Test: Elektron Digitone

Test: Elektron Digitone

Tests. 22. Dezember 2018 | / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Beim Digitone handelt es sich um einen achtstimmig polyphonen Synthesizer der Firma Elektron. Auf vier internen Synth-Spuren lassen sich die wunderbar metallischen und lebendigen Klänge der mittels vereinfacht umgesetzter Frequency-Modulation erzeugen. Mit zwei Filtern und einem Overdrive pro Track verfügt der Digitone aber auch über gängige Mittel der subtraktiven Synthese. Ein weiterer Overdrive sowie Chorus, Delay und Reverb als Master-Send-Effekte ergänzen das Arsenal des Digitone. Als Herzstück gilt jedoch wie üblich der großartige Sequenzer Elektrons: Parameter Locks, Trig Conditions und Sound per Step Change zählen zu den Leistungsträgern der Skandinavier und bieten trotz der überschaubaren Menge von vier Synth Tracks reichlich Platz zum Austoben. Wie immer gilt bei derartig vielen Möglichkeiten, einen besonders kritischen Blick auf die Bedienbarkeit zu werfen.

Anschlüsse und technische Daten

Mit Außenmaßen von 215 × 176 × 63 mm und einem Gewicht von knapp anderthalb Kilogramm lässt sich der Digitone überall hin mitnehmen. Die transportable Größe macht Doppelt- und Dreifach-Belegungen der Buttons und Encoder jedoch zwingend notwendig und kann schon mal für Verwirrung sorgen: Genau wie beim Digitakt sind bei schlechtem Licht nur die Erstbelegungen auf den beleuchteten Buttons erkennbar, die sekundären Funktionen sind in hellblauer Schrift unter die Tasten gedruckt und leuchten nicht. Elektron hat wieder die schreibmaschinenhaften Klappertasten verbaut, die zwar viel aushalten, aber weder druckempfindlich noch After-Touch-kompatibel, sondern vor allem laut sind. Die Endlos-Encoder wirken hingegen modern und stabil, reagieren direkt und können Werte bei gleichzeitiger Druck- und Drehbewegung extra schnell ändern. Eine beleuchtete Beschriftung brauchen sie nicht, da ihre Zuweisung stets vom super crispen OLED-Display abzulesen ist.

6,35-mm-Stereo-Ins und -Outs sowie ein Kopfhörerausgang sind für einen Synthesizer OK, über zwei 6,35-mm-Eingänge können externe Instrumente an die Master-Effekte des Digitone geroutet werden. Computerbasierte Setups werden von der kostenlosen Overbridge Software profitieren, welche über den USB-Port des Digitone in der Lage ist, die vier Synth-Spuren separat in die DAW zu speisen oder Parameter mittels Automationen zu steuern. MIDI In, Out und Thru dürfen natürlich nicht fehlen, wenn man bedenkt, dass der Digitone mit seinen Sequenzeroptionen zusätzlich vier MIDI-Spuren versorgen kann. Die verbauten 48 kHz, 24 Bit AD/DA-Wandler gewährleisten guten Klang in Studioqualität. Der Digitone kommt mit Netzteil und USB-Kabel.

Bedienbarkeit und Workflow

Der Digitone sieht nicht nur aus wie der Digitakt, die beiden Geräte ähneln sich auch stark in ihrer Handhabung. Als Hauptwerkzeug fungieren acht Encoder, die je nach Menü für andere Parameter zuständig sind. Die aktuelle Zuweisung der Encoder ist stets auf dem Display abzulesen und oft sogar durch eine kleine Grafik veranschaulicht, was das intuitive Verständnis der Klangregelung fördert. Zwischen den Menüs – sogenannten Ansichten – wechselt man über die Tasten unterhalb der Encoder, wobei wieder das Display und zusätzlich die Tastaturbeleuchtung anzeigen, wo man sich gerade befindet. Auch wenn einige der Ansichten zweiseitig sind, ist es trotz der Fülle an Features beinahe unmöglich, sich in den Menüs des Digitone zu verirren. Die Einstellungsmöglichkeiten sind schlüssig auf die Ansichten verteilt und das aktive Menü ist immer irgendwo in leuchtender Schrift gekennzeichnet – so weit, so gut.

Problematisch wird es jedoch bei der Klangerzeugung: FM Synthese gilt als kompliziert und zumindest für Laien sogar unvorhersehbar. Deshalb will Elektron beim Design des Digitone besonders auf eine zugängliche Klangerzeugung geachtet haben – angesichts der unfassbar vielen Features, die in der kleinen Kiste stecken, gewiss kein leichtes Unterfangen: Jede der vier Synth-Spuren des Digitone besitzt drei Menüseiten, die mit Abstand die kompliziertesten vom ganzen Instrument sind. Hat Elektron sein Vorhaben also verfehlt? Die Antwort ist Jein. FM-Novizen können zunächst froh sein, dass der Digitone mit 628 Preset Sounds geliefert wird und man auch ohne Vorkenntnisse schnell brauchbare Klänge gespielt bekommt.

Per Doppelklick auf eine der vier bunten Track-Tasten gelangt man in die Preset Library, wo die zahlreichen Sounds bereits beim Browsen über die Step Buttons angespielt werden können. Im Vergleich zum Digitakt sind diese übrigens etwas schmaler und erinnern durch die weiße Färbung in der unteren Reihe an eine Klaviatur. Dieses kleine Detail sieht nicht nur schick aus, sondern hilft ungemein bei der Orientierung. Darüber hinaus sind sämtliche Presets in Kategorien eingeteilt und lassen sich über die Suchfunktion der Library sortieren und filtern. Egal ob Percussion, Bass, Pads oder Leads – der Digitone bringt genug Sounds mit, um ganze Alben zu produzieren.

Ausgehend von den Presets, die übrigens einen gelungenen Mix aus modernen Sounds und 80er-Retro abdecken, lässt sich die Klangregelung wunderbar per Trial and Error erforschen. Man versteht zwar trotz kleiner Grafiken nicht wirklich, welchen konkreten Einfluss die acht verschiedenen Algorithmen auf die Klangerzeugung haben, doch auch bei unkontrolliertem Geschraube bleibt der Digitone in der Regel musikalisch. Das liegt vor allem an den relativ festen Schwingungsverhältnissen der vier Operatoren. In welchem Schwingungsverhältnis diese zueinander stehen, bestimmt, ob das Resultat harmonisch oder eher chaotisch klingt, wobei die von Elektron getroffene Vorauswahl an Kombinationsmöglichkeiten Schlimmstes zu verhindern weiß. Das kommt Anfängern natürlich sehr entgegen, kann für Fortgeschrittene aber schnell zur Einschränkung werden. Unterm Strich hat Elektron hier aber einen soliden Mittelweg gefunden, der genug Raum für Experimente lässt und gleichzeitig verhältnismäßig intuitiv funktioniert.

LFOs und FX

Elektron hat auch dem Digitone eine gehörige Portion an zusätzlichen Effekten spendiert. Neben den üblichen Verdächtigen Delay, Reverb und Filter ist passend zum 80er-Vibe der FM-Synthese ein Chorus an Bord. Jeder der Effekte trägt positiv zum guten Klang des Digitone bei und verfügt über seine eigene Ansicht mit zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten. Beim Delay gibt es ein Bandpassfilter in der Feedbackschleife sowie diverse Stereo-Optionen, der Reverb kann infinite Decay und besitzt Regler für Pre Delay und ein Frequenz-Shelving-Tool. Gewöhnungsbedürftig ist bei allen zeitbasierten Parametern des Digitone aber, dass die Einstellung mittels unterschiedlicher Zahlenwerte geschieht. Erst ein Blick ins Manual gibt Aufschluss über die tatsächliche Subdivision, die sich hinter den Werten verbirgt. Eine Einstellung in Millisekunden oder als Dezimalbruch wären hier vielleicht nachvollziehbarer.

Das Multimode-Filter des Digitone kann als 12 dB Highpassfilter sowie 12 und 24 dB Lowpassfilter eingestellt werden. Neben gängigen Parametern wie Filter-Envelope, Resonanz und Cutoff verfügt der Digitone über ein zusätzliches Bandpassfilter, mit dem sich die Frequenzwiedergabe der einzelnen Synth-Spuren noch weiter anpassen lässt. Beim Chorus kann man außer Speed und Depth auch die Stereobreite justieren und den Effekt mittels Highpassfilter etwas dezenter wirken lassen. Die Overdrives – einer für jede der vier Spuren und einer auf dem Master – kommen mit nur einem Gain-Regler aus und reichen von leicht angecruncht bis heavy Distortion. Als wäre das nicht genug, verfügt jede der Spuren über zwei LFOs, die sich mit allen Einstellungsmöglichkeiten aus den Synth-, Filter- und Amp-Ansichten patchen lassen. Letztere beherbergt die Parameter ADSR, Overdrive, Pan sowie die Sends für Chorus, Delay und Reverb. Wieder profitiert der Digitone von seiner flachen Menühierarchie, sodass man bei all den Einstellungsmöglichkeiten stets den Überblick behält. Für ein einzelnes Gerät, das kein dedizierter Multieffekt ist, besitzt der Digitone massenhaft Funktionen, die nicht nur differenziert einstellbar sind, sondern auch allesamt gut klingen.

Sequencer und Arpeggiator

Für noch mehr 80s-Flair besitzt der Digitone für jede seiner vier Spuren einen separaten Arpeggiator. Erneut dienen die Step-Buttons als Mini-Keyboard für die Eingabe der Arpeggios, die einzelnen Schritte lassen sich aber auch per Offset über die Encoder justieren. Egal ob aufwärts, abwärts, im Kreis oder in genau der Reihenfolge, wie die Noten eingegeben wurden – bis auf eine zufällige Abfolge der Stufen kann der Arpeggiator des Digitone alles, was man braucht. Praktisch ist auch, dass die Länge des Arpeggios mit einer Obergrenze von 16 Stufen separat eingestellt werden kann, wodurch sich auch Pausen in die Tonabfolgen einbauen lassen. Die Geschwindigkeit wird hier sogar als Dezimalbruch bzw. als herkömmlicher Notenwert angezeigt und die Möglichkeit, die Länge der Stufen zu regeln, rundet die Einstellungsmöglichkeiten des Arpeggiators ab.

Wie bereits einleitend angepriesen, ist der Sequenzer des Digitone besonders bemerkenswert. Er verfügt über die gewohnten Modi für Grid und Live Recording, unterstützt Patterns mit maximal 64 Steps, per Knopfdruck abrufbare Fills und eine raffinierte Implementierung für die Justierung des Microtimings. Doch was Elektrons Sequenzer von anderen abhebt, sind vor allem die Parameter Locks und Trig Conditions. So ist der Digitone in der Lage, seine zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten für jeden Step separat zu speichern und unfassbar komplexe Patterns zu erzeugen. Dazu hält man einfach einen Step Button gedrückt und nimmt wie gewohnt die gewünschte Einstellung vor. Schon besitzt der bearbeitete Step – bei Elektron Trig genannt – seinen ganz eigenen Klang. Auf diese Weise lässt sich sogar der ausgewählte Basis-Sound variieren. Das heißt dann Sound per Step Change und lässt die vermeintliche Einschränkung von vier Synth-Spuren zur Ansichtssache werden. Die eingegebenen Trigs können aber auch nur unter gewissen Umständen abgespielt werden. Der Parameter Trig Condition erlaubt dafür wahlweise Prozentzahlen oder konkrete Taktangaben, um dem Pattern entweder zufällig oder ganz gezielt noch mehr Leben einzuhauchen. Mittels Trig Conditions kann z. B. auch die angegebene Obergrenze von 64 Steps angehoben werden, weil sie Variationen nach bis zu acht Durchläufen ermöglichen.

Fazit

Den Digitone als FM-Synthesizer zu vermarkten, zeugt von der Bescheidenheit Elektrons. Klar, die Klangerzeugung funktioniert gemäß der Prinzipien von FM-Synthese, aber die Palette an Effekten und eben der großartige Sequenzer zeichnen die kleine Kiste mindestens genauso aus. Die Bedienbarkeit dürfte für Elektron-Veteranen ein Kinderspiel sein, aber auch wer mit dem Digitone das erste Mal bei den Schweden kauft, ist schnell mit dem Workflow vertraut. Das liegt vor allem am Display und den Encodern, die zusammen mit den vorwiegend parallel angelegten Menüansichten für eine homogene und übersichtliche Steuerung sorgen. Dass der Digitone weniger wie ein Keyboard, sondern mehr wie eine Groovebox designt wurde, kommt zwar dem Sequenzer entgegen, erschwert aber leider das Echtzeitspiel. Wer gerne virtuos in die Tasten haut, wird wahrscheinlich nicht um die Anschaffung eines MIDI-Keyboards herum kommen.

Trotzdem eignet sich der Digitone auch als Stand-alone-Gerät, weil sein Arsenal an Features einer Art Hardware DAW nahekommt und die Klangerzeugung durchaus in der Lage ist, auch überzeugende Percussion-Sounds hervorzubringen. Besonders Kicks und Hi-Hats klingen super, Snares und Claps sind jedoch schwerer zu emulieren. Der Sound des Digitone ist insgesamt schön voll und klar. Die differenzierten Filteroptionen helfen, auch bei komplexeren Patterns einen sauberen Mix zu gewährleisten. Über die vier MIDI-Spuren des Digitone kann der Sequenzer zusätzlich externe Geräte ansteuern und so frischen Wind in bestehende Setups bringen. Im Prinzip sei der Digitone allen ans Herz gelegt, die Fans der 80er und des Elektron Sequenzers oder auf der Suche nach unverbrauchten Sounds sind.

Pro

Viele brauchbare Factory Sounds
Unfassbar flexible Klangregelung
Genialer Sequenzer

Kontra

Design-Kompromiss zwischen Groovebox und „spielbarem“ Synthesizer

Preis:

899,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Elektron.

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