Test: FL Studio / Digital Audio Workstation

Test: FL Studio / Digital Audio Workstation

Tests. 17. Januar 2023 | 4,8 / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Die DAW FL Studio des belgischen Unternehmens Image-Line zählt mit ihrem mittlerweile 24-jährigen Bestehen zu den ganz alten Hasen im Business. Umso spannender ist, dass die Audio Workstation trotz mehrfacher Auszeichnungen immer wieder mit Imageproblemen (no pun intended) zu kämpfen hatte und auch heute noch in ihrer Rezeption spürbar hinter Ableton Live, Cubase, Logic und Co. angesiedelt ist. Was wirklich in der Musiksoftware steckt, zeigt dieser Test.

Quick Facts

  • kostenlose Updates auf Lebenszeit nach Erwerb einer Lizenz
  • individuell gestaltbare Oberfläche und effizienter Workflow
  • Beste Piano Roll im Business

Überblick & History

Ursprünglich Fruity Loops genannt, erblickte die Software im Jahr 1998 in Form einer vierspurigen MIDI-Drum-Machine samt Sequencer das Licht der digitalen Musikwelt. Als Reaktion auf die überraschend hohen Downloadzahlen entschied sich Image-Line – zu der Zeit vornehmlich in der Videospielbranche tätig –, das Produkt weiter auszubauen.

Über die Jahre mauserte sich Fruity Loops durch die Implementierung von Multicore FX- und Instrument-Processing, VST und AU-Plugins, Project Browser, Mixer oder Pianoroll zu einer zunehmend flexiblen Produktionsumgebung. Sämtliche Elemente sind als eigenes Fenster frei verteilbar, wodurch sich die Bedienoberfläche ganz nach den eigenen Wünschen gestalten lässt.

FL Studio im Test
So sah FL Studio – damals noch Fruity Loops – mal aus.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Image-Line beim Kauf einer Lizenz lebenslangen Support und kostenlose Upgrades gewährleisten und das für verhältnismäßig wenig Geld. Vor dem Kauf steht die DAW dauerhaft zum kostenlosen Test zur Verfügung, mit abgespeckten Features pro Plugin und ohne die Möglichkeit, Projekte zu laden. Speichern und das Exportieren in den Formaten MP3, WAV, FLAC, MIDI und Video sind jedoch möglich.

Wegen einer drohenden Urheberrechtsklage von Kellog's im Jahr 2003 änderte Image-Line den Namen von Fruity Loops in FL Studio um. Gleichzeitig sollte die Namensänderung einen seriöseren Eindruck erwecken und widerspiegeln, dass es sich nicht mehr nur um ein "Spielzeug" zum Loopen von MIDI-Befehlen handelt.

Wer nutzt FL Studio?

Mit verifizierten Nutzern wie Avicii, Marvin Garrix, Alan Walker oder Soulja Boy ist FL Studio ziemlich eng mit charttauglichem EDM und Hip-Hop verwoben. Wieder zeigt sich, dass FL Studio eher mit Instrumenten und Sounds aus der Dose brilliert, statt akustische Recordings vorzunehmen, selbst wenn streng genommen beides möglich ist. Wie immer bestätigen jedoch Ausnahmen die Regel, was sich bei den Produktionen von Mike Oldfield äußert.

FL Studio im Test.
Der Sequencer in FL Studio.

FL Studio 20

Passend zum zwanzigjährigen Jubiläum sprang FL Studio im Jahr 2018 von Version 12.5 auf 20. Im Rahmen dieses Updates erhielt die DAW erstmals macOS Support und verbesserte Latenzkompensation für Plugins. Insbesondere die Latenzprobleme sind bis zu dem Zeitpunkt vermehrt negativ aufgefallen und galten als limitierender Faktor beim Produzieren.

Zusammen mit zahlreichen Bugfixes und stetig wachsender Plugin-Bibliothek war FL Studio also zu einem regelrechten Powerhouse geworden. Die Software gewann gleich zweimal (2018 und 2019) den International Dance Music Award in der Kategorie beste DAW, 2020 folgten zwei Siege beim Music Radar Poll.

Der Hauptkritikpunkt an FL Studio ist immer noch der holprige Umgang mit Audioaufnahmen, ein Standard-Feature vieler DAWs, das Image-Line seit Software-Version 5 anbietet und erst seit Version 20.1 einigermaßen rund läuft. Anders formuliert ließe sich behaupten, dass die DAW primär für die Produktion von elektronischer Musik "inside the Box" gedacht ist, wobei sich viele Produzierende am intuitiven Workflow und dem fetten Sound erfreuen.

Channel Rack

Das Channel Rack ist seit der ersten Fruity Loops Version dabei und versieht jeden Kanal mit einem eigenen Sequenzer, der mittlerweile bis zu 512 Steps umfasst. Die Channels lassen sich mit Samples, Audiodateien oder MIDI-Klangerzeugern à la Softsynth und Co. bestücken, Automationsparameter können ebenfalls als Quelle dienen.

Dank der Channel-Loop-Funktion dürfen sich die verschiedenen Sequenzen in ihrer Länge unterscheiden, wobei sich die kürzeren Loops entweder step-, beat- oder taktweise wiederholen. Die Parameter Velocity, Release, Fine Pitch, Pan oder Sample Start können im Graph-Editor justiert werden. Mit Mod X und Mod Y werden vornehmlich Filterfrequenz und Resonanz des samplereigenen Multimode Filters geregelt.

Die mit Klangerzeugern und Sequenzen bestückten Channel ergeben zusammen ein Pattern, das im Playlist-Fenster – Image-Lines Pendant zu Ableton Lives Arrangement View – angezeigt und in die Timeline gezogen werden kann. Seit Version 20 können hier sogar auf non-destruktive Weise mehrere Arrangements parallel vorgenommen werden.

Piano Roll

FL Studio gilt als unangefochtener Spitzenreiter, wenn es um Piano Rolls geht. Auch wenn die Konkurrenz mittlerweile nachgezogen hat, sind Features wie Glide, Scale Detection oder Random Generators schon lange bei der DAW von Image-Line vertreten. Hinzu kommen kleine Workflow Hacks wie das Platzieren von Noten mittels einfachem Linksklick oder das radiergummiartige Löschen von Noten bei gehaltener rechter Maustaste.

Der Clou von FL's Piano Roll ist die Ghost-Note-Funktion, bei der die Noten aller Instrumente eines Patterns untereinander dargestellt werden. Per Rechtsklick auf das entsprechende Layer springt die Bearbeitungsoberfläche auf das nächste Instrument um, was Zeit und Nerven spart. Deadmau5 preist FL's Piano Roll als intuitives Eingabe-Tool für alle, die lieber programmieren als Live einspielen, an.

FL Studio Pianoroll

Mixer

Im Gegensatz zu den meisten anderen DAWs sind die Channels von FL Studios Channel Rack und die Tracks aus dem Playlist View nicht direkt auf den Mixer geroutet. Weil bereits im Channel Rack rudimentäre Mixing-Aufgaben wie Volume und Pan angegangen werden können, lässt sich das Routen auf die Mixer-Channels beispielsweise nutzen, um verschiedene Sounds zu gruppieren.

Via zehn Insert-Slots pro Kanal sorgen Effekt-Plugins für die nötige Würze im Sound. Sind alle Slots belegt, lässt sich in Windeseile ein Send-Kanal erstellen, der wieder zehn Slots hat. Alternativ kann auch der Patcher genutzt werden, eine grafische Oberfläche zur beliebigen Verkettung von Klangerzeugern und Effekten, bei der unbegrenzt viele Plugins verpatcht werden können.

Track Mode

Seit Version 20.1 können Klangerzeuger Plugins auch direkt auf die Playlist Tracks gezogen werden, wodurch sich eine automatische Verbindung zum Mixer herstellen lässt. Anschließend können sogar Effekt-Plugins auf den Track gedragt werden, die sich dann automatisch in den nächsten freien Insert-Clot des Mixerchannels begeben. Auch Audio-Clips lassen sich per Drag-and-rop auf der Playlist platzieren und ordnen sich dann von selbst einem Mixerkanal zu.

Für Audioaufnahmen müssen die gewünschten Tracks mittels Kontextmenü als Audiotrack deklariert und die notwendigen In- und Outputs des Audiointerfaces verteilt werden – ein längst überfälliges Feature, das die Achillesferse von FL Studio, nämlich Audio-Recording, entlasten dürfte. Nach wie vor umständlich ist das Editieren von Audio-Dateien,

Plugins

FL Studio kommt mit einer Vielzahl an Plugins und virtuellen Klangerzeugern, mit Unterstützung für third party VSTs und DirectX Plugins. Das API (Application Programming Interface) ist kompatibel mit VST, VST2, VST3, DX und ReWire und viele Plugins der DAW funktionieren Standalone.

Bereits die günstigste Lizenz der DAW beinhaltet die ikonischen Plugins Fruity Parametric EQ mit seinen bunten Frequenzbändern oder den Fruity Reverb 2 mit der grafischen Darstellung für Raumgröße und Diffusion. Auch der Soundgoodizer, ein Kompressionstool, das mit nur einem Drehregler auskommt, ist eins dieser FL-Plugins, das im Gedächtnis bleibt.

Auf Klangerzeugerseite gibt es den 3x OSC oder Simsynth Live für subtraktive Synthese, DX10 für FM-Sounds oder den Fruity Granulizer für Granularsynthese. Drums werden mittels Fruity Drumsynth Live und Fruity Kick synthetisiert, ebenfalls erwähnenswert ist Plucked!, ein Modeller Plugin zur Emulation von schwingenden Saiten und anderen Klangkörpern.

Sound

Ein gewisser Kitsch wohnt zwar vor allem dem Sound der Fruity Plugins der günstigsten Version inne, wie gesagt wird FL Studio besonders erfolgreich für EDM, Hip-Hop und anderen massentauglichen Genres verwendet, doch mit etwas Tüftelei lässt sich bereits aus der Fruity-Ausstattung eine Menge rausholen.

Erstaunlicherweise ist es beispielsweise einfacher, einen fetten Sound mit FL Studio zu erzeugen als etwa mit Ableton Live. Statt mit Kompression und Effektierung für dicken Klang zu sorgen, genügt bei FL das Hochziehen der Mixer Fader, ein Sachverhalt der nicht nur Einsteiger:innen begeistern dürfte.

FL Studio Editionen und Features

Image-Line unterscheidet bei den verschiedenen Editionen von FL Studio primär zwischen der Fruity-Variante für derzeit 99 Euro und der Studio Edition für 178 Euro. Erstere verzichtet auf Audio-Clips, Audio-Recording, Automation-Clips und die Sampler-Plugins Slicex und Edison. Das Programmieren via Stepsequencer und Piano Roll sowie das Verteilen entsprechender Patterns in der Playlist sind jedoch möglich.

Bei der Studioversion gibt es alle Clip-Arten und insgesamt 89 Effekte und Instrumente, die Fruity Edition kommt auf 83. Die beiden teuersten Lizenzen unterscheiden sich nur noch in ihrer Plugin-Ausstattung. Image-Lines Signature Bundle kostet 267 Euro und beinhaltet die "besten" Plugins aus der verfügbaren Produktpalette, darunter die Pitch- und Timing-Korrekteur Newtone bzw. Grossbeat oder der Vintage Chorus.

Die All Plugins Edition stellt die Königsklasse dar und bietet für 888 Euro Zugriff auf die gesamte Plugin-Palette von Image-Line. Abgesehen von der lebenslangen Upgrade-Garantie durch den Erwerb einer dieser Lizenzen, werden Plugins, die sich bereits im Besitz befinden, vom Kaufpreis abgezogen – einfach fair, diese Belgier!

Alternativen

Fazit

Für elektronische Stile wie EDM, Drum and Bass oder Dubstep ist FL Studio die wahrscheinlich beste Wahl, zumindest spiegelt sich das im Sound der Plugins und den verfügbaren Tutorials auf YouTube und Co. wider. Generell ist die Produktpolitik von Image-Line mit ihrer lebenslangen Update-Garantie und den mehr als angemessenen Preisen einfach total fair. Auch die Möglichkeit, FL Studio als Dauertest zu fahren, zeugt von einem Vertrauen in die Kundschaft, das es heutzutage selten gibt. Wer glaubt, der verhältnismäßig niedrige Preis zeuge von ebenfalls niederer Qualität, irrt außerdem gewaltig, denn mittlerweile ist der Funktionsumfang der DAW durchaus mit der Konkurrenz à la Ableton Live zu vergleichen. Selbst das Aufnehmen und Bearbeiten von Audiosignalen ist mittlerweile ein Klacks, nur dafür lohnt sich die Anschaffung jedoch eher nicht. FL Studio ist eine vollausgewachsene DAW, also ein Studio in the Box, brilliert aber eben auf dem Gebiet Plugin-generierter und Sequencer- bzw. Pianoroll-orientierter Musik.

Gesamtwertung:
4,5 von 5,0
Qualität:  
4,5 von 5,0
Klang:  
4,5 von 5,0
Preis-Leistung:  
5,0 von 5,0

Pro

Kostenlose Updates auf Lebenszeit nach Erwerb einer Lizenz
Individuell gestaltbarer und effizienter Workflow
Faires Preis-Leistungs-Verhältnis

Kontra

Die vielen Einzelfenster sorgen für Chaos
Audio Editing ist umständlich

Preis:

179,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Image-Line.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit DAW , FL-Studio , image line , Test

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