach längerer Wartezeit bedingt durch Materialknappheit und Lieferengpässe veröffentlicht Behringer nun endlich den voll analogen, semi-modularen Percussion Synthesizer Edge. Basierend auf dem Moog DFAM ist Edge als Ergänzung zum Behringer Crave gedacht, der wiederum Moogs Mother 32 zum Vorbild hat. Ganz so originalgetreu ist Behringer Edge jedoch nicht und kommt mit ein paar spannenden Eigenheiten daher. Darunter beispielsweise – passend zum knalligen Farbdesign – Pink Noise. Die Details gibt es im folgenden Test.

Quick Facts

  •   Monophoner Analogsynth mit zwei Oszillatoren, Noise und Multimode Filter
  •   Dualer Stepsequencer mit acht Steps für Velocity und Pitch
  •   Polychain-Option für bis zu 16 Stimmen
  •   Semi-modularer Aufbau mit 15 Ins und 10 Outs
  •   34 Potis, drei Taster und acht Kippschalter für Hands-on-Workflow

Verarbeitung, technische Daten und Lieferumfang

Behringer Edge ist ein Desktop Synthesizer und misst 321 x 164 x 45 mm bei 1,4 kg Gewicht. Damit teilt er sich den Formfaktor weitestgehend mit dem Kollegen Crave und ist genau wie dieser dank optionalem Mounting Kit Eurorack-kompatibel. Das herrlich pinke Gehäuse des Edge besteht aus gebogenem Metall und ist ausgesprochen stabil. Die braunen Flanken aus Kunststoff beißen sich zwar farblich mit dem knalligen Hauptdesign, sehen aber nach Vintage-Synthesizer aus. 

Weder Potis noch Buchsen sind mit dem Gehäuse verschraubt, wirken aber trotzdem gut verarbeitet. Lediglich beim DC-In der DJ-LAB-Testunit kommt es leicht zum Wackelkontakt. Die Potikappen des Edge haben einen breiteren Durchmesser als beispielsweise beim Crave, was das stufenlose Regeln etwas präziser macht. Auch der Drehwiderstand ist angenehm gewählt, allerdings wären Einrastpunkte auf der 12-Uhr-Position für die bipolaren Parameter à la Filter Envelope oder Pitch Mod durchaus eine praktische Ergänzung. 

Anschlüsse, Lieferumfang und Patch-Matrix

Abgesehen von der Patch-Matrix sind die Anschlüsse des Behringer Edge relativ überschaubar gehalten. Auf der Oberfläche befinden sich Buchsen für MIDI-In und MIDI-Out/Thru nach Fünfpol-DIN. Rückseitig gibt es den DC-IN mit separatem Powerschalter, einen MIDI-fähigen USB-B-Slot, der gleichzeitig für die Verbindung mit Behringers Synthwire App gedacht ist, sowie vier Dipswitches zum Justieren der MIDI-Channel. 

Wie oben erwähnt, sitzt das mitgelieferte 12-Volt-Netzteil leider ziemlich wackelig und läuft Gefahr, aus Versehen den Kontakt zu verlieren und den Synthesizer auszuschalten – Red Flag! Im Lieferumfang des Behringer Edge befinden sich außerdem sechs Patch-Kabel mit einer Länge von ca. 30 cm. Die Kabel sitzen angenehm fest in den Patch Points und sind lang genug, um die Patch-Möglichkeiten des Edge voll ausnutzen zu können. 

Behringer Edge Anschlüsse.

Apropos Patching: Die Patch-Matrix des Edge besteht aus 15 Eingängen, erkennbar durch eine weiße Beschriftung, und zehn Ausgängen, die hingegen schwarz gekennzeichnet sind. Die Velocity- sowie Pitch-Parameter des Sequenzers sind bereits ohne Patch-Kabel vorverdrahtet und steuern die Lautstärke beziehungsweise die Tonhöhe der einzelnen Steps. Auch das Rauschen des Behringer Edge ist ohne Kabel intern gepatcht und moduliert das 24dB-Multimode-Filter. 

Wer übrigens auf den Noise Generator verzichten kann, hat die Möglichkeit, über den EXT In des Edge externe Audioquellen einzuspeisen. Am meisten Spaß macht die Patch-Matrix, wenn die Sequencer-Parameter Pitch und Velocity umgeroutet werden, um noch mehr Leben in die spannenden, analogen Sequenzen zu bringen. Außerdem eignen sich die Patch Points hervorragend, um Edge mit externem Gear zu verbinden, beispielsweise LFOs oder separaten Hüllkurven-Generatoren.   

Die Oszillatoren

Der monophone Behringer Edge verfügt über zwei Oszillatoren mit den Schwingungsformen Dreieck- und Pulswelle. Mittels Kippschalter kann pro Oszillator entschieden werden, welche Welle ausgegeben wird und insgesamt ist der Klang des Edge deutlich obertonreicher bzw. härter als beispielsweise beim Moog DFAM. Je nach Geschmack ist das aber alles andere als ein Nachteil, so eignen sich die Oszillatoren von Behringers pinkem Spross hervorragend für härtere Stile wie Techno und Industrial. 

Außerdem punkten sie mit zuverlässiger Durchsetzungskraft, wenn die Klanglandschaft mal dichter wird. Negativ formuliert wirkt der Sound des Edge digitaler und weniger druckvoll in den Bässen. Abgesehen von den Pitch- und Lautstärkereglern pro Oszillator gibt es noch separate Potis für bipolare Envelope-Modulation der Tonhöhe. 

Dank der üppigen Regelweite von +/- 5 Oktaven können die VCOs in Kombination mit der Patch-Matrix auch kurzerhand zu LFOs zweckentfremdet werden. Ein weiterer Kippschalter bestimmt, ob die interne Verdrahtung vom Sequencer Pitch auf beide Oszillatoren greift, komplett gebypasst ist oder nur die Tonhöhe von Osc 2 moduliert. 

Letzteres ist zum Beispiel dann praktisch, wenn OSC 1 für perkussive Sounds verwendet werden soll, während OSC 2 eine Bassline spielt. Mittels Hard Sync lässt sich außerdem die Startphase der ausgegebenen Wellen synchronisieren, was einen noch obertonreicheren Klang erzeugt. Zu guter Letzt kann Oszillator 2 im FM-Stil mit Oszillator 1 moduliert werden, wobei für die Intensität des Effekts ein weiterer Drehregler zur Verfügung steht. 

Filter, Hüllkurve und Noise

Das Multimode Filter des Behringer Edge reicht von 20 Hz bis 20 kHz und kann via Kippschalter zwischen Highpass und Lowpass wechseln. Letzterer ist ein 4 pole 24 dB Ladderfilter, allerdings erneut mit einer Klangcharakteristik, die im Vergleich zum Moog weniger weich daher kommt. Über das Highpassfilter gibt es weniger Informationen. Klanglich lässt es verhältnismäßig viele Tiefen durch, wenn die Cutoff-Einstellung nicht jenseits der 12-Uhr-Stellung sitzt. 

Für Drums und Bässe ist das aber durchaus angenehm und beide Filter sind eine gelungene Ergänzung der Klangfärbungsoptionen des Edge. Die Resonanz reicht zwar nicht ganz bis zur Selbstoszillation und sorgt auch beim Lowpassfilter für eine Ausdünnung der Bässe, eignet sich aber super für zwitschernde Acid Sounds. Die Hüllkurve ist mit lediglich einem Decay-Regler relativ sporadisch gehalten, arbeitet dafür aber erstaunlich musikalisch. 

Apropos Decay-Regler: Auch die Amp-EG kommt nur mit einem Decay-Poti aus, für weichere Attack-Zeiten haben Behringer einen Kippschalter für slow und fast Response verbaut. In der Praxis fällt auch diese Einschränkung weniger auf: Release und Sustain ergeben bei einem Mono-Synth sowieso kaum Sinn und lange Attack-Zeiten eignen sich im Kontext von Drum- und Basssounds auch weniger. 

Die Noise-Sektion mit eigenem Level-Regler tut ihr Übriges beim Sounddesign am Behringer Edge. Sei es als extra Layer oder zum Modulatieren des Filters. Dank optionaler Pink Noise ist Edge an dieser Stelle sogar vielseitiger als das “Vorbild” von Moog. Ihre obertonarme Charakteristik verschafft mehr Spielraum in Sachen Filter und Lautstärke, was gerade in Kombination mit dem Highpassfilter für reichlich Synergie sorgt. 

Der Sequenzer

Abgesehen vom Knob-per-Function-Workflow dreht sich das Musizieren am Behringer Edge primär um den Analog-Style-Sequenzer. Dieser muss zwar mit nur acht Steps auskommen, bietet aber die Möglichkeit, pro Step Pitch- und Velocity-Werte via Poti “zu programmieren”. Daraus ergibt sich eine eher unübliche Arbeitsweise, die nicht nur intuitiv, sondern erstaunlich musikalisch und inspirierend ist. Selbst die verhältnismäßig kurze Länge der Sequenzen fällt immer wieder positiv auf, weil sich über die Repetition herrlich hypnotische Patterns erzeugen lassen. 

Um einzelne Steps im Detail abzustimmen, gibt es einen Trigger Taster, der bei pausierter Sequenz den aktuellen Schritt abspielt, ohne im Pattern voranzuschreiten. Mittels Advance-Button wird durch die Sequenz manövriert. Wenn Clocksignale über MIDI oder USB an den Edge geschickt werden, lässt sich das externe Tempo in Subdivisions von 1/4 bis zu 1/32 unterteilen, inklusive triolischer Optionen. Die interne Clock reicht bis zu 10.000 bpm, sodass der Sequenzer sogar als Oszillator verwendet werden kann – Wahnsinn!

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Alternativen

Fazit

Lange Zeit war der DFAM von Moog mit dem speziellen Sequenzer und analoger Funktionsweise in seiner Kategorie als Bass- und Drumsynth unanfechtbar. Behringer Edge bietet in Sachen Workflow, Sound und Anwendungsbereich die erste wirkliche Alternative und das zu einem deutlich attraktiveren Preis. Die klanglichen Unterschiede im Verhältnis zum DFAM sind in erster Linie Geschmackssache, spätestens beim Kostenpunkt aber durchweg zu vernachlässigen. Wer es klanglich härter mag und die weichen bis schwammigen Eigenschaften der Oszillatoren und Filter des Moog nicht vermisst, wird mit dem Edge sogar noch glücklicher. Abzüge gibt es für die nicht verschraubten Potis und Buchsen, trotzdem ist der Ersteindruck der Verarbeitung absolut solide. Der intuitive Workflow macht zusammen mit dem inspirierenden Sequenzer einfach Freude. Für Fans von Techno, Industrial und Experimental mit Hang zu performance-orientierten DAW-less Setups ist Behringer Edge eine absolute Empfehlung.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
3,5 von 5,0
Klang:  
5,0 von 5,0
Preis-Leistung:  
5,0 von 5,0

Pro

Druckvoller und lebendiger Analog-Sound
Intuitive Bedienung dank zahlreicher Steuerelemente
Spannender Sequenzer-Workflow
Geringer Preis

Kontra

Verarbeitung der MIDI- und DC-Anschlüsse
Wackeliges Netzteil
Patch-Matrix eher für externes Gear interessant

Preis:

235 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Behringer.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit analog , Basssynthesizer , Behringer , Drummachine , Edge , semi-modular , sequencer

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