Essentials: Die derzeit angesagtesten Clubs weltweit

Essentials: Die derzeit angesagtesten Clubs weltweit

Features. 12. September 2025 | 3,8 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

"Angesagt”, das hieß ja mal was: Die richtigen Leute am richtigen Ort zur richtigen Zeit und ein unscharfes Foto in der Raveline. Inzwischen reicht ein viral gegangener Toilettenspiegel auf TikTok, und plötzlich pilgert halb Kreuzberg nach Friedrichshain, um dort fünf Stunden lang in einem durchinszenierten Club-Container zu zittern. 

Gut, die Szene ist nicht erst vorgestern globaler geworden. Aber genau das macht es auch schwieriger, Hype und Haltung auseinanderzuhalten. Zwischen nostalgischem Vinylfetischismus und Techno-Aerobic liegt nämlich eine Clubszene, die gleichzeitig professionalisiert und ironiefrei ritualisiert ist. 

Und trotzdem, dazwischen, versteckt unter Shoppingmalls, in leerstehenden Lagerhallen, an Bahntrassen oder zwischen Autowerkstätten sind sie noch: Clubs, die es ernst meinen. Oder zumindest: Wo man nicht weiß, ob das Klo funktioniert, aber sicher ist, dass man danach anders rauskommt, als man reingegangen ist.

Och nööö!

Natürlich sagt jetzt wieder wer: "Och nö, nicht schon wieder Berlin.” Aber was soll man machen? Die Stadt ist wie das vergilbte Berghain-Stempel-Tattoo auf deinem Unterarm – verblasst, aber immer noch da. Und während sich die halbe Welt in der Schlange stellt, als wäre Techno eine Ersatzreligion, verstecken sich zwischen all dem Merchandise und dem Mythos immer noch Räume, die nicht nach Pressemitteilung riechen.

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Das RSO zum Beispiel. Säkularisierte Endzeit für Maschinenmusik im Biomeiler, der klingt wie ein albanischer Autotunnel, in dem Helena Hauff rückwärts mit Tempo 170 durchballert. Menschen tanzen dort, als würden sie seit gestern aufs Internet verzichten. Außerdem: wenig Branding, keine Urban-Sports-Club-Mitgliedschaft. Nur Techno, echokammerwarm, der die Leute – egal ob sie aus Moabit, Madrid oder Melbourne kommen – zusammenschweißt wie ein mittelguter Ketaminmoment am Sonntagmorgen.

Und dann das OHM. Der David Lynch unter den Berliner Clubs. Alles ist klein, alles ist eng. Betonwände, die zurückspucken wie eine passive-aggressive Ex-Freundin. Hier spielen DJs, die aussehen, als wären sie auf dem Weg zu einem Kunstperformance-Workshop abgebogen. Kein Spot für Amateursentimentalitäten oder den sogenannten Vibe. Eher. Fordernd. Und maximal 150 Leute im Raum. Aber wetten, dass das reicht?

Berghain-Spirit mit FIFA-Koks

Rüber nach Tiflis, das coole Leute Tbilissi nennen und deshalb schon lange kein Geheimtipp mehr ist. War es wahrscheinlich eh nie. Man hat das nur nicht bemerkt, weil der Flug dorthin so lang war und Georgien auf westlichen Partylandkarten zwischen Goa und "Wo ist das genau?” lag. 

Heute haben alle schon mal vom Bassiani gehört. Manche waren sogar da. Ein paar behaupten es zumindest. Und trotzdem – der Ort hat was. Nicht bloß, weil der Club unter einem Fußballstadion liegt, was circa so geil ist, als hätte man den Berghain-Spirit mit FIFA-Koks vermischt. Sondern weil dort Dinge passieren, die Clubs woanders längst verlernt haben: Haltung zeigen. Politisch sein. Nicht wie Belehrungssympathie eines ARD-Themenabends, sondern weil es muss.

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Ein paar Kilometer weiter: KHIDI. Auch ein Beton-Moloch, aber mit anderem Vokabular. Als hätte man Regis, Ancient Methods und einen Audi-Motorblock in eine Live-Performance gezwängt. Die Crowd: internationaler als im Bassiani, aber mit weniger Berlin-Kopie-Gestus. Keine Ironiejacken, keine Balenciaga-Baggies, sondern Leute, die dir das Line-up rückwärts aufsagen können. Und vielleicht eine gewisse Liebe zu dystopischen Netflix-Serien haben. 

Pablo, du Legende!

Einen 17-stündigen Gabelflug später steigt man in Bogotá aus. Eine Stadt wie ein Technotrack von Objekt – du brauchst ein bisschen, um reinzukommen, aber wenn es klickt, bist du verloren. Und der Video Club ist dafür die beste Tür, die sich nie so anfühlt, als würde sie dich rein- oder rauslassen. Eher: aufsaugen. In ein mehrstöckiges Betonbiotop mit der Energie eines Berliner Kellerfloors von 2009, nur ohne Koketterie. 

Wer den Laden betritt, lässt alles draußen: Kontext, Kontrolle, Kontostand. Die DJ steht über allen, ist trotzdem nicht abgehoben. Das Licht: diffus wie die Erinnerung am übernächsten Morgen. Die Musik ist vieles und das, was Tourist:innen später als authentisch in der Google-Bewertung bezeichnen. Das heißt: kein dramaturgischer Peak-Time-Schaum, sondern Spannungsaufbau wie ein Film von Gaspar Noé ohne Abspann.

Natürlich zieht das auch Raver aus Barcelona oder Journalistinnen aus Brooklyn an, die das Ganze dann für Pitchfork in irgendein "Latinx Club Movement”-Narrativ pressen. Aber gut. Meistens sind es Locals, die keinen Bock auf den Mainstream ihrer Stadt haben – also genau das tun, was früher mal Subkultur hieß, bevor das Wort zu einem Festivalpass wurde.

Boom, Boom, Belgrad

Du steigst aus dem Taxi, der Fahrer sagt nichts, du auch nicht. Links eine Tankstelle, rechts ein Parkplatz, irgendwo bellt ein Hund. Kein Schild, kein Türsteher. Nur ein mattes Licht, eine rostige Tür – und dahinter: der Drugstore, serbischer Weltuntergang in einem ehemaligen Schlachthaus, das immer noch Fleisch verarbeitet. Jetzt halt menschliches. 

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Da ist: Beton in jeder Richtung, Decken so hoch wie der Serotoninpegel kurz vor dem Nachlegen. Und ein Soundsystem, das dich anrotzt. Hier ist nichts freundlich oder für Insta. Der Boden klebt. Die Luft steht. Manchmal funktioniert das Klo nicht. Aber das gehört dazu. Weil das hier nicht der Glanz ist, den sich Berlin auf seine Soulseek-gecrackte Historie pinselt, sondern echte Patina. Nicht Pathos, sondern Partikel.

An Samstagen mischt sich der Soziologiestudent mit der queeren Tattoo-Künstlerin, der polnische Austausch-Raver mit der serbischen Lyrikerin, die aussieht wie Nico, nur mit Glatze und drei BPM mehr im Herzen.

Ich war noch niemals in New York

Erstmal: New York ist tot. Sagte schon jeder, immer, ständig. 9/11, Bloomberg, Techbros, Gentrifizierung, die Rückkehr von Indie-Rock. Tot. Begraben unter spekulativen Quadratmetern, Starbucks-Filialen und einem Kunsthochschul-Ableger aus Baden-Württemberg. Und dann kommst du runter. Buchstäblich: runter in den Basement.

Das heißt: kein Netz, selten Selfies, exit through the gift shop. Akustisch ist dieser Club ein militärisch geplanter Überfall. Hier verstehst du das erste Mal, dass Techno nichts mit Europa zu tun hat. Sondern mit Druck. Und Präzision. Und dieser plötzlichen Erkenntnis, dass dein Herz sich sehr wohl synchronisieren lässt – mit einer Kickdrum aus Ridgewood, Queens.

In den guten Nächten lebt dort der Exzess. Aber ohne diese abgegraste Minimal-Arroganz. Hier spielt niemand nur Vinyl. Hier spielt niemand überhaupt irgendwas, was du kennst. Und genau das ist der Punkt. Wer hier auflegt, liefert eine durchinszenierte Entfremdung, die dich zerlegt wie ein gutgelaunter Algorithmus mit Midlife-Crisis.

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Und irgendwann, du weißt nicht wann, bist du in einem Hinterhof in Bushwick oder vielleicht doch in Berlin oder im Niemandsland deines Innenohrs. Plötzlich: Nowadays. Der andere Laden. Der freundliche. Der große Garten mit den vielen Lichterketten, wo man sich erst denkt: "Oh, ein queerfreundliches Brunch-Ding mit Kombucha-Bar” – und zehn Minuten später liegt man zitternd auf dem Holzfußboden, weil jemand Ambient spielt, der sich wie ein gebrochenes Versprechen anfühlt.

Nachtflug nach Lissabon

Das Lux Frágil ist ein Theater. Also wirklich. Balkone, Spiegel, roter Samt. Es spielt sich nur keiner auf. Zumindest nicht so, wie man es erwarten würde in diesem, tja, Kulturbetrieb mit Türpolitik. Der Sound ist dafür wie gemalt; von Carl Craig persönlich. Mit Plattenspieler auf Altbauparkett.

Es läuft also immer House, der zu schön ist, um wahr zu sein, und Techno, für den es keine Entschuldigung gibt. Die Drinks teuer, Zigaretten vor der Tür, das Publikum: queer, viel zu gut aussehend. Aber keine Ahnung, warum, aber man hat hier plötzlich wieder Hoffnung. Nicht auf Weltfrieden – aber vielleicht auf eine gute Afterhour.

Und dann das Gegenteil, also: das richtige. Planeta Manas. Ein Raum wie ein DIY-Comic. Eingang durch einen Kiosk, die Bar wie zusammengebaut aus Skateboards und Geschirrspülern, das Licht ein Fehler in der Matrix. Dazu riecht es nach Körper und Konzept. Manchmal läuft Techno, manchmal nicht. Manchmal spielt ein Experimental-Duo mit drei Gameboys, manchmal legt eine kolumbianische DJ auf, die so klingt, als hätte sie Aphex Twin in einer Industrieruine adoptiert.

Waka Waka

Boutiq Electroniq, das ist wahrscheinlich: ein Labor. Oder ein Fiebertraum, getarnt als Garage mit einem Soundsystem, das aus Autoteilen, Hoffnung und importierten Lautsprechern besteht. Wenn man will, spielt gerade jemand, der noch nie außerhalb von Kampala aufgelegt hat – aber klingt, als hätte er zehn Jahre in Berlin gelebt.

Hier läuft Acholitronix. Electro-Zouk. Nyege. Also alles. Immer. Laut. Und ein bisschen schneller, als dein Körper will. Weil ja Nyege Nyege nicht bloß ein Festival-Kollektiv-Label ist. Es ist eine Energieform. Und das Studio dahinter der heilige Schweißfleck, in dem das alles gerinnt. Hier entstehen Tracks, die endlich mal die europäische Überlegenheitsfantasien zerlegen.

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Und klar, es gibt Bookings aus dem Westen. Boiler Room war auch mal da. Aber Kampala ist nicht das neue Berlin. Kampala ist das alte Kampala. Kabumm!

Perfect Days

Tokio ist die Stadt, in der selbst die U-Bahn-Töne komprimiert klingen. Alles blinkt, alles piept, es gibt keine Ruhe, nur Pausen zwischen Werbeschildern. Und irgendwo unter diesem Dauerfeuer aus Ordnung und Überforderung: Womb. Eine Ausnahme. Nicht versteckt, nicht geheim, nicht winzig, aber trotzdem kein Ausverkauf. 

Die Anlage wurde irgendwann mal mit dem Blut von fünf Funktion-One-Ingenieuren getauft, das Licht fährt in alle Richtungen, die Decke ist ziemlich hoch. Hier legt DJ Nobu nächtelang in einem Glaskasten auf. Hier spielen Acts, die sonst auf Arena-Tour sind. Ohne Visuals, ohne Gelaber, nur auf Sendung.

Von Shibuya geht es ein paar Stationen hoch, ins Forestlimit. Ein Ort, an dem nichts zusammenpasst, also alles stimmt. Der Raum klein, das Licht kaputt, die Musik: DIY, aber nicht aus Hipstergründen – sondern, weil es halt niemand anders besser weiß. Breakcore, Noise, dann plötzlich Krach aus Nirgendwo. Aufgelegt von DJs, die aussehen wie Versicherungsangestellte. Für Leute, die Anzüge tragen oder Schuluniformen oder gar nichts. Was schön ist. Und schräg. Ja, Tokio.

Scheiß auf die Liste

Am Ende bleibt vielleicht die Erkenntnis, dass Clubkultur nicht in Rankings funktioniert. Nicht in Likes oder Playlists, schon gar nicht in Forbes-Artikeln. Sondern, Pathos reingedreht: in Momenten, die nicht geplant waren. In Nächten, die passieren müssen. In Räumen, die es sonst nirgends gibt.

Natürlich grätscht da immer jemand rein und sagt: "Alles ist global, alles ist vernetzt.” Aber manche Nächte lassen sich eben nicht teilen. Nur erleben. Und vielleicht ist das der wahre Hype: Wenn du irgendwo rauskommst – egal ob Bogotá, Belgrad oder Bushwick –, und für einen Moment weißt, warum das alles überhaupt noch wichtig ist.

Veröffentlicht in Features und getaggt mit Bassiani , Berghain , Lux Frágil , ohm , RSO Berlin

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