Test: Erica Synths Perkons HD-01 – Percussion Synthesizer

Test: Erica Synths Perkons HD-01 – Percussion Synthesizer

Tests. 28. Januar 2024 | 4,3 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Die lettische Hardware-Schmiede Erica Synths ist bekannt für visionäres Boutique Gear mit Hang zur härteren Gangart. Der hybride Percussion Synthesizer Perkons HD-01 sorgt entsprechend für reichlich Hype im Techno- oder Industrial-Bereich und soll sich besonders gut für Live-Performances eignen. Hands-on-Workflow trifft auf donnernden Sound, denn Perkons hat seinen Namen nicht etwa von Percussion, sondern vom baltischen Gott des Donnergrollens. Die Details gibt es im folgenden Test.

Quick Facts

  • Vier digitale Sound Engines mit jeweils 3 verschiedenen Algorithmen
  •  Analoges Multimode-Filter (Tiefpass, Bandpass, Hochpass) pro Track
  •  Inklusive LFO, Overdrive, Opto-Kompressor und BBD-Delay
  •  4-Spur-Sequenzer mit maximal 16 Steps
  •  Interner Speicher für 64 Patterns und 64 Kits zuzüglich SD-Kartenslot

Verarbeitung und Haptik

Perkons HD-01 ist mit Abmaßen von 455 x 315 x 90 mm und 4,5 kg ein ganz schöner Bolide. Das himmelblaue Metallgehäuse ist absolut hochwertig verarbeitet und überaus stabil. Gleiches gilt für die vielen Potis, Kippschalter und Step- sowie Funktionstaster – eben typisch Erica Synths. Die vielen Hartplastikschalter sind übrigens identisch zum Twisted Electrons Blast Beats, nur ohne die beunruhigenden Spalten dazwischen. Die Taster sind angenehm schwergängig und liefern mittels hör- und spürbarem Klick haptisches Feedback. 

Die vier Trigger-Buttons rechts neben den Sequencer Lanes sind baugleich zu den Drumpads von Erica Synths’ Modular Gear und deutlich leichtgängiger als die Funktionstaster des Perkons. Das ist zwar super fürs Spielgefühl, aber beim Realtime-Recording in Kombination mit der unumgänglichen Quantisierung ganz schön schwammig. Auch der Recording-Taster ist im Rahmen des Tests negativ aufgefallen, weil er trotz Klick und aufleuchtender LED nicht immer ausgelöst hat. 

Die vielen Potis des Perkons können hingegen auf ganzer Linie überzeugen: Der relativ schwere Drehwiderstand sorgt zusammen mit der überdurchschnittlichen Größe der Potikappen für ein hohes Maß an Genauigkeit. Außerdem ist zwischen den Reglern ausreichend Platz, sodass auch größere Hände Spaß beim Bedienen haben sollten.

Auf ein Display wurde beim Perkons bewusst verzichtet, damit der Workflow Menu-Diving-frei bleibt. Stattdessen wurden rund um die Step-Buttons sämtliche Sonderfunktionen aufgedruckt, die mit verschiedenen Shift- und Tastenkombinationen zu erreichen sind. 

Hands-on-Kontrolle in allen Ehren, aber bei schlechten Lichtverhältnissen geht leider trotz zahlreicher LEDs schnell der Überblick flöten. Apropos Überblick: Selbst bei genügend Licht ist die Zuordnung von aufgedruckter Sonderfunktion und zugehörigem Menüschalter nicht immer klar, sodass definitiv etwas Einarbeitungszeit sowie der ein oder andere Blick ins Manual notwendig sind. 

Anschlüsse und Lieferumfang

Auf der Rückseite des hybriden Drumsynths sind jede Menge Anschlüsse zu finden: Für jeden der vier Tracks gibt es separate Outputs, Trigger sowie Send- und Return-Buchsen zum Einschleifen von externen Effektgeräten, allesamt im 6,35-mm-Klinkenformat. Ebenfalls für große Klinkenstecker ausgelegt sind Clock In und Out, Phones Out, Master Out sowie Send und Return für den Master. Wer gut aufgepasst hat, wird bemerkt haben, dass Perkons ausschließlich in Mono angelegt ist. 

Für Panorama-Action müssen einzelne Spuren an ihren Outputs abgegriffen und außerhalb der Drummachine gepannt werden, was wiederum bedeutet, dass die Mastersektion des Perkons umgangen wird. Die Anschlusssektion wird abgerundet von MIDI-In und -Out nach fünfpoliger DIN, einem DC-In fürs 12 Volt Netzteil, Power-Schalter und einem SD-Kartenslot. Letzterer erweitert den internen Preset- bzw. Kit-Speicher und wird zum Updaten der Firmware benötigt. Der interne Speicher des Perkons HD-01 umfasst bis zu 64 Patterns und 64 Kits. Im Lieferumfang der Drum Machine befinden sich ein Manual und das passende Netzteil. 

Die Basic Controls

Die regelbaren Parameter der vier Tracks des Perkons sind in Form von Tune, Decay, Cutoff für das Multimode Filter, Drive, FX-Send und Level nahezu identisch. Hinzu kommen Param 1 und Param 2, die je nach Algorithmus und Modus verschiedene Auswirkungen auf den Klang haben. Zur Auswahl von Algo und Mode gibt es pro Track zwei Dreiwegschalter, also insgesamt neun verschiedene Kombinationen. 

Für eine genaue Beschreibung, was sich hinter welchem Algorithmus bzw. Modus verbirgt, muss das Manual konsultiert werden, der Aufdruck auf der Gehäuseoberfläche beschränkt sich auf eine simple Nummerierung von 1 bis 3. Das sorgt für reichlich Verwirrung, denn auch wenn die Kippschalter bei allen Tracks identisch sind, unterscheiden sich die Sound Engines der Voices deutlich. Ein weiterer Kippschalter erlaubt es, das Filter auf Lowpass, Bandpass oder Highpass zu stellen.

Sowohl Drive als auch Filter sind übrigens analog und klingen großartig, sind in Sachen Klangfärbungsoptionen aber ziemlich dünn aufgestellt. So gibt es fürs Filter weder Resonanz noch Envelope-Modulation und beim Drive lässt sich nur der Verzerrungsgrad justieren. 

Algorithmen und Modi

Die ersten beiden Tracks des Perkons eignen sich besonders für Kick-Sounds oder Bässe. Voice 1 kommt mit den Algorithmen Fold Drum, Wavetable Drum und Simple Drum. Fold Drum verfügt je nach Modus über keinen Transienten, einen Noise Transienten oder einen Pulse Transient, wobei die Parameter Knobs den Fold Amount und Pitch Envelope regeln. Der Wavetable Algo bietet je nach Modus verschiedene Wavetables und lässt sich via Param 1 und Param 2 gemäß Surf oder Pitch Envelope steuern. 

Bei Simple Drum kann mittels Mode Switch die Wellenform ausgewählt werden, über die Parameter Knobs werden Pitch Envelope Amount und Decay justiert. Track 2 kommt mit den selben Fold Drum und Wavetable Drum Algorithmen daher, der dritte Algo heißt Complex Drum und verfügt über rudimentäre FM-Komponenten. Complex Drum lässt sich per Mode-Schalter wieder mit verschiedenen Wellenformen bestücken, die Parameter-Potis steuern hier die Mod-Oszillator-Frequenz und den Pitch Envelope Amount.  

Voice 3 ist primär für Snares und Claps gedacht, was sich an den Algorithmen Resonant Drums und Slap zeigt. Der erste basiert je nach Modus auf einer Resonant Snare im 808 Stil, Resonant Bassdrum oder Noise bzw. Tone Drum. Die justierbaren Parameter sind Noise Tone sowie Noise Decay. Beim Slap-Algo gibt es keine extra Modi, dafür lassen sich Reverb und Crunch, also die Dichte der verschiedenen Transienten des Clap Sounds, steuern. 

Zu guter Letzt gibt es hier noch den Karplus-Algorithmus, der zwar wieder ohne besondere Modi auskommt, aber eine spannende melodische Ergänzung darstellt. Via Edge und Twang lässt sich der Karplus-Sound noch weiter verfeinern. Der letzte Track des Perkons eignet sich besonders für Hats und Cymbals. Der Noise-Hat-Algorithmus verfügt über die Modi White Noise, Metallic Noise und Pulse Stack Noise, mit denen sich der Grundcharakter des Sounds einstellen lässt. Envelope Amount und Attack erweitern die Klangfärbungsoptionen. 

Der Noise/Tone Algo kann gemäß Envelope Amount und Noise/Tone Mix justiert werden, hat aber keine verschiedenen Modi. Acoustic Hats ist ein Sample-basierter Algorithmus der per Mode Switch entweder closed bzw. open Hats oder Ride Sounds abspielt. Die Parameter Knobs steuern hier Sample Rate und Attack.   

LFO und Modulationsmatrix

Alle Tracks des Perkons teilen sich einen LFO, dessen Speed von 0,1 Hz bis zu 20 Hz frei steuerbar ist, sich aber auch zum Tempo des Sequenzers synchronisieren lässt. Wenn die LFO-Geschwindigkeit relativ zur Pattern BPM läuft, steuert der Speed-Regler die Subdivision mit den Multiplikatoren 1, 2, 4, 8, ½, ¼ und ⅛. Punktiertes und Triolen sind nicht möglich, sodass spannendere Tempi leider manuell geregelt werden müssen. 

Die verfügbaren Wellenformen sind Sinus, Dreieck, Sägezahn, Ramp, Puls, Sample&Hold sowie Double Decay Saw. Letztere ist die wahrscheinlich unkonventionellste Wave des LFO und praktisch eine Sägezahnwelle, deren Amplitude von einer Sawwave im halben Tempo moduliert wird. Die Wellenformen morphen übrigens stufenlos ineinander, was spannende Zwischenformen ermöglicht. 

Mod Level bestimmt die globale Amplitude des LFO, welche sich dann pro Track und Modulationsziel in Zehnerschritten von 0 bis 80 Prozent umrechnen lässt. Apropos Modulationsziele: Alle Sounddesign-Parameter des Perkons können vom LFO gemäß der beschriebenen Prozentsätze moduliert werden und jedes Ziel darf über einen Mod-Depth-Prozentsatz verfügen. 

Noch besser wäre natürlich, wenn die prozentuale Modulationstiefe bipolar justierbar wäre, dann ließe sich noch mehr aus LFO rausholen bzw. wäre es verkaftbarer, dass Erica Synths nur einen implementiert haben. Dass die Parameter der Mastersektion nicht als Modulationsziel in Frage kommen ist allerdings weniger problematisch, da beispielsweise das BBD-Delay über einen eigenen LFO verfügt, aber dazu später mehr. 

BBD-Delay und Opto Kompressor

Das integrierte Bucket Brigade Delay kommt mit Reglern für Delay Time und Feedback daher, wobei mittels Kippschalter zwischen langen und kurzen Delay-Zeiten gewechselt werden kann. Die Echo Rate reicht von super kurzen, metallischen Oszillator-Sounds im Zen-Delay-Stil bis zu 1000 ms, was für die wichtigsten Anwendungsbereiche absolut ausreicht. 

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Das Togglen zwischen den Delay-Zeiten ist ein super Performance Tool, um FX-Hits im Handumdrehen mit unterschiedlichen Echo Rates zu bestücken. Ein weiterer Kippschalter steuert die Klangfarbe des Echos und lässt mal mehr und mal weniger Höhenanteil durch. Das Delay ist komplett digital, emuliert die analogen Klang-Eimerchen aber ganz hervorragend und liefert eine super Ergänzung des Perkons Arsenals. Nicht zuletzt dank des integrierten LFOs, der mit regelbarer Rate und Depth die Delay-Zeit moduliert. 

Versteckt hinter einer Tastenkombination aus Shift und Mod gibt es übrigens noch einen On/Off-Toggle für Vintage BBD, wodurch der Sound des Echos noch mehr Lofi wird. Der Opto-Kompressor des Perkons ist mit nur zwei Reglern etwas schmaler aufgestellt. Hier lassen sich nur Threshold und Amount per Poti steuern und der Effekt greift grundsätzlich auf das gesamte Master-Signal zu, unabhängig von den FX-Sends. 

Was den Klang betrifft, ist der Kompressor eine absolute Wucht und hebt den Pegel des Perkons ordentlich an. Ähnlich wie beim Drive sollte also auch der Kompressor in Tandem mit der Lautstärke justiert werden, um ungewolltes Clipping zu vermeiden. Ob beim Perkons überhaupt von ungewolltem Clipping die Rede sein kann, ist angesichts der Zerstörer-Sounds des blauen Donnerlittchens allerdings mehr als fraglich. 

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Mehr Informationen

Sequenzer und Workflow

Eigentlich ist die Bedienung des Perkons Sequenzers relativ normal: Es gibt Lauflichtprogrammierung und Echtzeitaufnahme, Trig Locks, Conditions, Probability und aufnehmbare Automationen, aber fast alles ist irgendwie anders. Angefangen bei den vier Sequencer Lanes, die jederzeit Zugriff auf die Patterns der vier Voices bieten, ist der Workflow des Perkons eindeutig auf Live-Performance zugeschnitten. Nach Elektron-Prinzip können einzelne Trigs gehalten und mit beliebigen Parameterveränderungen bestückt oder durch die diversen Sequenzer-Effekte des Perkons verziert werden. 

Trig Conditions heißen bei Erica Synths Odds und erlauben es, gewünschte Trigs nur alle 2, 3, 4 oder 8 Durchläufe wiederzugeben. Odds2 liefert unorthodoxere Optionen wie 2/3, 3/4, 4/5 oder 7/8. Probability ist ausschließlich gemäß 10 %, 25 %, 50 % oder 90 % regelbar und lässt sich nur auf gehaltene Trigs übertragen, Probability per Track oder Master gibt es nicht. Zu guter Letzt verfügt Perkons noch über eine Ratchet-Funktion, die entsprechende Steps 2, 3, 4 oder 5 mal abspielt. 

Die Maximallänge von 16 Steps pro Track ist auf den ersten Blick ganz schön einschränkend. Zusammen mit den verschiedenen Odds und Probability Settings lassen sich aber trotzdem Patterns „längere” Patterns erzeugen. Außerdem ist es eine spannende Abwechslung, mit kürzeren Loops zu arbeiten. Besonders hypnotische Techno-Styles kommen mit den relativ kurzen Sequenzen gut zurecht. Wer es trotzdem länger mag, kann die Sequenzerauflösung gemäß der Faktoren 2, 4, 8 oder 3/4 dividieren, wobei das aber auf Kosten der Subdivisions geht. 

Beispielsweise ist eine Sequenz mit halbierter Auflösung zwar erst nach 2 Takten im Standardtempo durchgelaufen, kann aber nur noch Achtelnoten wiedergeben. Das Ganze funktioniert übrigens auch in die andere Richtung, sodass die Auflösung verdoppelt, vervierfacht oder mit 3/2 multipliziert werden kann. Hinzu kommen die Laufrichtungen vorwärts, rückwärts, Ping-Pong und Random sowie Individual Step Length. All diese Settings können für jeden der vier Tracks unabhängig vorgenommen werden, was trotz fehlendem Display erstaunlich gut funktioniert. 

Alternativen

Fazit

Streng genommen ist Perkons HD-01 von Erica Synths außer Konkurrenz. Das liegt vor allem am Sound, den es so bei keinem anderen Drumsynth gibt. Trotz der vielen Bedienelemente und diversen Sound Engines ist das Klangspektrum des Perkons aber ziemlich eingeschränkt und eindeutig auf härtere Stile wie Techno und Industrial ausgelegt. Auch der Funktionsumfang ist für ein derart teures Gerät relativ schmal, was sich beispielsweise am Stepsequencer mit maximal 16 Steps zeigt. Trotzdem macht das, was Perkons kann, einfach Spaß. Eingegebene Patterns lassen sich buchstäblich im Handumdrehen morphen und in neue Sound-Gewänder hüllen, aber eben mit Hang zu donnernder Zerstörung: Wer im Eifer der Performance beispielsweise die „falsche” Schalterstellung der Algo und Mode Switches trifft, kann gerne mal von brutalen Wave Folding Sounds überrascht werden. Die unübersichtliche Kombination der Kippschalter für Algorithmus und Modus erschwert außerdem den Überblick darüber, was die Param-Regler gerade machen. Ohne entsprechende Einarbeitungszeit ist das Musizieren am Perkons also eher ein willkürliches Poti-Geschwurbel, frei nach dem Motto „Hit or Miss”. Anders ausgedrückt, handelt es sich beim Perkons HD-01 um ein Instrument, auf das man sich einlassen muss. Wer darauf Lust hat, mit der Soundästhetik klarkommt und den stolzen Preis zahlen kann, sollte Perkons definitiv auschecken.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
5,0 von 5,0
Klang:  
4,5 von 5,0
Preis-Leistung:  
4,0 von 5,0

Pro

Charakterstarker, unvergleichbarer Sound
Intuitive Bedienbarkeit mit vielen Reglern
Inspirierender Workflow

Kontra

Hoher Preis
Nur ein LFO
Komplett Mono
Maximal 16 Steps pro Sequenz

Preis:

1965 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Erica Synths.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Drummachine , Erica Synths , HD-01 , Hybrid , Perkons , sequencer , Synthesizer

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